Die Umweltschutzorganisation WWF macht für die aktuelle Lage in den Hochwassergebieten auch die Kommunen mitverantwortlich. In den vergangenen Jahren habe man vor allem auf bessere Vorhersage und zu stark auf technischen Hochwasserschutz gesetzt. "Auf kommunaler Ebene herrscht beim Hochwasserschutz vielerorts noch egoistische Kleinstaaterei", kritisiert Georg Rast, WWF-Referent für Wasserbau und Hydrologie.
“Sanierte und erhöhte Deiche mögen im Einzelfall vernünftig sein, doch oftmals wird das Problem nur immer weiter in die Nachbargemeinden flussabwärts verlagert”, sagt er.
Bereits 2007 hatte der WWF in der Studie die Hochwasserprävention an der Elbe kritisiert. Die Forderung, die Gelder an einen nachhaltigen Mitteleinsatz und die entsprechende Verwendung zu koppeln, stieß jedoch auf taube Ohren. Die WWF-Studie zeigte außerdem, dass ein Teil der staatlichen Präventionshilfen sogar in Projekte flossen, bei denen ein Bezug zum Hochwasserschutz nicht erkennbar war. Der Bericht benennt etwa die Sanierung einer Kegelbahn und die Asphaltierung von Feldwegen. Das dürfe jetzt nicht erneut passieren, so die Mahnung des WWF.
Entgegen der Ankündigungen sei zu wenig passiert, um dem Fluss mehr Raum zu geben und das Schadenspotenzial in möglichen Überflutungsgebieten zu beschränken oder zu verringern. Jetzt müsse die Bundesregierung endlich dirigierend und entschlossen die Umsetzung bestehender Aktionsprogramme zum Hochwasserschutz in die Umsetzung bringen – das wurde bisher versäumt.
“Wir brauchen jetzt endlich die Weichenstellungen, um großflächige Rückhalteräume zu sichern. Nachhaltiger und effektiver Hochwasserschutz ist nun mal ein Generationenprojekt und nicht in zehn Jahren realisierbar”, so Rast. Die Spirale aus immer höheren Pegelständen in immer kürzeren Zeitperioden und den darauf folgenden Deichertüchtigungen sei ein Wettrüsten, das nicht gewonnen werden könne.”Die Elbe hat über 80 Prozent ihrer natürlichen Überflutungsflächen und Auwälder verloren”, sagt Rast. Die Auen mussten Wohnsiedlungen und Industrieanlagen weichen oder werden intensiv durch die Landwirtschaft genutzt. Der WWF-Bericht dokumentierte bereits 2007, dass alle geplanten und durchgeführten Deichrückverlegungen an der Elbe zusammen nur ein Prozent der einstigen Überflutungsflächen ausmachen. Zusätzliche, natürliche Überflutungsflächen seien nur in zwei größeren Pilotprojekten in der Umsetzung. Beide werden überwiegend aus Naturschutzbudgets und nicht aus Hochwassermitteln finanziert.
“Nach der Elbeflut 2002 haben Bundesregierung und Länder zwar umfassende Hochwasserschutzprogramme initiiert, doch auch über zehn Jahre nach der Flut hat sich das Risiko kaum verringert”, bilanziert WWF-Experte Rast. “Es macht keinen Sinn, landwirtschaftliche Fläche mit gleichwertigem Niveau zu schützen wie Städte und Siedlungsflächen.” Die Hochwasserrisiko-Managementrichtlinie müsse endlich ernst genommen und im überregionalen Kontext richtig umgesetzt werden.Dasselbe kritisiert auch Bernd Heinitz, Vorsitzender des NABU Sachsen: “Wiederholt haben wir deshalb von der Landesregierung gefordert, ihrer eigenen, nach dem Jahr 2002 entwickelten Hochwasserschutzstrategie mit Konsequenz zu folgen. Nach dieser Strategie sollte der technische Hochwasserschutz (Mauern und Dämme) mit dem natürlichen (zum Beispiel der Schaffung von Überflutungsflächen in Flussauen) verbunden werden. Doch zunehmend wurde diese nachhaltige Mehrfachstrategie zugunsten baulich-technischer Maßnahmen vernachlässigt – eine verhängnisvolle Fehlentwicklung, wie sich eindeutig erwiesen hat. Zwar hat die Landesregierung nach dem Hochwasser 2010 lautstark die Absicht geäußert, den sächsischen Flüssen mehr Raum zu geben und auch die Flächenversiegelungen drastisch zu reduzieren, doch den großen Worten sind nur wenige Taten gefolgt.”
WWF: Hochwasserrisiken zehn Jahre nach Elbeflut unvermindert hoch – Deiche lösen das Problem nicht
Angesichts der aktuellen Hochwasserlage …
Zehn Jahre nach der Flut: Die Elbe steckt noch immer im Korsett
Zwei Tage lang, am 12. und 13. August 2002 …
Hochwasserschutz in Sachsen: Grüne, SPD und Linke fordern mehr Raum für die Flüsse
Zehn Jahre sind seit der “Jahrhundertflut” vergangen …
Nach Ansicht des NABU müssen sich jetzt auf regionaler Ebene endlich Wissenschaftler, Fachbehörden, Vertreter der Kommunen, Landnutzer und Vertreter des Naturschutzes zusammenfinden und schnell – und in weitgehendem Konsens – herausarbeiten, wo die Stärken und wo die Schwächen des jeweiligen Hochwasserschutzkonzepts liegen. Neben dem technischen Hochwasserschutz müsse zukünftig durch eine Vielzahl von Maßnahmen stärker dort angesetzt werden, wo die Hochwässer entstehen, im Quellgebiet der Flüsse und überall da, wo Wasser in die Flüsse gelangt. Renaturierung von Quellgebieten, die Renaturierung von Fließgewässern und deren Auen, das Verschließen von Entwässerungsgräben in der Wald-, Feld- und Wiesenflur, Rückbau von Querverbauungen und ungenutzter Gebäudesubstanz, intakte Grabensysteme, konservierende Bodenbewirtschaftung und Waldmehrung seien nur einige der Möglichkeiten, die unbedingt ernsthafter als bisher betrachtet und genutzt werden müssen.
Bernd Heinitz: “In einer Sache könnte sogar sofort gehandelt werden: Das Sächsische Wassergesetz befindet sich derzeit noch in der Behandlung durch die Gremien im Sächsischen Landtag. Und eben dieses Gesetz sieht derzeit vor, dass, wenn auch unter Auflagen, weiterhin in Überschwemmungsgebieten gebaut werden darf. Hier muss es, wie von uns gefordert, ein generelles Bauverbot geben, denn es sollte alles, was im Bereich des Möglichen liegt, getan werden, um das Ausmaß der nächsten Fluten und den entstehenden Schaden zunehmend zu begrenzen.”
WWF-Studie “Fünf Jahre nach der Elbeflut” (2007): www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/wwf_elbehochwasser_langfassung_13062007_final.pdf
Hintergründe: www.wwf.de/themen-projekte/fluesse-seen/hochwasser/hochwasser
Keine Kommentare bisher