Es ist zwar unlogisch - aber es geht immer ganz schnell, wenn Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) die Notwendigkeit der Energiewende beschwört - und ruckzuck bei der Notwendigkeit der Braunkohleverbrennung landet. So auch wieder am Montag, 1. Juli. Da hatte Sachsens Ministerpräsident Vertreter aus Energiewirtschaft, Wissenschaft, Politik und Industrie zur Diskussion über die Energiewende eingeladen. Und das Ergebnis: "Die Teilnehmer waren sich einig, dass die Energiewende unumkehrbar ist."

So meldet es die Sächsische Staatskanzlei am selben Tag. Eigentlich erwartet man dann so etwas wie einen Fahrplan zur sächsischen Energiewende. Oder irgendeinen Vorschlag zu einer Rücknahme all der Vergünstigungen, die die Bundesregierung mittlerweile allen möglichen Unternehmen mit großem Stromverbrauch gewährt. Was ja die kleinen Unternehmen und die Privathaushalte dann bezahlen müssen.

Und was sagt Stanislaw Tillich? – “Der Strompreis muss für die Unternehmen wie auch für die Verbraucher bezahlbar bleiben.” Einem bereits absehbaren Anstieg der Umlage für die Einspeisung erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) für das Jahr 2014 müsse kurzfristig mit geeigneten Maßnahmen entgegen gesteuert werden.

Auch er hat ja mitbekommen, was die Grüne-Fraktion im Bundestag über die absehbaren Kosten für die Kleinverbraucher im Jahr 2014 herausbekommen hat: “Industrie-Privilegien kosten über eine Milliarde Euro”. Aber einen Vorschlag, wie man die Geschenke der Bundesregierung rückgängig macht und die Haushalte von diesem Verschiebebahnhof entlastet, hat auch Tillich nicht.

Darüber hinaus sei es wichtig, dass der aus erneuerbaren Energieanlagen gewonnene Strom auch durch Entwicklung effizienter Speichertechnologien praktisch genutzt werden könne, lässt er noch mitteilen. Auf diesem Gebiet müsse die Forschung forciert und der bundesweite Um- und Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze beschleunigt werden. Dass die aktuelle Bundesregierung dazu genauso wenig Konzepte hat wie die sächsische, wurde ja beim Ostdeutschen Energieforum in Leipzig schon mehr als deutlich. Diesem Forum, bei dem die sächsische Wirtschaft sehr deutlich formuliert hat, dass sie von der Politik mittlerweile mehr als schöne Worte erwartet, nun einen weiteren “Energiegipfel” folgen zu lassen, spricht eigentlich nur dafür, dass Sachsens Regierungschef irgendwie nicht ausgelastet ist.

Denn Ergebnisse waren bei diesem “Gipfel” nicht gefragt. Es gab auch keine. Denn eigentlich ging es – wie so oft – nur darum, ein, zwei große Spieler auf dem sächsischen Energiemarkt zu beruhigen. Einer nämlich ist längst sehr beunruhigt: Vattenfall. Das will seinen CO2-Ausstoß kräftig senken. Und der Verkauf eines Kraftwerksblocks in Lippendorf ist nur der Anfang.

Und so teilt die Staatskanzlei denn nach diesem “Gipfel” mit: “Die Teilnehmer an dem Gespräch waren sich einig, dass auf konventionelle Erzeugungskapazitäten wie zum Beispiel die Braunkohle als Partner der erneuerbaren Energien nicht verzichtet werden kann.”

Noch verrückter geht’s nicht.
Und so sah denn auch die Opposition im Landtag wieder einmal die ganze Unentschlossenheit der Sächsischen Staatsregierung in Energiefragen.

“Ministerpräsident Stanislaw Tillich hat die für heute geplante Märchenstunde auf seine Energie-Pressekonferenz vorgezogen”, kommentiert Antje Hermenau, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, die Pressekonferenz zum Energiegipfel. “Nach dem Hochwasser im Juni hätte ich vom Ministerpräsidenten deutliche Aussagen pro Klimaschutz erwartet.”

Aber wer erklärt Stanislaw Tillich, wie die Erderwärmung und die zunehmende Zahl von Extremereignissen mit seinen geliebten Kohlekraftwerken zusammenhängt? Wer traut sich?

“Das Festhalten an der konventionellen Stromerzeugung aus Braunkohle hat mit Partnerschaft zu den erneuerbaren Energien nichts zu tun. Das weiß der Ministerpräsident. Er lässt Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) darum die erneuerbaren Energien behindern, wo es nur geht”, kritisiert Hermenau. “Die EEG-Umlage steigt auch darum, weil nicht im internationalen Wettbewerb stehende Firmen wie Vattenfall von der EEG-Umlage befreit sind. Insofern saß mit dem Vattenfall-Mann Hubertus Altmann der richtige Mann auf dem Podium der Pressekonferenz des Ministerpräsidenten. Doch er sprach zum falschen Thema.”

Hermenau bedauerte zudem die heutige Zustimmung des regionalen Planungsverbands Oberlausitz-Niederschlesien für die geplante Erweiterung des Tagebaus Nochten. “Diese Braunkohle wird für die Stromerzeugung in Deutschland nicht mehr gebraucht. Weil einige ihren Traum von der Verstromung von Braunkohle weiter träumen wollen, wird mehr als 1.500 Menschen die Heimat genommen und Jahrhunderte alte Kulturlandschaft zerstört. Für eine attraktive Zukunft braucht die Region aber Strukturwandel und kein ideologisches Festhalten an alten Zöpfen.”

So sieht es auch Thomas Jurk, energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: “Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, so wird das nichts. Ihr Energiegipfel war mal wieder eine kraftlose Placebo-Veranstaltung. Es reicht nicht, sich nur in Fragestellungen zu ergehen. Eine Regierung muss handeln. Aber wo bleiben die Initiativen der Staatsregierung? – Völlig zu Recht weisen Sie darauf hin, dass der aus erneuerbaren Energieanlagen gewonnene Strom auch durch Entwicklung effizienter Speichertechnologien praktisch genutzt werden muss. Erst vor wenigen Tagen, am 20. Juni, hat die SPD-Fraktion ihren Antrag ‘Energieforschung und Speichertechnologie voranbringen’ im Sächsischen Landtag zur Abstimmung gestellt. Aber die Regierungskoalition hat dagegen votiert. Was sollen wir davon halten?”

Da versucht eine Regierung, es sich nicht mit zwei Konzernen zu verderben, hat aber ansonsten keinen Plan. Jurks Kommentar: “Der Ministerpräsident gibt sich wie gewohnt: Zögerlich und unbestimmt. So regiert man nicht. So kommt man nicht voran. So packt man keine Energiewende an.”

Die Meldung der Sächsischen Staatskanzlei zum Thema: www.medienservice.sachsen.de/medien/news/185527

Die Meldung der Grünen-Fraktion zu den weiter steigenden Stromkosten für Haushalte und kleine Unternehmen: www.gruene-bundestag.de/themen/energie/industrie-privilegien-kosten-ueber-1-milliarde-euro_ID_4389342.html

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