Da kennt auch Sachsens Umweltminister Frank Kupfer keine Bescheidenheit, wenn es darum geht, die Erfolge seiner Umweltpolitik zu preisen. Am Dienstag, 8. Oktober, legte er den "Umweltbericht 2012" für Sachsen vor. "Der Bericht, den mein Haus einmal pro Legislaturperiode erstellt, zeigt die enormen Leistungen, die in Sachsen an vielen Stellen für das Wohl der Umwelt und damit der Menschen erbracht werden. In Sachsen wird Umweltschutz groß geschrieben, das macht auch dieser Bericht erneut deutlich", sagte der Minister.

Als einen der Erfolge führte der Minister die Abwasserentsorgung an. Bisher sei das Ziel einer Abwasserbehandlung nach dem Stand der Technik für 90 Prozent der Sachsen erreicht. Der Freistaat habe die erforderlichen Investitionen in zentrale und dezentrale Kläranlagen in den vergangenen Jahren mit rund vier Milliarden Euro unterstützt.

“Um bis zum Ende des Jahres 2015 den Stand der Technik für alle Sachsen zu erreichen, haben wir in diesem Jahr noch einmal die Förderkonditionen angepasst”, so der Minister. Bereits heute sei sichtbar, dass sich die Bemühungen um eine Reinhaltung der Gewässer auszahle. “79 Prozent unserer Oberflächengewässer sind schon heute in einem guten chemischen Zustand. Schwerpunkt unserer Arbeit muss es deshalb sein, auch beim ökologischen Zustand weitere Verbesserungen zu erreichen.”

In Sachsen seien dafür allein von 2009 bis 2012 97 Wehre und andere Querbauwerke zurückgebaut oder mit einer Fischaufstiegshilfe versehen worden. “Auf diese Weise schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass Fische und zahlreiche andere Wasserlebewesen die Gewässer wieder als Lebensraum annehmen können und dort vorkommen”, so Kupfer.

Bei der Vorstellung des Umweltberichts ging der Minister auch auf den Erhalt der biologischen Vielfalt ein. Sachsen hat mit 270 FFH- und 77 Vogelschutzgebieten fast 16 Prozent seiner Fläche als Beitrag für das europäische Netz von Schutzgebieten “Natura 2000” zur Verfügung gestellt.

“Erfolge können wir bei bedrohten Bergwiesenarten genauso verzeichnen wie beim Seeadler und einigen Bodenbrütern”, erläuterte Kupfer. So konnte die Orchideenart ?Stattliches Knabenkraut? in der Roten Liste 2013 aus der höchsten Kategorie (vom Aussterben bedroht) entlassen werden. Kiebitz und Feldlerche zeigen auf Flächen mit speziellen Schutzmaßnahmen deutliche Bruterfolge. “Diese Maßnahmen machen aber auch deutlich: Artenschutz ist keine rein staatliche Angelegenheit. Dort, wo wir gemeinsam mit Landwirten und anderen Flächennutzern nach Lösungen suchen, kommen wir beim Erhalt unserer Tier- und Pflanzenwelt auch voran.”

In diesem Zusammenhang würdigte Kupfer die Arbeit der zahlreichen ehrenamtlichen Helfer, die die Umwelt- und Naturschutzbehörden bei ihrer Arbeit unterstützen. “Was die mehr als 1.100 Naturschutzhelfer und -beauftragten leisten, ist unschätzbar. Sie pflegen Biotope, schaffen Nistmöglichkeiten, erfassen und beobachten die vorkommenden Tier- und Pflanzenarten. Dieses Engagement, dieses Fachwissen, gepaart mit Kenntnis lokaler Gegebenheiten ist für den Natur- und Umweltschutz auch künftig unverzichtbar. Dafür gilt mein ausdrücklicher Dank”, so der Minister abschließend.

Und der ganze Rest? – Nicht nur die Grünen vermissten den.Dass Kupfer so lax über die ökologische Beschaffenheit der Gewässer hinwegging, findet Gisela Kallenbach, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, sehr bedenklich, “denn hier gibt es keine sächsische Erfolgsgeschichte: 85 Prozent der sächsischen Gewässer werden auch bis 2015 nicht in einem guten ökologischen Zustand sein. Außerdem sind Sachsens Gewässer regional stark mit Pestiziden belastet. Die Verursacher, meist landwirtschaftliche Betriebe, brauchen unter Kupfer allerdings keine Angst vor Strafe oder Sanktionen haben. Laut Staatsregierung sind die ‘Verursacher der diffusen Einträge nicht zu ermitteln’.”

Und das große Thema des Verlusts an landwirtschaftlichen Flächen? – “Trotz massiv zurückgehender Einwohnerzahlen weiten sich in Sachsen die Siedlungs- und Verkehrsflächen auf der ‘Grünen Wiese’ aus. Im Zeitraum von 2007 bis 2012 ist die Siedlungs- und Verkehrsfläche um ca. 17.000 Hektar angewachsen. Nach letzten offiziellen Aussagen im Landesentwicklungsplan 2012 der Staatsregierung wurden in Sachsen immer noch täglich 8,2 Hektar Fläche neu versiegelt. Das entspricht einer Fläche von elf Fußballfeldern pro Tag. Das kann sich bitter rächen, denn vollständig versiegelter Boden leitet das Wasser nur oberflächig ab und führt bei Starkniederschlägen zur Ausbildung von Hochwasser”, kritisiert die Landtagsabgeordnete aus Leipzig. “Dennoch sind Flächenversiegelungen für den sächsischen Umweltminister kein Thema. Konkrete Vorschläge, diese zu mindern, sind weder im Doppelhaushalt noch im Landesentwicklungsplan oder im Landesverkehrsplan erkennbar. Zusätzlich wurde das Fördergeld für die Brachflächenrevitalisierung von 2011 bis 2014 auf die Hälfte reduziert.”

Und auch beim Naturschutz sieht die Grünen-Abgeordnete in der konkreten Politik von CDU und FDP nur wohlfeile Worte: “Geld für den Ankauf von Naturschutzflächen gibt es nicht. Auf ein Vorkaufsrecht des Freistaats und der Kommunen für Gewässergrundstücke und an Gewässern angrenzende Grundstücke wurde mit dem gerade verabschiedeten Wassergesetz bewusst verzichtet. Berechtigter Dank an die ehrenamtlichen sächsischen Naturschützer kann diese Defizite nicht aufwiegen.”

Und noch eine Frage hat sie: “Hätte ein Umweltminister nicht auch einige Worte zur Lärm- und Luftsituation zu sagen?”

Für sie eine deutliche Botschaft: “Offenbar nicht in Sachsen. Für die CDU/FDP-Regierung ist Lärm kein Thema. Lediglich 150.000 Euro jährlich stehen im Haushalt für Schallschutzmaßnahmen an bestehenden Staatsstraßen zur Verfügung.”

Die Grünen-Fraktion hatte in den Haushaltsberatungen jährlich insgesamt 4 Millionen Euro für Lärmschutzmaßnahmen an Bahnschienen und Staatsstraßen gefordert. Die Finanzierung sollte durch Einsparungen im Straßenneubau erfolgen. Dies lehnten CDU und FDP ab.

“Und auch die lärmgeplagten Bewohner rund um den Leipziger Flughafen werden allein gelassen. Als Haupt-Gesellschafter wären sie verantwortlich für lärmminderndes Management – hier versagt der Freistaat auf ganzer Linie”, stellt Kallenbach fest. Und kritisiert im Umweltminister auch den Agrarminister: “In Sachsen sterben massenhaft Bienen. Ursache ist nicht nur die Varroa-Milbe, sondern vor allem die Landwirtschaft mit ihrem Pestizidmissbrauch. Sachsens einst vielfältige Kulturlandschaft ist dank Agroindustrie eine Agrarsteppe geworden. Hier zeigen die Pestizide ihre volle Wirkung: Mittlerweile existieren weite, von der industriellen Landwirtschaft geprägte Landstriche, in denen überhaupt keine Vögel mehr brüten und lediglich Randstrukturen wie Gräben und Hecken durch Vögel besiedelt werden. Auf 85 Prozent der Flächen wachsen Getreide, Raps und Mais – nicht zuletzt protegiert durch die Förderpolitik des Landes. Auf der letzten Agrarministerkonferenz vom 30. August setzten sich Vertreter aus zehn Bundesländern für Einschränkungen beim Einsatz des Totalherbizids Glyphosat (Round up) ein. Staatsminister Kupfer sieht als Vertreter Sachsens keinen Handlungsbedarf, obwohl Glyphosat bereits in geringen Dosen toxisch für menschliche Zellen wirkt.”

Ihr Fazit zu diesem Bericht: “Statt nachhaltiger regionaler Kreisläufe in der Landwirtschaft setzt sich Kupfer für die großzügige Förderung von Massentierhaltungsanlagen ein und behauptet, in Sachsen gäbe es noch viel Platz für weitere Tierfabriken. Statt Klasse setzt er auf Masse und nimmt die starken Belastungen für Boden, Luft und Wasser in Kauf. Bei dieser Staatsregierung ist Umweltschutz nicht mehr als eine Fußnote. Leider.”Dr. Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, fehlte auch noch ein ganz anderes Thema: “Das Wort ‘Braunkohle’ hat der Minister komplett vermieden – obwohl die Lausitzer Tagebauregion die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie beim Grundwasser so stark und dauerhaft verfehlt, dass dort Ausnahmeregelungen – ‘weniger strenge Umweltziele’ – angenommen werden müssen. Auch im Bereich Klima könnten die Aussagen deutlicher sein: Nach 1999 haben sich die CO2-Emissionen aus der Braunkohleverstromung in Sachsen verdoppelt. Durch die Inbetriebnahme des neuen Blocks in Boxberg steigen sie nach Expertenschätzungen nochmals um bis zu 4 Millionen Tonnen CO2 jährlich – auf ca. 12,9 Tonnen CO2 pro Einwohner/Jahr in Sachsen.”

Und auch in der CDU-Fraktion sieht man die Sache nicht ganz so euphorisch. Dr. Stephan Meyer, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, schlägt nach Vorstellung des Umweltberichts durchaus nachdenkliche Töne an. “Die Herausforderungen der Zukunft dürften insbesondere beim Klimaschutz, einer besseren Energieeffizienz, dem Umgang mit der allgemeinen Ressourcenknappheit, der weiteren Eindämmung beim Flächenverbrauch und die Erhaltung der biologischen Vielfalt liegen”, sagte er am Dienstag. “Im Bereich des Klimaschutzes muss Sachsen weitere Anstrengungen auf Energieeinsparung und Energieeffizienz legen, um die Klimaziele zu erreichen. Die Umweltallianz Sachsen und der Gewerbeenergiepass sind bereits geeignete Instrumente, um vor allem die Unternehmen noch stärker für diesen Bereich zu sensibilisieren.”

Und er benennt das auch für Sachsen akute Thema Klimawandel. “Auch die Zunahme extremer Wetterlagen wie Hochwasser und Dürreperioden stellt uns weiterhin vor große Herausforderungen. Deshalb müssen die Anpassungen etwa bei der Fruchtfolge in der Landwirtschaft oder dem Waldumbau jetzt erfolgen und nachhaltig sein. Gleiches gilt für den Hochwasserschutz. Gerade in diesen Bereichen hat der Freistaat in den vergangenen Jahren viel getan und ist auf einem guten Weg”, meint Meyer. “Trotz einzelner Erfolge, bereitet mir der Artenrückgang insbesondere bei einzelnen Bodenbrüterarten nach wie vor Sorge. Hier müssen wir noch geeignetere Maßnahmen ergreifen, um unsere biologische Vielfalt zu erhalten.”

Der “Umweltbericht 2012”: www.publikationen.sachsen.de/bdb/artikel/11072

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