Lothar König ist Jugendpfarrer in Jena, Kettenraucher und momentan auch Angeklagter vor dem Amtsgericht (im Landgericht verhandelt) in Dresden. Seit dem 4. April läuft gegen ihn ein umstrittener Prozess wegen schwerem Landfriedensbruch, Strafvereitelung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Delikte soll er im Zuge der Anti-Nazi-Demo am 19. Februar 2011 in Dresden begangen haben. Gegenüber den Redakteuren der Leipziger Hochschulzeitung student! Julia Thier und Robert Briest schildert König seine ersten Prozesseindrücke und berichtet von dem Vorwurf der sächsischen Justiz, er sei Chef einer Antifa-Sportgruppe.

Bisher gab es einen Verhandlungstag gegen Sie: Welchen Eindruck hatten Sie vom Prozessauftakt?

Unsere Verteidigungsstrategie ist aufgegangen. Mein Verteidiger hat Deutungshoheit erlangt und hat die Anklage, ehe sie verlesen werden konnte, sehr eindeutig in Frage gestellt. Normalerweise obliegt es der Staatsanwaltschaft die Delikte nachzuweisen, konkret mit Ort und Zeit und Person, die es gemacht hat. Das ist hier jedoch völlig anders: Sie sagen ja nicht, dass ich einen Polizisten verdroschen hätte oder einen Stein geworfen. Sondern der Vorwurf ist, dass wir indirekt Menschen unterstützt haben, die Polizei anzugreifen, weil wir die Lautsprecheranlage zur Verfügung gestellt haben.

Es gibt auch einige konkrete Vorwürfe: Sie sollen aufgerufen haben: “Deckt die Bullen mit Steinen ein.”

Da haben wir jedoch durchgehendes Videomaterial von unserem eigenen Kameramann, aus dem ersichtlich wird, dass keine solche Durchsage erfolgte. Ein weiterer Vorwurf war ja, dass auf dem Bus eine Person mit Flaggen gestanden und damit die Menge gegen die Polizisten dirigiert hätte. Das ist ein richtig großer Hirnschiss, den hat es einfach nicht gegeben. Was mich da so ein Stück empört, sogar verletzt: Kann ein Polizist denn alles behaupten und es wird alles von der Staatsanwaltschaft in die Anklageschrift aufgenommen?
Welchen Prozessausgang erwarten Sie?

Ich hoffe und wünsche, dass am Ende ein Freispruch herauskommt. Ich gehe allerdings, um realistisch zu bleiben, von einer Verurteilung aus. Sollte es dazu kommen, wird die Verteidigung hundertprozentig Antrag auf Berufung einlegen oder auf Revision, wenn ein Verfahrensfehler vorliegt.

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Im Falle einer Verurteilung droht Ihnen eine Gefängnisstrafe. Beschäftigen Sie sich mit dieser Möglichkeit?

Wir waren am Anfang recht optimistisch, dass diese ganze irrsinnige Anklage, als solche zusammenbricht und der Richter nur einen Freispruch verkünden kann oder die Verhandlung erst gar nicht eröffnet. Aber nach dem krassen Urteil von 22 Monaten Haft ohne Bewährung gegen den Tim (H.; unter anderem wegen schweren Landfriedensbruch, wurde von unabhängigen Prozessbeobachtern scharf kritisiert, Anm. d. Red.) im Januar, muss auch ich damit rechnen, dass ich verurteilt werde, weil gegen mich noch härtere Vorwürfe erhoben werden. Wenn es ein schwerer Landfriedensbruch ist, wenn man mit Lautsprecherwagen auf eine Demonstration fährt, dann müssen sie mich eben verurteilen und dann muss ich notfalls in den Knast. Dann haben wir aber hier in Deutschland ein wahnsinniges Problem, wie denn zukünftig noch demonstriert werden kann, wenn jede Aktivität als schwerer Landfriedensbruch ausgelegt werden kann.

Im August 2011 erschien im Spiegel ein Artikel, indem Sie den Polizeieinsatz bei der Demo im Februar in Dresden kritisierten. Kurze Zeit später wurde ihr Haus von der sächsischen Polizei durchsucht. Sehen Sie da einen Zusammenhang?

Am 7. Februar 2011 hat ein Richter unterschrieben, dass gegen mich wegen Paragraf 129, “Bildung einer kriminellen Vereinigung”, ermittelt werden darf. Der Vorwurf lautete, dass diese Vereinigung unter meiner Führung einen Anschlag auf die Gedenkveranstaltung auf dem Heidefriedhof plant. Begründet wurde das damit, dass meine Tochter Katharina (Linke-Landtagsabgeordnete in Thüringen, Anm. d. Red.) zwei Mal nach Dresden auf den Friedhof gefahren ist, um eine Gedenkveranstaltung zu organisieren. Sie haben sich das Auto angeschaut, das sie benutzt hat, und ich war der Fahrzeughalter. Es hieß dann, ich sei der Chef einer kriminellen Vereinigung, die als Antifa-Sportgruppe getarnt in drei Jahren drei Mal Gebäude beschädigt und Personen verletzt hatte.

Ich habe die Ermittlungen und Telefonüberwachung erst im Sommer zufällig mitbekommen. Das hat der Spiegel genutzt, um zu zeigen, was für abstruse Behauptungen von Justiz und Politik in Sachsen gegen missliebige Personen aufgestellt werden. Zehn Tage nach Erscheinen des Artikels war dann die Razzia. Sie kam mir vor wie ein billiger Racheakt. Dabei haben sie auch den Bus der Gemeinde, der der Kirche gehört, aber auf meinen Namen gemeldet ist, als Tatwerkzeug mitgenommen. Mit dem hatten wir ja Dresden in Schutt und Asche gelegt.

Das vollständige Interview mit weiteren Fragen zu Königs ungewöhnlichem Weg zur Kirche und den Gründen des Entstehens des National Sozialistischen Untergrunds (NSU) in Jena finden Sie auf
www.student-leipzig.de | Das lange Interview mit Lothar König.

Und ab Montag in der neuen student!-Ausgabe.

Weitere Themen der Ausgabe:
– Die Hintergründe der gescheiterten Uni-Kanzlerwahl
– Mensen: Das Studentenwerk in finanzieller Schieflage
– Lateinamerikaforscher im Interview: Venezuela nach Chávez
– Die große Horrorfilm-Sonderseite

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