Die Bewertungen des jüngsten Berichts, den der Sächsische Rechnungshof am Donnerstag, 10. Oktober, vorgelegt hat, könnten deutlicher nicht auseinander gehen. "Mit seiner Forderung nach weiteren Sparanstrengungen bestätigt der Sächsische Rechnungshof die solide Finanzpolitik im Freistaat der vergangenen Jahre", sagt der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Jens Michel. Der haushalts- und finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Sebastian Scheel, spricht von Etat-Unehrlichkeit.

Der Rechnungshof selbst hatte sich in der Formulierung deutlich zurückgehalten. Lobte lieber und kratzte den Finanzminister ein wenig am Kinn. “Der Freistaat Sachsen hat 2012 die höchsten Einnahmen an Steuern und steuerinduzierten Einnahmen seit 1990 erzielt. Trotz der hervorragenden Einnahmesituation hat der Freistaat Sachsen für 2013 und 2014 einen Doppelhaushalt verabschiedet, der nur über die Entnahmen aus der Kassenverstärkungs- und Haushaltsausgleichsrücklage ausgeglichen werden kann. Der Freistaat ist zwar seinem Markenzeichen einer hohen Investitionsquote bei niedriger Verschuldung treu geblieben, doch gibt dieser Doppelhaushalt das falsche Signal für die Zukunft.”

Prof. Dr. Karl-Heinz Binus, Präsident des Sächsischen Rechnungshofs, betont: “Für eine nachhaltige, zukunftsfähige Haushaltswirtschaft führt kein Weg an der Anpassung der Ausgaben an die Einnahmen vorbei.”

Und das in Sachsen, wo zwar die Kommunen alle in der Haushaltsklemme stecken, der Freistaat aber Jahr für Jahr Überschüsse erzielt.

Was doch lobenswert ist, wie der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Jens Michel, feststellt: “Seit 2006 nimmt Sachsen keine neuen Schulden mehr auf. Gleichzeitig tilgt der Freistaat seitdem jedes Jahr rund 75 Millionen Euro alte Verbindlichkeiten. Hätte Sachsen so viele Schulden wie der Durchschnitt der neuen Flächenländer, müssten wir jedes Jahr knapp eine Milliarde Euro nur an Zinsen zahlen. Dank dieser so erwirtschafteten Sachsenrendite können wir uns vieles leisten, was in anderen Ländern längst unmöglich ist.”

Ist das wirklich der Maßstab? – Sachsen gab trotzdem 337 Millionen Euro für den Schuldendienst aus. Das ist immer noch eine Menge Geld.

“Mit dem im vergangenen Jahr beschlossenen Doppelhaushalt 2013/2014 ohne neue Schulden und den Schwerpunkten Bildung, Investitionen und Zukunftssicherung, ist der Freistaat seiner Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen gerecht geworden”, meint Michel. “Eine Investitionsquote von rund 18 Prozent ist deutschlandweit spitze. Mit dem Zukunftssicherungsfonds in Höhe von insgesamt 140 Millionen Euro für die Jahre 2015 und 2016 geben wir zudem den Kommunen in Sachsen schon heute die Sicherheit, dass auch nach 2014 ausreichend Mitte für den Schul- und Krankenhausbau zur Verfügung stehen. – Nicht zuletzt die Aufnahme eines Neuverschuldungsverbotes in die Sächsische Verfassung vom Sommer dieses Jahres sowie die Verwendung der Steuermehreinahmen für den Garantiefonds zur früheren Landesbank und zur weiteren Schuldentilgung ist ein Zeichen der nachhaltigen Finanzpolitik in Sachsen, daran werden wir festhalten. Deshalb ist uns der kritische Blick des Rechnungshofes sehr hilfreich.”
Dem genannten Garantiefonds für die Landesbank führte der Freistaat auch im vergangenen Jahr 315,6 Millionen Euro zu. Auch das ist Geld, das den Einwohnern des Freistaats nicht zur Verfügung steht.

Und warum sind Einnahmen und Ausgaben nicht im Gleichgewicht? Warum nimmt der Freistaat seit Verabschiedung des ersten Doppelhaushalts 2011/2012 jedes Jahr 1 Milliarde Euro mehr ein als er ausgibt?

Sebastian Scheel: “Aus unserer Sicht bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Freistaat in den letzten zehn Jahren über 3 Milliarden Euro mehr eingenommen hat als geplant. Das bekräftigt unsere Kritik an bewusst zu niedrig angesetzten Einnahmen durch die Staatsregierung und dem damit verbundenen Gestaltungsentzug für das Parlament. Vorläufiger Höhepunkt ist das Jahr 2012 mit einer nicht geplanten Mehreinnahme von 1,2 Milliarden Euro.”

Dem Landtag vorgelegt wurde für 2012 ein Haushalt von 15,5 Milliarden Euro – mit allen den heftigen Kürzungen beim Personal in Polizei, Schulen, Hochschulen, Verwaltungen. Eingenommen hat der Freistaat aber am Jahresende 16,8 Milliarden Euro. Ein Szenarium, wie es die Opposition schon seit Beginn der Diskussion um die Doppelhaushalte kritisiert hat.

Aber auch die jetzige Kritik wird verhallen. Und der Rechnungshofbericht wird wohl nur in der Provinz ein paar Wellen schlagen. Denn auch zwischen Finanzministerium und Rechnungshof herrscht seit Jahren eher Eiszeit. Der finanzpolitische Sprecher der Linken dazu: “Der vorliegende Rechnungshofbericht Band 1, der sich mit dem Vollzug des Haushaltes unter Verantwortung der Staatsverwaltung beschäftigt, bringt deutlich zum Ausdruck, dass sich der Sächsische Landtag und insbesondere der Haushalts- und Finanzausschuss nicht nur mit den Feststellungen des Rechnungshofes bezogen auf aufgetretene Mängel im Umgang mit öffentlichen Finanzmitteln in den Fachministerien beschäftigen muss, sondern verstärkt mit den Defiziten der Sächsischen Staatsregierung im Umgang mit der Stellung und den Rechten des Sächsischen Rechnungshofes. Die im Bericht aufgezeigte mangelnde Kooperationsbereitschaft des Sächsischen Finanzministeriums gegenüber dem Rechnungshof ist nicht nur schlechter Stil, sondern außerordentlich kritikwürdig, da die Fraktion Die Linke besonders von diesem Ministerium eine Vorbildwirkung gegenüber allen anderen Ressorts der Regierung erwartet.”

Aber auch bei Scheel glimmt da so ein Fünkchen Hoffnung, der Ministerpräsident könnte vielleicht eingreifen: “Dies sollte für den Ministerpräsidenten Anlass sein, dieses Verhalten kritisch in seinem Kabinett auszuwerten. Ohne Rückendeckung der jeweiligen Hausspitze würden sich Beamte des Freistaates Sachsen so eine Verhaltensweise gegenüber dem Rechnungshof nicht herausnehmen. Gleiches gilt für die Fraktionen von CDU und FDP im Sächsischen Landtag, die sich schon öfters bei berechtigten Kritiken des Rechnungshofes an Verhaltensweisen der Ressorts schützend vor die Staatsregierung gestellt haben, anstatt den berechtigten Feststellungen des Rechnungshofes beizutreten.”

Der Rechnungshof verkündet zwar auf dem Deckblatt seines Berichts forsch “Wir prüfen Sachsen. Unabhängig, kompetent, nachhaltig.” Aber was nutzt es, wenn die Kritik kein Echo findet?

Denn in diesem Jahr hat der Rechnungshof auch ein ganz zentrales Feld der Staatsplanung kritisiert: die Personalpolitik. Die Staatsregierung brilliert zwar seit 2009 mit immer neuen Reformen. Aber: “Der Freistaat lässt ein tragfähiges Personalkonzept, um steigenden Personalausgaben und Versorgungslasten entgegenzuwirken, vermissen.” Steht so im Bericht. Es gibt zwar den generösen “Generationenfonds”, der womöglich tatsächlich die künftigen Lasten bei der Abfederung der Pensionen auffängt.

Aber zu einem Personalkonzept, das auch in den nächsten Jahren noch die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung sichert, gehört mehr. Nur die Zahlen dazu bekam der Rechnungshof nur in bereinigter Form. Karl-Heinz- Binus: “So wurden bspw. bei der Prüfung der personalwirtschaftlichen Konzepte von den Ressorts angeforderte Unterlagen in Bezug auf Prognosen zur Stellen- und Personalausgabenentwicklung, zur Altersstruktur, zu aufgabenkritischen Betrachtungen sowie zu Personalentwicklungskonzepten u. ä., nicht wie gefordert, direkt an den Rechnungshof gesandt, sondern durch die Staatskanzlei tabellarisch zusammengefasst und erst nach erheblicher Bearbeitungszeit dem Rechnungshof zugeleitet.”

Im Klartext: Der Umgang mit Finanzen und Stellenplänen bleibt eine Blackbox. Die Staatsregierung behandelt ihren Rechnungshof nicht wie ein unabhängiges Korrektiv, sondern wie einen lästigen Störenfried. Der Einleitungstext von Karl-Heinz Binus ist gespickt mit Kritik zu verweigerten Zahlen und Auskünften.

Den Rechnungshofbericht 2013 findet man hier:
www.rechnungshof.sachsen.de/download/JB2013-Band_I.pdf

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