Wie weiter mit Vattenfall? Gespannt schauten Sachsens Grüne auf den Ausgang der Beratung im schwedischen Parlament am Freitag, 25. Oktober. Sie hatten auf ein klares "Nein" der Schweden zu weiteren Braunkohle-Plänen in Sachsen gehofft. Doch die schwedische Regierung hat auf die Anfrage der schwedischen Grünen zum widersprüchlichen Handeln des Vattenfall-Konzerns nur erklärt, dass sie nicht verhindern wolle, dass Vattenfall in den Braunkohleabbau investiere. Es hieß, Deutschland entscheide selbst über seine Art der Energiegewinnung.

Wenn denn Deutschland tatsächlich entscheiden würde und wenn es auch nur irgendwo eine klare Linie gäbe, an der sich auch große Energiekonzerne orientieren können. Denn das Problem der Energieriesen ist nicht die Energiewende. Das Problem ist das Zittern und Zappeln der Politiker, die auch zehn Jahre nach dem Start der Energiewende so tun, als könnten sie alles wieder ändern, aufschnüren, rückgängig machen. Gerade das aber macht Energieinvestitionen in Deutschland heute unberechenbar. Es gibt 17 verschiedene Energiepolitiken. Und jede Landtags- und Bundestagswahl kann das aufs Neue ändern.

Ganz unschuldig sind die Großen Vier nicht an diesem Dilemma. Sie haben auch dann noch versucht, für ihre alten Atom- und Kohlemeiler zu kämpfen, als sie der ganzen Nation Solarparks in der Wüste und ratternde Offshore-Windparks versprochen haben. Was 2011 zu den ersten dramatischen Überkapazitäten im deutschen Stromnetz führte – ohne dass auch nur die nötigen neuen Stromtrassen oder gar Speicher zur Verfügung standen. In dem Dilemma steckt nicht nur RWE, das mittlerweile unter den extrem niedrigen Strompreisen an der Börse auch leidet und das über seine Tochter enviaM auch mit allen Bandagen im einen Teil des Leipziger Stromnetzes kämpft. In diesem Dilemma steckt auch Vattenfall.”Spiegel Online” berichtete darüber am 23. Oktober. Denn parallel zur Bundestagswahl hatten die Hamburger auch über den Komplettrückkauf der Hamburger Stromnetze abgestimmt (und dabei die Kompromissstrategie des Hamburger Regierenden Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) ausgehebelt). Das Gleiche bahnt sich in Berlin an, womit Vattenfall in den zwei größten deutschen Städten die Hoheit über die Stromnetze einbüßt.

Dass Vattenfall seinen Meiler im Kohlekraftwerk Lippendorf verkaufen will, ist seit Frühjahr 2013 Thema. Umso erstaunlicher wirkt der geplante Ausbau der Kohleförderung in der Lausitz.

“Ich bin dennoch fest davon überzeugt”, sagte am Sonntag, 27. Oktober, der klima- und energiepolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag Johannes Lichdi, “Vattenfall wird sich über kurz oder lang aus strategischen Gründen aus der Braunkohleförderung und -verstromung in der brandenburgischen und sächsischen Lausitz zurückziehen. Trotz dieser Aussagen wird auch in Schweden die Debatte über das Handeln des Staatskonzerns Vattenfall, der sich in der schwedischen Heimat ein gänzlich anderes Gesicht gibt, nicht mehr zu stoppen sein. Seine kolonialistische Politik in Ostdeutschland wird der Konzern nicht mehr lange durchhalten.”

Im Mai hatte Vattenfall angekündigt, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 50 Prozent zu senken. 2050 will der Konzern keine einzige Tonne CO2 mehr ausstoßen. Das Ziel kann der Konzern nur mit der Stilllegung oder dem Verkauf von Kohlekraftwerken erreichen.

“Vor diesem Hintergrund braucht Vattenfall in Sachsen auch keine zusätzlichen Tagebaue. Für Nochten II fehlt damit die energiewirtschaftliche Grundlage”, stellt Lichdi fest. “Der zuständige Innenminister Markus Ulbig (CDU) muss daher endlich Verantwortung für das Leben der Menschen in der Lausitz übernehmen. Solange unklar ist, was mit den Braunkohlekraftwerken von Vattenfall wird, muss es ein Moratorium für die Genehmigung neuer Tagebau geben.”

Versorgt sind die bestehenden Kohlekraftwerke bis zum letzten Tag ihrer Laufzeit. “Die schon genehmigten Tagebaue reichen bis nach 2040”, erläutert Lichdi. “Wenn zusätzliche Kohle gar nicht gebraucht wird, dann ist es absolut unnötig, jetzt drei Dörfer zu zerstören und mehr als 1.500 Menschen aus ihrer Heimat zu vertreiben.”

Die Erklärung von Vattenfall zum CO2-Ausstoß: http://corporate.vattenfall.de/de/Kohlendioxidemissionen.htm

Der “Spiegel Online”-Beitrag “Ungeliebter Stromkonzern: Experten rechnen mit Vattenfall-Rückzug aus Deutschland”: www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/vattenfall-droht-das-aus-in-deutschland-a-926188.html

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar