Dass viele der noch 2002 angedachten Deichrückverlegungen nicht stattgefunden haben, die den Flüssen bei Hochwasser mehr Raum geben würden, hat in einigen Teilen Sachsens auch damit zu tun, dass viele Menschen in hochwassergefährdeten Gebieten leben. Manche, ohne dass sie es bis zu den Hochwassern von 2002 und 2013 überhaupt wussten, manche von billigen Versprechungen von Wohnparkentwicklern verlockt.
Eigentlich wäre schon nach 2002 ein rigides Umzugsprogramm an der Tagesordnung gewesen, bei dem der Freistaat den Betroffenen auch geholfen hätte, in nichthochwassergefährdete Gebiete umzusiedeln. Die es auch gibt. Sogar mehr als genug in hunderten kleineren und größeren Gemeinden. Sachsen ist anders als Indien oder Bangladesch, in dem Menschen in überflutungsgefährdeten Flussgebieten leben müssen, weil anderswo kein Platz mehr ist.
17.000 potenziell von Hochwasser gefährdete Wohngebäude im Freistaat sind nicht versicherbar, hatte der Fraktionsvorsitzende der Linken im Landtag, Rico Gebhardt, in der letzten Woche noch einmal festgestellt. Die hier von Hochwasserschäden Betroffenen bekommen vielleicht Hochwasserhilfe – aber von der Versicherung nichts.
Und das wird sich auch künftig nicht ändern, denn solche Extremereignisse, wie sie Sachsen erlebt hat, werden sich künftig häufen. Indien erlebte durch die heftigen Monsunregenfälle in der vergangenen Woche noch eine viel schlimmere Hochwasserkatastrophe. Welche Wassermengen mittlerweile in der Atmosphäre unterwegs sind, erlebt aktuell die westkanadische Großstadt Calgary, wo 100.000 Menschen auf der Flucht sind. Auch die modernen Industrienationen stehen vor der Herausforderung, ihre Infrastrukturen an den längst stattfindenden Klimawandel anzupassen. Und das gelingt eben nicht – wie in Sachsen mit der Fixierung auf den Deichausbau 2002 erfolgt – mit dem alten und teuren “Höher, Stärker, Teurer”. Das kann der Freistaat auf Dauer genauso wenig bezahlen wie der Privatmann.
Und die langfristige Formel heißt tatsächlich größtenteils: raus aus den Auen. Nur wenige Infrastrukturen in den natürlichen Überflutungsgebieten lassen sich langfristig mit entsprechendem technischen Aufwand sichern und schützen. In der Breite wird dafür schlicht das Geld fehlen. Und das aktuelle Ereignis zu nutzen, den Betroffenen jetzt zum Verlassen der Gefahrenzone zu helfen, liegt eigentlich auf der Hand.
Die SPD-Fraktion im Landtag hat deshalb ein WiederaufbauhilfePlus an Umzugswillige in die Diskussion gebracht.
Martin Dulig, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, dazu: “Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag hat in den letzten Tagen einen Entschädigungsfonds ?Umsiedlung? ins Spiel gebracht. An diesem Vorschlag halten wir weiter fest und werden in den nächsten Wochen Vorschläge zur konkreten Ausgestaltung vorlegen. Dazu müssen wir prüfen, in welchen Gegenden eine Umsiedlung sinnvoll und notwendig ist. Dies erfordert aber einen mittel- bis langfristigen Planungszeitraum.”
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Nötig seien daher auch kurzfristige Angebote für Umzugswillige. “Viele Menschen haben innerhalb weniger Jahre mehrfach ihr Hab und Gut verloren. Sie wollen häufig nur noch weg”, stellt Dulig fest. “Das ist mehr als verständlich. Ihnen sollten wir eine WiederaufbauhilfePlus anbieten: Ich schlage vor, dass wir ihnen die finanziellen Mittel anbieten, die sie für den Wiederaufbau an Ort und Stelle bekommen würden, und ergänzen sie um einen Bonus. Damit geben wir allen einen Anreiz, jetzt stark hochwassergefährdete Gebiete zu verlassen und sich in sicheren Gebieten eine neue Existenz aufzubauen. Es ist sehr viel sinnvoller und nachhaltiger, jetzt ein bisschen mehr Geld in die Hand zu nehmen, als den Wiederaufbau genau dort zu finanzieren, wo schon in wenigen Jahren erneut Zerstörung droht.”
Und er appelliert an die sächsische Regierung, in ihren eigenen Hochwasserschutzkonzepten das Umdenken mit zu verankern. Dulig: “Zurzeit arbeitet die Staatsregierung die Richtlinien für die Verwendung der Fluthilfemittel aus. Sie wäre gut beraten, darin Mittel für die Umsiedlung von Umzugswilligen zu verankern.”
Das Hochwasser in Calgary in der “Süddeutschen”: www.sueddeutsche.de/panorama/ueberschwemmungen-in-calgary-kanadier-fliehen-vor-hochwasser-1.1703247
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