Am zweiten Tag der Innenministerkonferenz in Hannover hat die Bund-Länder-Kommission zum Rechtsterrorismus ihren Abschlussbericht vorgestellt. Fazit: Die deutsche Sicherheitsarchitektur habe nicht generell versagt. Eine Abschaffung des Verfassungsschutzes halte sie "für nicht geboten". Das umstrittene V-Leute-System soll gestärkt werden. Bund und Länder werden auch weiterhin politischen Extremismus subventionieren, indem sie Informanten für deren Spitzeldienste bezahlen.
Diese Praxis war nach Auffliegen des NSU-Komplexes ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Denn Neonazi-Informanten in Sachsen, Thüringen und Brandenburg benutzten die geflossenen Steuergelder offenbar, um militante Netzwerke zu knüpfen. Staatliche Stellen förderten auf diese Weise just die Strukturen, aus denen das Terrornetzwerk NSU entsprang. Auf die Spur kamen die Geheimdienste den abgetauchten Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe trotz V-Leute nicht. Dafür standen sie allerdings des öfteren sich selbst und den Strafverfolgungsbehörden im Weg.
Zwar möchte man jetzt die Führung von V-Leuten enger gestalten, dennoch bleibt eben jenes Risiko auch weiterhin bestehen. Also werden Extremisten wohl auch weiterhin üppig durch die Nachrichtendienste finanziert, während manche Demokratiefördervereine und Aussteigerprogramme leer ausgehen werden. Oder ihnen werden zuerkannte Mittel wieder aberkannt, weil sie die umstrittene “Extremismusklausel” nicht unterzeichnen möchten – und deswegen unter Extremismusverdacht geraten.
Dass die Justiz nach Willen der Minister in Zukunft obendrein bei der Verfolgung von bezahlten, und schon hierdurch fragwürdigen, Quellen ein Auge zudrücken soll, mutet ein bisschen wie verkehrte Welt an. Begründung: Beim Einsatz von V-Leuten in terroristischen Vereinigungen sei die Begehung von Straftaten kaum zu vermeiden. Bleibt die Frage, warum die Innenminister bekannten Terroristen finanziell unter die Arme greifen möchten, anstatt sie einfach festzunehmen und von der Justiz aburteilen zu lassen? Gegen ihre Gesinnungsgenossen könnte dieser Personenkreis meist auch unter Anwendung der Kronzeugenregelung des Strafgesetzbuchs aussagen.
Man könnte jetzt meinen, die Nachrichtendienste hätten ihre Existenzberechtigung verwirkt. Die Innenminister sehen dies freilich etwas differenzierter. Die Kommission kritisierte die Defizite bei der Zusammenarbeit von Geheimdiensten, Polizei und Justiz. Dabei ist das Trennungsgebot zwischen Überwachung und Strafverfolgung in den negativen Erfahrungen zu Zeiten von Nationalsozialismus und DDR begründet. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) beklagte, dass die Behörden aneinander vorbei gearbeitet hätten. “Das dürfe sich nicht wiederholen.”
Genau dafür ist Markus Ulbig (CDU) immer zu haben. Kaum war der Konferenzbericht in der Welt, folgten von Sachsens Innenminister zustimmende Worte. “Die Ermittlungen gegen gefährlichen Extremisten müssen über Behörden und Ländergrenzen hinaus Hand in Hand gehen”, so Ulbig. “Wir haben viel aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Die Arbeit mit menschlichen Quellen soll verbessert und mit bundesweit einheitlichen Standards versehen werden.”
Selbstredend, dass die wehrhafte Demokratie einen funktionierenden Verfassungsschutz benötigt. Dass die Landesämter für Verfassungsschutz dafür die geeigneten Ansprechpartner sind, erscheint aus heutiger Perspektive allerdings höchst fragwürdig. Denn von Selbstkritik fehlt, mal wieder, weit und breit jede Spur. Ganz zu schweigen von nachhaltigen Veränderungen.
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