Die Zuschauer und Zuhörer durften schon mal zur Probe abstimmen. Zuvor erlebten sie einen hochwertige Wahlkampf-Diskussion heute Abend im Zeitgeschichtlichen Forum in der Grimmaischen Straße: Die Gäste des MDR-Wahlforums wurden nicht müde, die Vorzüge der eigenen Partei herauszustreichen und den politischen Gegnern ihre Fehltritte vorzuwerfen.

Auf dem Podium saßen: Christoph Bergner von der CDU und parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Katrin Göring-Eckardt von den Grünen und Spitzenkandidatin ihrer Partei, Katja Kipping von Die Linke und Bundesvorstand ihrer Partei, Matthias Machnig von der SPD und Wirtschaftsminister in Thüringen, sowie Cornelia Pieper von der FDP und Staatsminiserin im Auswärtigen Amt.

Am heißesten diskutierten sie das Thema Mindestlohn. Grünen-Vertreterin Katrin Göring-Eckardt sprach sich dafür aus, SPD-Mann Matthias Machnig trat für 8,50 Euro pro Stunde ein, Katja Kipping von den Linken sogar für 10 Euro: “Wir brauchen ein Verbot sittenwidriger Löhne, sowohl nach unten als auch nach oben”, so die Dresdnerin. Deshalb hat ihre Partei jüngst die Initiative “1:20” ins Leben gerufen, die Managergehälter auf das 20-fache der untersten Entlohnungsstufe in einer Firma begrenze. “Wenn der Top-Manager eine halbe Million mit heim nehmen soll, dann muss er sicher stellen, dass auch seine Putzfrau im Unternehmen ordentlich bezahlt wird”, erklärte Kipping. Und erntete dafür brandenden Applaus aus dem Publikum.
Moderator Tim Deisinger hatte bei Cornelia Pieper Mühe sie zu einer klaren Antwort zu bewegen. “Ich bin für menschenwürdige Löhne”, sagte sie. Mehrmals drang Deisinger darauf, warum sie dann keinen Mindestlohn wolle. Pieper sagte erneut ihren Satz auf. “Sechs oder 8,50 Euro sind mir da zu wenig. Ich will, dass die Menschen mehr verdienen. Wir müssen gute Arbeitsplätze schaffen”, so Pieper. Katja Kipping erwiderte: “Mit solch einer Aussage tragen Sie zur Politikverdrossenheit bei.” Und erntete erneut Zustimmung im Publikum. CDU-Mann Christoph Bergner sprach sich für Lohnuntergrenzen aus, die jedoch nicht die Politik festlegen soll: “Wer soll ihn festlegen? Die Politiker im warmen Bundestag oder die Menschen vor Ort?” Die Politik sei nicht klüger als zum Beispiel die Gewerkschaften. Katrin Göring-Eckardt warf ein, die Gewerkschaften seien doch für einen Mindestlohn.

Zweites großes Thema war der Solidarbeitrag. FDP-Frau Pieper will diesen pünktlich im Jahr 2019 auslaufen lassen. Die Grünen-Vertreterin Göring-Eckardt warf ihr vor, damit Geld sparen und ihre Stammwähler entlasten zu wollen. “Schaffen Sie lieber das sinnlose Betreuungsgeld ab. Mit dem Geld könnte man 33.000 Kitaplätze schaffen”, so Göring-Eckardt. Pieper antwortete, sie habe in Sachsen-Anhalt bereits kurz nach der Wende an der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz mitgewirkt und hielt ihrer Kontrahentin vor, das Rot-Grün den Rechtsanspruch nicht bundesweit eingeführt habe.
Während CDU-Mann Bergner das Thema umschiffte und sagte, es gelte das Deckungsprinzip auch für den Solidarbeitrag und er fließe wie alle Steuern in den Bundestopf, sprach sich SPD-Mann Machnig für eine Weiterführung aus. “Ihn abzuschaffen wäre dramatisch”, da das Geld in den Neuen Bundesländern in wichtige Investitionen flössen.

Wie wird der Wähler zur Bundestagswahl über die Parteien-Meinungen entscheiden? Einen Vorgeschmack suchte der MDR zu ermitteln, indem vor und in der Mitte der Diskussion eigene Wahlzettel ausgeteilt wurden. Diese fragten, welche Partei – von jenen auf dem Forum – man wählen würde. Rund 200 Zuschauer zählte das Publikum. Das Wahl-Ergebnis an diesem Abend sprach eine klare Sprache: Sowohl vor als nach der Diskussion war Die Linke Spitzenreiter.
Sie legte von 25,9 Prozent vor dem Forum auf 34 Prozent danach zu. Platz zwei ging an die Grünen: Auch sie steigerten sich, von 24,4 Prozent auf 25,9 Prozent im Laufe der Diskussion. Die SPD zählte ebenso zu Gewinnern: Sie legte von 15,5 Prozent vor dem Forum auf 22,9 Prozent danach zu. Die CDU startete mit einem Ergebnis von 19,6 Prozent und schnitt später nur noch mit 12,6 Prozent ab. Die FDP erzielte erst magere 6,6 Prozent und später nur noch 3,7 Prozent.

Die Parteien dürften mit einem solchen Ergebnis gerechnet haben, hatten doch die Grünen und die Linke ihre Spitzen-Frauen geschickt. SPD, CDU und FDP hatten im Vergleich nur zweite Garde aufgefahren.
Möglich ist auch, dass Schwarz-Gelb in Sachsen bereits mit Sieg-Lorbeeren rechnet und sich auf diesen ausruht: Eine Umfrage von infratest-dimap im Auftrag des MDR hatte heute ergeben, dass allein 48 Prozent in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen der CDU ihre Stimme geben würden.

SPD-Mann Machnig relativiert solche “Umfragen-Astrologie”, wie er sie nennt. “Die Erfahrung zeigt, dass 50 Prozent der Wähler untentschlossen sind und 30 bis 40 Prozent ihre Entscheidung in den letzten 14 Tagen vor der Wahl treffen”, so der Thüringer Wirtschaftsminister. Auch Grünen-Frau Göring-Eckardt erinnerte: “Der Wähler hat das Wort, nicht die Institute.”

Zumindest das Wahlergebnis vor Ort hat dies heute Abend bestätigt.

Der MDR stellt in Kürze die Aufzeichnung der Debatte online:

www.mdr.de/mdr-info/wahlforum100.html

Zur MDR-Meldung über die Infratest-dimap-Erhebung:

www.mdr.de/mdr-info/cdu-in-mitteldeutschland-vor-bundestagswahl100.html

Zur Instituts-Webpage geht es hier:

www.infratest-dimap.de

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