Da können fünf in einer Anhörung sitzen - und hören doch nicht dasselbe. Aber das muss nicht daran liegen, dass die einen wegfiltern, was die anderen heraushören. Manchmal wollen die einen bloß so schnell fertig werden, dass ja keiner merkt, um welche Entscheidungen es ging. Am Donnerstag, 28. Februar, war der "Landesentwicklungsplan 2012" wieder Gegenstand einer Anhörung im Innenausschuss des Sächsischen Landtages.
Eigentlich schon der 2. Entwurf. Doch wirklich Grundlegendes wurde nicht geändert. FDP und CDU wollen das Paket gern so schnell wie möglich beschlossen kriegen. Mit den Dingen die drin stehen. Und der Streit entzündet sich natürlich an einer wesentlichen Zukunftsfrage, nämlich der: Wie sieht die künftige Energiebasis Sachsens aus?
Da hätte man doch Zahlen und Fakten, Gigawatt-Mengen und Tonnagen erwartet, “Leitplanken” für die erneuerbaren Energien und belastbare Finanzierungsgrundlagen für die von Schwarz/Gelb favorisierte Braunkohleverstromung.
Aber nichts davon wurde niedergeschrieben. Man hätte drüber diskutieren und nachjustieren können. Aber CDU und FDP wollen das nicht wirklich. Und hören auch aus den Statements der Experten nur heraus, was ihnen ein flottes Ende der Diskussionen verheißt.
Oliver Fritzsche, landesentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion: “Die Anhörung machte deutlich, dass die Sachverständigen in der Bewertung des vorliegenden Entwurfs des Landesentwicklungsplans ein positives Gesamtfazit zogen. Gelobt wurde insbesondere die Fortentwicklung und Qualifizierung sowie die hohe Qualität der Planung. Die Experten bestätigten, dass es sich um ein zeitgemäßes Konzept handelt, das aktuelle Entwicklungen aufnimmt, auf diese reagiert und somit auf eine nachhaltige Raumentwicklung im Landesentwicklungsplan 2012 – zeitgemäßes Konzept für eine nachhaltige Raumentwicklung in Sachsen Freistaat Sachsen abzielt.”
Aber auch er merkte, dass es an einer Stelle knirscht im Gebälk: “Eine kontroverse Diskussion gab es jedoch beim Thema Windenergie. Konsens ist, dass über das Energie- und Klimaprogramm das Ausbauziel Wind, welches zum regionalen Mindestenergieertrag führt, durch die Staatsregierung so schnell als möglich beschlossen werden muss.”
War das wirklich Konsens? – Die Opposition jedenfalls äußert sich nach der Anhörung durchweg frustriert.
Die Linke: Qualifizierte Zielvorgaben fehlen
“Auch der 2. Entwurf des Landesentwicklungsplans weist erhebliche Defizite im Sinne einer strategischen Energiepolitik und für hinreichend konkrete Planvorgaben an die unteren Ebenen auf”, stellt Enrico Stange, Sprecher für Landesentwicklung und Infrastruktur der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, fest. “Planungsgrundlage für die regionalen Planungsverbände in Sachen Erneuerbare Energien ist laut Landesentwicklungsplanentwurf das Energie- und Klimaprogramm der Staatsregierung. Dieses liegt seit Oktober 2011 nur als Entwurf vor. FDP und CDU können sich nicht auf gemeinsame Ziele einigen. Wegen der Blockadehaltung der FDP werden somit den Planungsverbänden absehbar die Hände bei der Flächenausweisung bspw. für Windräder gebunden.”
Das sieht nicht nach der Möglichkeit eines “schnellstmöglichen Beschlusses” aus. Da sind die simpelsten Hausaufgaben noch nicht erledigt.
Stange: “Wie Sachverständige bestätigten, wiegt jedoch der Ziel-Totalausfall bei der Braunkohleplanung auf Landesebene noch schwerer. Die Planungsverbände sollen laut Gesetz auf Grundlage der Zielvorgaben der Staatsregierung Braunkohle-Tagebaue ausweisen. Quantifizierte Ziele hierzu finden sich allerdings nicht einmal im Entwurf des Energieprogramms. Nach der Darstellung der Sachverständigen Dr. Jana Bovet vom Umweltforschungszentrum Leipzig muss das hoffentlich bald zu erwartende neue Energie- und Klimaprogramm dringend klare Aussagen zur Entwicklung aller Energiequellen in Sachsen treffen. Dabei ist unbedingt die Energiewende auf Bundesebene einzubeziehen. Sächsische Sonderwege führen in die Sackgasse.”
Derzeit fänden sich dazu im Energieprogrammentwurf aber keine belastbaren Aussagen – bei der Braunkohle sei die Rede von “großer Bedeutung” (Seite 2), “prägendes Kennzeichen der sächsischen Wirtschaftsstruktur” (S. 13), “sichereren und wirtschaftlichen Energieversorgung” (S. 26).
“Allein – es fehlt jede Zahl! Damit bleibt ungewiss, wie lang die ‘Braunkohlebrücke’ reichen soll. Das kann keine verwertbare Grundlage für die Braunkohleplan aufstellenden Planungsverbände sein”, stöhnt Stange. “Es bleibt trotz vieler Übernahmen und Ergänzungen anhand der ersten öffentlichen Anhörung und Beteiligung zum LEP ein nüchternes Fazit: Die Planung für Windenergie ist ziellos – bei Braunkohle ist sie gar unmöglich! Auch der 2. Entwurf des Landesentwicklungsplans weist erhebliche Defizite im Sinne einer strategischen Energiepolitik und für hinreichend konkrete Planvorgaben an die unteren Ebenen auf. Die Staatsregierung sollte im Zuge nochmaliger Überarbeitung diese Hinweise für die finale Fassung ausdrücklich beachten!
SPD: Energiepolitik bleibt das ungeliebte Stiefkind der Koalition
Petra Köpping, stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin für Wohnungsbau und Stadtentwicklung der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und Thomas Jurk, Sprecher für Energiepolitik der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, erklären zur heutigen Anhörung des Landesentwicklungsplans im Innenausschuss und zur Fachtagung Energiewende in Dresden:
“Mittlerweile diskutieren wir seit mehr als einem Jahr über die Fortschreibung des Landesentwicklungsplans. Nun hat die Staatsregierung einen überarbeiteten Entwurf vorgelegt, der heute Thema der Sitzung des Innenausschusses war. Vor allem im Bereich der Energieversorgung und dem Ausbau von Erneuerbaren Energien in Sachsen wurde der Entwurf seitens der Sachverständigen als völlig unzureichend bewertet und eine Komplettüberarbeitung angemahnt”, konterkariert auch Petra Köpping, Sprecherin für Wohnungsbau und Stadtentwicklung der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, die Aussagen von Fritzsche.
“Anstatt es den regionalen Planungsverbänden und den Kommunen zu erleichtern, in den Ausbau Erneuerbarer Energien zu investieren, werden ihnen weiterhin Steine in den Weg gelegt. Der von uns geforderte größere Spielraum für Gemeinden bei der Ausweisung von Flächen zur Windenergieerzeugung wurde zum Beispiel überhaupt nicht berücksichtigt”, kritisiert Köpping. “Genauso wenig werden im Landesentwicklungsplan an die Klimaschutz- und Umweltziele der Bundesregierung gedacht. Hier besteht noch dringend Verbesserungsbedarf. Der Landesentwicklungsplan muss ein weiteres Mal überarbeitet werden, bevor er endgültig verabschiedet werden kann. Auch wenn es dann noch länger dauern sollte, bis der Plan in Kraft tritt: Gründlichkeit geht in diesem Fall vor Schnelligkeit.”
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Als wäre Sachsen eine Insel, die sich von den Bundesentwicklungen einfach per Beschluss abkoppeln kann.
Thomas Jurk, Sprecher für Energiepolitik der SPD-Fraktion: “Während die Sachverständigen die Energiepolitik der Staatsregierung scharf kritisieren, zündet Wirtschaftsminister Morlok eine Nebelkerze nach der anderen. Er behauptet, dass Sachsen bisher die konkretesten Vorschläge gemacht habe, wie die Energiewende gestaltet werden kann. Das Gegenteil ist aber der Fall! Denn seit mehr als anderthalb Jahren warten wir auf die Verabschiedung des Klima- und Energieprogramms der Staatsregierung. Geschehen ist seitdem nichts und so wissen weder Unternehmer noch Stromkunden, wohin die Reise gehen soll. Gleiches gilt für die sächsischen Bundesratsinitiativen, die großspurig angekündigt wurden, nur um dann in Berlin eine sagenhafte Bruchlandung hinzulegen.”
Und nicht nur SPD und Linke vermissen das Energieprogramm.
Grüne: Energieversorgung entspricht nicht den Anforderungen der deutschen Energiewende
Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen benannte Sachverständige Hans-Jürgen Schlegel (VEE-Sachsen) hat den Punkt 5.1 des LEP ‘Energieversorgung’ begutachtet und für die mit den Zielen der deutschen Energiewende verbundenen Anforderungen als “völlig unzureichend” bewertet. Besonders kritisch ist aus seiner Sicht die Entkopplung von Energiepolitik und Klimaschutz.
“Im Landesentwicklungsplan werden zwar Aussagen zum Klimawandel sowie zu Klimafolgen, die besonders Sachsen betreffen sollen, formuliert. Aber leider werden daraus bis auf Worthülsen keine entscheidenden Klimaschutzmaßnahmen abgeleitet”, so Schlegel. Das Fehlen von konkreten Ausbauziele für erneuerbare Energien werde aus seiner Sicht zu massiven Problemen in den Regionen des Freistaates führen. “Die im jetzigen Entwurf formulierten Unkonkretheiten zu den Erneuerbaren stellen die Regionalen Planungsverbände vor größte Schwierigkeiten, die dann wieder in der Behinderung bei der Genehmigung von Anlagen zur Realität werden.”
Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, kommt zu dem Schluss: “Unisono haben die Sachverständigen das Fehlen eines Klima- und Energiekonzepts der Regierung kritisiert. Die Staatsregierung hat weder zum Netzausbau, der Speicherfrage noch zum Klimaschutz ernsthaft gearbeitet. In der Schule würde man sagen: die wichtigsten Fragen wurden nicht beantwortet – nachsitzen!”
Energiepolitik ohne ein tragfähiges Konzept? Das klingt tatsächlich nach unerledigten Hausaufgaben.
Vortrag von Hans-Jürgen Schlegel zur Anhörung LEP: www.gruene-fraktion-sachsen.de/a62b6d55.l
Der Energieprogrammentwurf der Sächsischen Staatsregierung: www.smwa.sachsen.de/set/431/EuK_Kabinett.pdf
Das Skript zur Anhörung Landesentwicklungsplan 2012 als PDF zum download.
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