Kann man Politik wie eine PR-Agentur betreiben? - Die sächsische FDP versucht es. Kaum hat die FDP bei der Bundestagswahl ihre historische Schlappe erlebt und mit 4,7 Prozent den Wiedereinzug in den Bundestag verpasst, vermeldet Holger Zastrow, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender und sächsischer FDP-Landeschef: Das lag an der fehlenden klaren Kante. Und auch zum Klima ist man klüger.
Der Originaltext von Holger Zastrow: “Wir haben es aber eben überhaupt nicht geschafft, unseren Anteil der guten Entwicklung auch nach außen darzustellen. Die FDP war einfach zu schwach und zu ungeschickt in der Koalition, dafür hat die Partei eine harte Quittung bekommen, zu hart.”
Außendarstellung? – In Sachsen kam die FDP sogar nur auf 3,1 Prozent. Und das, obwohl sie in Sachsen seit 2009 mitregiert und alle Kanäle zur Verfügung hat, ihre Weltsicht zu verbreiten.
Und die ist in etlichen Bereichen nicht wirklich realitätsnah. Zuweilen bekommt man auch das Gefühl, man legt es in der sächsischen FDP-Spitze sogar darauf an, die Realität auf den Kopf zu stellen, einfach mal das Gegenteil zu behaupten und dann dem Rest der Welt vorzuwerfen, sie trickse oder könne ihre eigenen Zahlen nicht lesen.
Ein Glanzstück lieferte am Freitag, 27. September, Torsten Herbst ab, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Beruf: Kaufmann. Wer ein wenig weiter blättert in seiner Vita, findet den 40-Jährigen seit 1999 beschäftigt bei “einer Dresdner Werbe- und PR-Agentur”. Die Agentur heißt Zastrow & Zastrow. Inhaber: Holger Zastrow, der sächsische FDP-Chef und Fraktionsvorsitzende. Torsten Herbst ist dort in der “Geschäftsleitung Bereich Strategisches Marketing, Konzeption und Public Relations” beschäftigt.
Bei Public Relations kommt es – zumindest in der aktuellen Praxis – nicht allzu sehr darauf an, der Öffentlichkeit Fakten und Zusammenhänge zu vermitteln, sondern Produkte zu verkaufen und etwas zu tun, was man in den USA einmal als “defensive Informationstätigkeit” bezeichnet hat.
Am Freitag, 27. September, veröffentlichte der Weltklimarat seinen mittlerweile 5. Sachstandsbericht. Der war fiebernd erwartet worden, nicht nur von den Journalisten, die noch im Vorfeld heftig über die Diskussionen in der Wissenschaftlergemeinde grübelten. Stoff genug gab es. Denn es gibt kaum ein international arbeitendes Gremium, das so transparent arbeitet wie der Weltklimarat und deshalb auch Stoff bereitstellt, über den man grübeln kann. Nicht nur Wissenschaftler aus aller Welt sind eingebunden – und sind sogar jedes Mal aufgefordert, die Ergebnisse ihrer Kollegen zu hinterfragen und nachzuprüfen, der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wird von den Regierungen zahlreicher Länder unterstützt. In Deutschland sind es das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), die1998 die deutsche Koordinierungsstelle einrichteten.
All das ist auf der Website der deutschen IPCC-Koordinierungsstelle nachzulesen – bis hin zu den Prüfmodalitäten. Recht einhellig war dann auch der Tenor deutscher Medien auf das, was am 27. September im neuen IPCC-Bericht zu lesen stand. Etwa auf “Spiegel Online”: “Uno-Bericht: Klimawandel ändert unsere Welt grundlegend”.
Selbst die Zusammenfassung des Berichts findet deutliche Worte: “Der Bericht bestätigt eindeutig, dass sich das Klima ändert und dass dies auf menschlichen Einflüssen beruht. Im neuen Sachstandsbericht (AR5) sind die Belege für den aktuellen Klimawandel und seine Ursachen noch umfassender und sicherer als im vorigen Bericht von 2007. Die Abschätzungen der zukünftigen Entwicklung sind sehr viel fundierter.”
Damit kann man sich wissenschaftlich auseinander setzen, wenn man das Zeug dazu hat. Aber das, was Torsten Herbst dann draus macht, ist dann eher verkehrte Welt. Ein wenig aus der Haltung heraus: Wenn alle Welt sich irrt – wir hier im Tal der Ahnungslosen sehen es richtig. Dabei ist er nicht mal Forschungs- und Technologiepolitischer Sprecher seiner Fraktion – das ist Andreas Schmalfuß, dem er das Thema vielleicht doch besser hätte überlassen sollen. Herbst ist in der FDP-Fraktion Sprecher für Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Verkehrspolitik, Europapolitik und Medienpolitik.Und was macht Torsten Herbst nun aus der Berichterstattung zum 5. Sachstandsbericht des IPCC?
Sein Beitrag in voller Länge:
“Wir brauchen Realismus statt Alarmismus! – IPCC muss frühere Prognosen abschwächen / Computermodelle des UN-Weltklimarates geben Anlass zur Skepsis
Offenbar muss das IPCC seine alarmistischen Prognosen mehr als nur relativieren: In den vergangenen 15 Jahren ist die bodennahe Temperatur im weltweiten Durchschnitt je nach Methode maximal um 0,05 Grad gestiegen. Der dramatische Klimawandel findet schlichtweg nicht statt.
Alle Klima-Modelle konnten den realen Anstieg der Erderwärmung nicht prognostizieren. Die Ursachen dafür konnten im Bericht nicht dargelegt werden. Insofern ist jede Prognose des IPCC aus der Vergangenheit, im aktuellen Bericht und in jedem zukünftigen sehr mit Vorsicht zu betrachten.
Das IPCC sollte sich nicht länger zum verlängerten Arm der Politik machen lassen, sondern streng wissenschaftlich arbeiten. Öko-Politiker mögen ja denken, dass sie im Besitz der alleingültigen Wahrheit sind – Wissenschaftler sollten einen anderen Anspruch an sich haben.
Die Wissenschaft sollte anhand realer Messwerte Theorien zu entwerfen und nicht versuchen, mit zweifelhaften, politisch gesteuerten Modellvoraussagen die Realität zu verändern. Es ist schlichtweg beschämend, wenn die Bundesregierung Medienberichten zufolge versucht hat, die Aussagen des IPCC zu beeinflussen. Die entwertet die Arbeit des Rates letztendlich vollkommen.
Wir fühlen uns in Sachsen bestärkt, uns nicht von Öko-Alarmismus anstecken zu lassen. Es ist kein Widerspruch, sowohl neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen zu sein, als auch gleichzeitig eine Übersubventionierung volkswirtschaftlich sinnloser Ökostrom-Gewinnung abzulehnen. Rationalität und Realismus müssen Leitfaden der Politik sein, nicht Panikmache und Klimawandel-Glauben. Wohin eine überzogene Öko-Politik sonst führt, sehen wir nicht nur am Beispiel der vollkommen aus dem Ruder gelaufenen ‘Energiewende’, die Familien und Unternehmen immer weiter finanziell belastet.”
“Klimawandel-Glauben”?
Ist das nur eine Diffamierung der Klimaforscher, deren Ergebnisse im Sachstandsbericht zusammengetragen werden? Oder ist das der Versuch, Wissenschaft überhaupt als Glaubenssache abzutun? Das wäre dann schon ganz finster.
Dass die Forschungen immer wieder überprüft, verfeinert, erweitert werden müssen – keine Frage. Aber keiner der vier Vorgänger-Berichte konnte so deutlich belegen, dass die Erde schon mittendrin ist in einer großen Klimaveränderung. Aus der Zusammenfassung zitiert: “Im gesamten Klimasystem finden seit Mitte des letzten Jahrhunderts vielfältige Veränderungen statt. In dieser Form sind viele dieser Veränderungen in den zurückliegenden Jahrzehnten bis Jahrtausenden noch nie aufgetreten. Nicht nur die Temperatur der unteren Atmosphäre steigt, auch die Ozeane erwärmen sich, Gletscher tauen, Permafrostböden werden wärmer, Eisschilde verlieren an Masse, der Meeresspiegel steigt weiter an.”
Das ist alles mittlerweile belegt. Nur in Dresden scheint man es einfach nicht glauben zu wollen.
Ein Forschungsprojekt aus Dresden: Klimawandel – was wir tun können
Mit welchen Wetterextremen müssen …
Bürgerumfrage 2012 (1): Optimisten, Pessimisten und Aktivisten in Sachen Klima
Manche Sprüche sind richtig gut …
Hochwasserpolitik in Sachsen: 2 Milliarden Euro Schaden – Umdenken nicht in Sicht
Am Dienstag, 25. Juni, um 9.15 Uhr hatte …
Weiter heißt es: “Umfassendere Beobachtungen, erweiterte Modelle und ein tiefergehendes Verständnis der Zusammenhänge zeigen: Die Aktivitäten des Menschen sind mit großer Sicherheit die Hauptursache des aktuellen Klimawandels. Natürliche Faktoren wie Schwankungen der Sonnenaktivität oder Vulkanausbrüche haben auf die langfristige Erwärmung gegenwärtig nur einen geringen Einfluss. Hauptursache der Erwärmung ist die Freisetzung von Treibhausgasen, insbesondere von Kohlendioxid. Dessen Konzentration ist in der Atmosphäre heute so hoch, wie noch nie zuvor in den zurückliegenden 800.000 Jahren. Bliebe die derzeitige Emissionsrate unverändert, dann wäre schon Mitte dieses Jahrhunderts so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre emittiert, dass die globale Mitteltemperatur über 2 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau ansteigen würde.”
Und da ist man dann endgültig bei der sächsischen Energiepolitik, die die Verfeuerung der Braunkohle als Übergangstechnologie preist, wo immer sie kann. Die Technologie mit dem höchsten CO2-Ausstoß unter den fossilen Verbrennungstechnologien.
Mit PR kann man also sichtlich Politik machen. Zumindest in Sachsen. Ob das der FDP gut tut, ist eine durchaus interessante Frage.
Der Spiegel zum IPCC-Bericht: www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klima-5-ipcc-report-des-uno-klimarats-in-stockholm-2013-a-924789.html
Die deutsche IPCC-Koordinierungsstelle: www.de-ipcc.de
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