Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat am Montag die "Nationalen Sozialisten Döbeln" verboten. Am Morgen durchkämmten Einsatzkräfte des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) die Wohnungen von sechs führenden Mitgliedern. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt: Zwei Luftdruckwaffen, eine Softairwaffe, Plakate und Aufkleber zur sogenannten Volkstodbewegung "Die Unsterblichen", Bilder und Fahnen mit NS-Symbolik, drei Bilder von Adolf Hitler, T-Shirts und entsprechende Drucktechnik mit der Aufschrift "Division Döbeln", Bankunterlagen, 30 Schulhof-CDs, sowie verschiedene Datenträger.

Die “Nationalen Sozialisten Döbeln” richteten sich nach Angaben des Innenministeriums gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Die Neonazis verwendeten nationalsozialistische Begriffe und Symbole und zeigten damit eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus. Sie verfolgten nationalsozialistische Traditionen und bekennen sich zur NSDAP und zu ihren führenden Funktionären. Mit der Beteiligung an den Aufmärschen der sogenannten Volkstodbewegung hätten sie Demokraten und die demokratische Staatsform verächtlich gemacht. Die Kameraden hätten zudem eine mit dem Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes unvereinbare Rassenlehre propagiert und eine entsprechende Überwindung der verfassungsmäßigen Ordnung in kämpferisch-aktiver Weise angestrebt.

Schon im Verfassungsschutzbericht 2010 tauchten die “Nationalen Sozialisten Döbeln” als Beispiel für die sogenannten “Freien Kräfte” auf. Hierbei handelt es sich um Neonazis, die scheinbar organisationsunabhängig agieren. Sie vermeiden feste Strukturen, sind lokal verortet und aktiv, verfügen aber über eine netzwerkartige Verknüpfung regionaler und auch überregionaler Natur zu vergleichbaren Gruppen. Das sächsische Musterbeispiel für diese Aktionsform war von 2007 bis 2012 das “Freie Netz”, dessen Strukturen inzwischen teils in der NPD aufgegangen sind.

Vom Verbot erfasst ist die Rechtsrock-Band “Inkubation”, deren Mitglieder teilweise den “Nationalen Sozialisten Döbeln” angehören sollen. Die Verehrung von Rudolf Hess, dem früheren Stellvertreter Hitlers, ist in der Propaganda der Vereinigung seit Jahren eine feste Größe. So gedachte man Hess in einer Twittermeldungen am 17. August – seinem Todestag – mit den Worten: “Rudolf Hess – Unvergessen in unseren Herzen!”Im September 2012 kam es im Raum Döbeln zu einer Rudolf-Hess-Plakataktion. Auf dem Plakat bekannten sich die “Nationalen Sozialisten Döbeln” mit ihrem Signum “Pinselstriche” zu der Aktion. Darüber hinaus ist ein Bild von der Aktion unter Pinselstriche.org seit September 2012 auf Twitter veröffentlicht.
Hieran fügt sich nahtlos das klare Bekenntnis zu Horst Wessel an. Horst Wessel war Sturmführer in der Sturmabteilung (SA) der NSDAP. Bekannt wurde er vor allem durch das “Horst-Wessel-Lied”, das zur offiziellen Parteihymne der NSDAP avancierte. Horst Wessel wurde am 14. Januar 1930 von einem Kommunisten erschossen. Ein Ereignis, das die NSDAP propagandistisch ausschlachtete, um Wessel in den Folgejahren auf vielfältige Art und Weise zum “Märtyrer der Bewegung” zu erheben. Die Vereinigung Nationale Sozialisten Döbeln hat diesen Mythos aufgegriffen und in der Nacht vom 22. zum 23. Februar 2009 großflächig in ganz Döbeln das Porträt durch Plakat- und Sprühaktionen abgebildet.

Am 26. Mai 2012 beteiligte sich die Kameradschaft an der “Unsterblichen”-Kampagne. Rund 40 Personen mit weißen Masken vermummt und schwarz gekleidet formierten sich auf dem Marktplatz. Das LKA Sachsen hat das Ermittlungsverfahren am 1. November 2012 an die Staatsanwaltschaft Chemnitz übergeben.

“Die Mitglieder der Vereinigung ‘Nationale Sozialisten Döbeln’ stellen sich in die Nachfolge des nationalsozialistischen Terrorregimes”, erklärte Innenminister Markus Ulbig am Montag. “Wir lassen es nicht zu, dass Neonazis versuchen in unserer Heimat ein Klima der Angst zu verbreiten. Darauf reagieren wir mit aller Konsequenz und mit allen Mitteln des Rechtsstaates. Menschenfeindlichkeit darf bei uns in Sachsen keinen Platz haben. Alle Versuche rechtsextremistischer Gruppierungen, ihre Organisation, ihre Struktur und ihr konspiratives Handeln zu verschleiern, werden mit dem Vereinsverbot entschlossen bekämpft.”

“Es ist erfreulich, dass das Operative Abwehrzentrum (OAZ) trotz der noch bestehenden organisatorischen Mängel und personellen Unterbesetzung schon jetzt deutlich aktiver und wirksamer zu arbeiten scheint, als in den vergangenen Jahren die Soko Rex unter Leitung des LKA”, kommentierte die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz (Die Linke) das Verbot. Allerdings sei zu hinterfragen, ob das heutige Verbot der “Nationalen Sozialisten Döbeln” ein so großer Erfolg ist, wie es Innenminister Ulbig suggeriere.

Die “Nationalen Sozialisten Döbeln” seien eine zahlenmäßig nicht sehr bedeutende Gruppe, die ohnehin bereits im Zerfall begriffen war. “Droht durch das heutige Verbot nicht die Gefahr, dass die verbliebenen Neonazis der NSD in der Szene eine Märtyrerrolle bekommen und sich die ohnehin beträchtlichen Radikalisierungsprozesse in diesem Spektrum verstärken?”, fragt Köditz. “Die Gründe, die Innenminister Ulbig für das Verbot angibt, treffen so oder ähnlich und in teils stärkerem Maße auf andere Neonazi-Strukturen in Sachsen zu, die jedoch weiterhin unbehelligt bleiben.”

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