Die Vorsitzenden der Landtagsfraktionen von CDU, Linken, SPD, FDP und Grünen haben sich am Freitag, 1. Februar, auf etwas geeinigt, was vielleicht mal zum Vorbild werden wird - oder in die Hose geht. Sie haben sich auf eine Verankerung eines grundsätzlichen Neuverschuldungsverbots in der Landesverfassung geeinigt und eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet.
Um eine Verfassungsänderung möglich zu machen, braucht man im Landtag eine Zweidrittel-Mehrheit. Die bekommt auch die CDU/FDP-Koalition, die seit einigen Jahren die so genannte “Schuldenbremse” zum politischen Ziel erklärt hat, nur, wenn die Oppositionsparteien mitspielen. Zumindest die demokratischen: SPD, Linke, Grüne. Die haben sich auf die Verhandlungen zu dieser Verfassungsänderung unter der Bedingung eingelassen, dass das Schuldenverbot mit einer sozialen Note abgefedert wird. Zu offensichtlich ist ja derzeit, wohin eine rigide Sparpolitik in Sachsen führt, wenn es selbst für die Kommunen keinen adäquaten Finanzausgleich gibt.
Und so wurden in den Verhandlungen der fünf Fraktionen auch Ausnahmen im Fall von Naturkatastrophen und vergleichbaren außergewöhnlichen Notsituationen sowie übermäßigen Konjunktureinbrüchen festgeschrieben. Die Ausnahmen müssen jedoch zuvor vom Parlament bestätigt werden.
Der Generationenfonds für die künftigen Pensionslasten des Freistaats, den der Finanzminister jetzt schon kräftig füttert, steht auch drin. Er soll nach Absicht der Abgeordneten auch künftig getrennt vom Haushalt geführt und nur für die beabsichtigten Versorgungszwecke genutzt werden. Ob’s wirklich funktioniert, kann nur die Praxis zeigen. Deswegen stellen wir hier die Stimmen aus den Fraktionen einfach unkommentiert her.
Steffen Flath, Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion: Es geht auch ohne Neuverschuldung
“Ich bin sehr erleichtert und mit dem Ergebnis zufrieden. Mein Ziel war es, die solide Finanzpolitik für die Zukunft in der Sächsischen Verfassung festzuschreiben. Das ist mir heute gelungen.
Der 1. Februar 2013 ist ein Meilenstein für Sachsen und für die Demokratie und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen verpflichten wir uns nun per Verfassung zu einer soliden Haushaltsführung und sorgen damit für Generationsgerechtigkeit. Zudem zeigt das Ergebnis, dass wir in Sachsen eine reife Demokratie haben. Schließlich ist es uns gelungen, über Koalitions- und Parteigrenzen hinweg einen Konsens zu finden. Alle dürfen sich heute als Sieger fühlen. Die eigentlichen Gewinner sind allerdings die Menschen in Sachsen, insbesondere die nachfolgenden Generationen, die einmal politische Entscheidungen in Freiheit ohne finanzielle Zwangsjacke treffen können. Dass es funktioniert, zeigt Sachsen schon seit sieben Jahren, zunächst mit der SPD und heute mit der FDP haben wir bewiesen, dass es ohne Neuverschuldung geht. Selbst gravierende Konjunktureinbrüche wie vor drei Jahren, haben wir ohne neue Schulden gemeistert.
Aber noch eines ist wichtig: Nach über zwanzig Jahren ändern wir erstmals die Sächsische Verfassung. Was auch ein Beweis dafür ist, welch hervorragendes und fundiertes Werk Sachsens Politiker 1992 beschlossen haben.
Ich danke ausdrücklich allen Beteiligten, die sich in den vergangenen Wochen und Monaten in die nicht immer ganz einfachen Verhandlungen eingebracht haben. Insbesondere danke ich dem finanzpolitischen Sprecher Jens Michel und dem Vorsitzenden des Arbeitskreises “Verfassung, Recht und Europa” Marko Schiemann aus meiner Fraktion, die mit Kompetenz und Ausdauer die vielen Gespräche geführt haben. Beide sind damit ganz wesentlich an diesem Erfolg beteiligt.”
Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag: Ein Herzenswunsch ging in Erfüllung
“Nach langen Verhandlungen haben wir heute eine Einigung erzielt. Noch in dieser Legislaturperiode werden wir ein Neuverschuldungsverbot in der Verfassung verankern. Ich freue mich und bin sehr zufrieden, dass sich die fünf Fraktionen über eine Schuldenbremse in der Verfassung und deren konkrete Ausgestaltung einigen konnten.
Die FDP hat ihre Verhandlungsziele vollständig erreicht: Die Schuldenbremse wird ebenso in der Verfassung verankert wie der Generationenfonds für künftige Pensionslasten, und es gibt keine sachfremden Verfassungsänderungen als politischen Kuhhandel. Notwendige Abweichungen vom grundsätzlichen Neuverschuldungsverbot sind mit hohen parlamentarischen Hürden versehen.
Wir konnten in den Verhandlungen zudem weitere gute Vorschläge aus den Oppositionsfraktionen aufnehmen, etwa den finanziellen Ausgleich bei Mehrbelastung von Kommunen oder die Verankerung des sozialen Ausgleichs bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes.
Mit dem heutigen Tage geht für die FDP nun ein finanzpolitischer Herzenswunsch in Erfüllung. Bereits seit 2007 kämpfen wir für ein Neuverschuldungsverbot. Damals fand unser Entwurf eines ‘Gesetzes zur Einführung eines Neuverschuldungsverbots’ (Drucksache 4/8110) noch keine Mehrheit. Und lange Zeit erschien es noch im Laufe der Verhandlungen unsicher, ob ein Kompromiss zustandekommen würde.
Umso mehr freut es mich, dass es nun zu einem gemeinsamen Konsens aller demokratischen Oppositionsfraktionen gekommen ist. Nicht nur der Inhalt, auch das Zustandekommen der Verfassungsänderung ist deutschlandweit einmalig. Ich danke allen Verhandlungspartnern für die Zusammenarbeit. Mein persönlicher Dank gilt besonders auch meinen Fraktionskollegen Andreas Schmalfuß und Carsten Biesok, die für unsere Fraktion maßgeblich verhandelt haben.”Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion Die Linke: Sozialer Ausgleich wurde berücksichtigt
“Wir haben den Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung durchgesetzt, dass die deutschlandweit geltende Schuldenbremse in Sachsen nicht auf Kosten sozialer Belange umgesetzt werden darf. Bei der Aufstellung des Landeshaushaltes ist zukünftig neben Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der ‘soziale Ausgleich’ als gleichrangiges Verfassungsgut zu berücksichtigen. Das ist in Deutschland bisher einmalig.
Zugleich wird den Kommunen ein verbindlicher finanzieller Ausgleich bei Mehrbelastung durch Übertragung von Aufgaben an die kommunale Ebene garantiert. Damit stärken wir die kommunale Selbstverwaltung in ihrem Kern. Diese Forderung hatten wir von Anfang an zusammen mit der SPD vertreten.
Natürlich hätten wir uns eine weitergehende Verfassungsreform gewünscht, für die es aber im Landtag derzeit nicht mal eine einfache Mehrheit gibt. Hier haben die Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, sich bei den Landtagswahlen 2014 für die Parteien zu entscheiden, die ein Mehr an direkter Demokratie u. a. durch Erleichterung von Volksbegehren und Volksentscheiden wollen.
Insgesamt handelt es sich um ein Verhandlungsergebnis mit klarer linker Handschrift. Das Schuldenverbot ist reine Symbolik, da Sachsen seit 2006 keine neuen Schulden aufgenommen hat und wir seit 2000 mit unseren alternativen Haushaltsansätzen keine zusätzliche Neuverschuldung gefordert haben.
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Ich habe das Ergebnis für meine Fraktion zur Kenntnis genommen und werde in der Fraktion und auf dem “Kleinen Parteitag” am 19. bzw. 23. Februar um Zustimmung zu diesem Vorschlag der Verfassungsänderung werben.”
Antje Hermenau, Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen: Leider keine Verhandlungen jenseits der Finanzverfassung
“Es war uns Grünen sehr wichtig, weitere Achterbahnfahrten wie beim Doppelhaushalt 2011/2012 in der sächsischen Landespolitik möglichst auszuschließen. Wir wollen künftige Steuereinbrüche abfedern. Das ist uns mit der Einführung des Konjunkturmechanismus gelungen. Mit dieser ‘atmenden Schuldenbremse’ ist ein absolutes Neuverschuldungsverbot in Sachsen abgewendet. Damit wird es in Zukunft in Krisenzeiten in Sachsen sozialer und zivilisierter zugehen. Von dem wesentlichen Ziel, keine strukturelle Neuverschuldung mehr zuzulassen, wird trotzdem nicht abgewichen. Aber der Staat bleibt auch in Krisensituationen voll handlungsfähig. Auch die Erfüllung der Pflichtaufgaben der Kommunen wird nicht beeinträchtigt, sondern stabilisiert.”
Von der SPD-Fraktion liegt noch kein Statement vor.
Die ausgehandelten Änderungen als PDF zum download.
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