Da war Christian Hartmann, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises Innenpolitik der CDU-Landtagsfraktion, ganz flott, als am Mittwoch, 7. August, die Grünen eine neue Meldung zu den Kriseninterventionszeiten der sächsischen Polizei veröffentlichten. "Die Grünen haben offensichtlich noch immer nicht verstanden, dass Interventionszeiten bei der Polizei keinen Sinn machen", erklärte er postwendend mit eigener Pressemitteilung. Für ihn ist klar: Polizisten sind keine Feuerwehrleute.

“Anders als bei Rettungsdiensten und Feuerwehren, die in ihren Wachen während ihrer Bereitschaftszeiten auf das Eintreffen einen Notrufes warten, befinden sich die sächsischen Polizisten während ihres Dienstes permanent im Einsatz”, erklärt Hartmann. “Polizisten rücken nicht erst aus, wenn sie um Hilfe gerufen werden, sondern sind in den meisten Fällen ohnehin auf der Straße, fahren Streife oder gehen Routinekontrollen nach. Selbstverständlich gibt es eine Abwägung darin, ob nach einem Notruf zunächst der Auffahrunfall aufgenommen wird oder die flüchtigen Täter nach einem Banküberfall verfolgt werden.”

Aber darum geht es den Grünen eigentlich nicht. Oder eben doch. Denn natürlich kann es brandgefährlich werden, wenn eine zusammengeschmolzene Polizeiwache erst einmal überlegen muss, ob sie Bankräuber verfolgen soll oder zu einem Auffahrunfall fahren. Das Problem sind in Sachsen die fehlenden Polizisten. Die Interventionszeiten sind nur ein Symptom für den Mangel.

“19 Minuten braucht die Polizei im Durchschnitt, um bei einem Einsatz, in dem es um Gefahr für Leib und Leben geht, vor Ort zu sein. 19 Minuten müssen Opfer von Bedrohung, Körperverletzung oder häuslicher Gewalt auf Hilfe durch die Polizei warten. Das ist zu lang”, kritisierte Eva Jähnigen, die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.In 19 Kleinen Anfragen (Drs 5/12010 bis 5/12028) wurden die Polizeipräsenz und Interventionszeiten in 19 Polizeirevieren und -posten an zwei beliebig ausgewählten Tagen (Mittwoch, 16.01.2013 und Sonnabend, 23.03.2013) erfragt. Das Innenministerium teilte mit, dass insgesamt 34 Fälle mit Gefahr für Leib und Leben vorlagen. Die kürzeste Interventionszeit (eine Minute) hatte die Polizei am 23.3.2013 in Altenberg bei einem Fall von Körperverletzung (Drs 5/12010). Am längsten, nämlich 56 Minuten, brauchte sie in einem Fall von Konfliktregelung am 16.01.2013 in Dresden-Nord (Drs 5/12013).

Und Jähnigen benennt auch, warum sie so beharrlich nach den Interventionszeiten fragt. Denn sie sind das erste Signal, das sichtbar macht, wie sich der fortschreitende Personalabbau bei Sachsens Polizei auswirkt. Und damit wären sie eigentlich auch ein Messinstrument für den zuständigen Innenminister, mit dem er ablesen könnte, ob er mit den Stellenkürzungen bei der Polizei zu weit gegangen ist. Denn hier zeigt sich ja, ob die sächsische Polizei noch im Rahmen von messbaren Parametern funktioniert – oder ob man dem System schon Schaden zugefügt hat.

“Innenminister Markus Ulbig (CDU) lässt die durchschnittlichen Interventionszeiten noch nicht einmal erfassen. Wie lange will er die Probleme unter den Teppich kehren?”, fragt Jähnigen. “Wird jemand Opfer von Gewalt oder Zeuge einer Straftat, bekommt er eher von einem Notarzt Hilfe, als von der Polizei. Der Rettungsdienst hat eine gesetzlich geregelte Hilfspflicht von zwölf Minuten, die Polizei nicht. Das muss sich schleunigst ändern.”

Die Grüne-Fraktion fordert deshalb – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Schließung vieler Polizeireviere – die Schaffung gesetzlich geregelter Hilfspflichten auch für die Polizei. “Sonst droht das Vertrauen der Bevölkerung verloren zu gehen”, so Jähnigen.

Den sächsischen Polizeidirektionen waren bis Ende 2012 insgesamt 71 Polizeireviere unterstellt. Die Polizeireviere wiederum unterhalten sogenannte Polizeiposten. Insgesamt gab es bis Ende 2012 85 Polizeiposten. Mit der Umsetzung der Neuorganisation der sächsischen Polizei durch das Konzept “Polizei.Sachsen.2020” werden weitere 31 Polizeireviere zu Polizeiposten umgewandelt.

Auf den Antrag der Grünen-Fraktion zur Analyse von Interventionszeiten (‘Auswertung und verbindliche Festlegung der Interventionszeiten bei der sächsischen Polizei’, Drs 5/11207) antwortete Innenminister Ulbig, dass eine Analyse der Interventionszeiten zu aufwendig wäre.

Der Antrag zu den Interventionszeiten: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=11207&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=202

Kleine Anfrage ‘Polizeipräsenz und Interventionszeiten im Polizeiposten Altenberg’ (Drs 5/12010): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12010&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

Kleine Anfrage ‘Polizeipräsenz und Interventionszeiten im PR Dresden-Nord’ (Drs 5/12013): http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12013&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

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