Verlieren die Fraktionen von CDU und FDP völlig den Bezug zur Realität?, fragt sich Eva Jähnigen, innenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag. In der Sitzung des Innenausschusses am Donnerstag, 22. November, haben CDU- und FDP-Fraktion die Änderungsanträge der Grünen zum Haushaltsplan 2013/2014, die eine Erhöhung des Einstellungskorridors bei der Polizei und bei den Polizeianwärtern um jeweils 100 Stellen vorsehen, abgelehnt.

Noch im Sommer hatte auch die Polizeigewerkschaft darauf gehofft, mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 würden CDU und FDP wieder zur Realität zurückkehren und den durch nichts begründeten Sparkurs auf Kosten der Polizeibeamten beenden. Aber selbst der Grünen-Antrag kann die Kürzungsorgie nicht beenden.

Doch zu den “Kann weg”-Vermerken, die bisher schon feststanden, stehen im Doppelhaushalt weitere KW-Vermerke, so das sich die geplanten Streichungen bis 2020 auf über 1.200 Stellen im Polizeidienst summieren. Die Stellen werden einfach nicht wieder besetzt – was dann das Szenario ergibt, das Innenminister Markus Ulbig in seiner “Polizeireform 2020” vorgezeichnet hat – mit Schließungen etlicher Dienststellen und Polizeistationen. Selbst kleinere Städte standen dabei zur Disposition, von stationären Polizeikräften gänzlich entblößt zu werden. Aber auch hinter der geplanten Verschmelzung der Polizeidirektionen Leipzig und Westsachsen stecken weitere “Einsparungen” von Stellen.

Über 4.200 Polizisten gehen bis 2020 allein aus Altersgründen in Ruhestand. Da weitere 600 wohl auch durch Umzug oder Berufswechsel verloren gehen, müsste Sachsen allein 3.600 Polizisten einstellen, um auch nur den mit den Stellenstreichungen geplanten Bedarf zu decken. Doch nicht einmal dafür reichen die von Finanzminister Georg Unland geplanten 300 Neueinstellungen pro Jahr. Die Grünen hatten 400 beantragt.
“Verlieren die Fraktionen von CDU und FDP völlig den Bezug zur Realität?”, fragt sich Eva Jähnigen nach der Ablehnung des Antrags im Innenausschuss. “Wie sie angesichts zu langer Eingreifzeiten und zunehmender Probleme bei der Verkehrssicherheit den Stellenabbau bei der Polizei unverändert betreiben können, ist mir unbegreiflich.”

Und sie verweist auf das aktuellste Beispiel, das sichtbar macht, wie hilflos die Polizei mittlerweile da steht und wie dünn ihre Personaldecke längst ist, um auch nur die grundlegende Ordnung und Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten. “Die Polizei selbst hat sich angeblich bei dem Vorfall in Hoyerswerda aus personellen Gründen nicht in der Lage gesehen, durch Neonazis gefährdete Personen zu schützen. So inakzeptabel das Vorgehen der Polizei in dieser Situation ist, so nachdenklich macht die Begründung der Polizei”, stellt Jähnigen fest. “Die Situation droht sich durch den bei der Polizei betriebenen Stellenabbau von über 3.000 Stellen bis zum Jahr 2020 weiter zu verschlechtern. Mit der Zustimmung zu den Vorschlägen der Grünen-Fraktion wäre ein weiterer Stellenabbau gestoppt. Nur mit einem Kurswechsel könnten die Versprechen der Staatsregierung für mehr Sicherheit eingelöst werden.”

Aber auch die sächsischen Polizisten haben jetzt die Nase voll von der permanenten Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen. Nachdem jetzt schon Schüler und Lehrer gestreikt haben, die von der sächsischen Sparwut genauso betroffen sind, kündigt die Polizeigewerkschaft für den 27. November in Dresden an.

Die Blauen begründen ihren Aufruf im Grunde genauso wie die Grünen: “Wenn dieser Haushaltsplan Realität wird, wird Sachsen den dringend benötigten qualifizierten Nachwuchs in der Polizei nur schwer gewinnen können. Wenn dieser Haushaltsplan Realität wird, ist eine Verschlechterung der inneren Sicherheit und Qualitätsverlust der polizeilichen Arbeit unvermeidlich. Wenn dieser Haushaltsplan Realität wird, werden sich die Belastungen innerhalb der Polizei in den nächsten Jahren drastisch erhöhen.”

Die Tabelle zu Stellenabbau und Altersabgängen bei der sächsischen Polizei bis 2020:
www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/ua/Tabelle_Altersabgaenge_Polizei.pdf

Der Aufruf der Polizeigewrkschaft zur Kundgebung am 27. November:
www.gdp.de/gdp/gdpsac.nsf/id/8ZYGAM-DE_Kundgebung

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar