Den meisten Leipzigern ist es gar nicht bewusst. Aber ihr eben noch amtierender Polizeipräsident und OBM-Kandidat der CDU, Horst Wawrzynski ist ein Akteur im sächsischen Kapitel des "NSU"-Dramas. Denn als Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe 1998 abtauchten, gingen sie erst einmal nach Chemnitz. Dort hieß der Polizeipräsident damals Horst Wawrzynski.

Und als solcher war er für die dortigen polizeilichen Maßnahmen zuständig, dem abgetauchten Trio auf die Spur zu kommen. Im Thüringer “Schäfer-Protokoll” heißt es dazu: “Am 22.09.2000 ersuchte das TLKA (Zielfahndung) des LKA Sachsen um Unterstützung bei einer erneuten Observation der Wohnung von Struck und Seidel in der Bernhardstraße 11 in Chemnitz in der Zeit vom 29.09. bis 01.10.2000.”

TLKA ist das Thüringer Landeskriminalamt. Das Problem der Thüringer Zielfahnder war: Sie waren völlig unterbesetzt, konnten die Fahndung nach den drei abgetauchten Rechtsextremisten nur sporadisch unterbringen und waren natürlich auf kompetente Zuarbeit anderer Behörden angewiesen. In diesem Fall der Chemnitzer Polizei. Das Mobile Einsatzkommando (MEK) des Polizeipräsidiums Chemnitz richtete auch vom 27. September bis 2. Oktober 2000 eine Videoüberwachung ein. Am 6. Oktober wurden die Videoausschnitte an die Thüringer Zielfahnder übergeben Sie zeigen augenscheinlich keinen Kontakt der drei gesuchten Jenaer Rechtsextremisten zu den Bewohnern der Bernhardstraße 11.
Da gleichzeitig auch der sächsische Verfassungsschutz eine Langzeitbeobachtung des Objektes in Arbeit hatte, gab es laut Protokoll am 25. September eine Einsatzbesprechung im Polizeipräsidium Chemnitz. Das Problem: Die Dokumente, die diese Vorgänge nachzeichnen könnten, sind fast alle vernichtet. Ein Protokoll zur Einsatzbesprechung existiert nicht mehr, die Observationsberichte des MEK wurden im Februar 2006 vernichtet …

Bei soviel Freude an der Vernichtung von Protokollen und Aufzeichnungen in sächsischen Behörden ist es vielleicht gar kein Wunder, dass die Ermittler den Gesuchten nie wirklich auf die Spur kamen. Lediglich 4 Minuten Videoaufzeichnungen vom 29. September 2000 existieren noch. Schon mehrfach wunderten sich Journalisten darüber, dass die Kamera die meiste Zeit automatisch lief und keine Beamten dauerhaft vor Ort waren. Im Oktober 2000 gingen die Thüringer Zielfahnder davon aus, dass es sich bei einer abgelichteten weiblichen Person um Beate Zschäpe gehandelt haben könnte.

Grund genug für den “NSU”-Untersuchungsausschuss, am Freitag, 19. Oktober, den damaligen Chemnitzer Polizeipräsidenten Horst Wawrzynski zur Zeugenvernehmung einzuladen. Aber der jetzige Leipziger Polizeipräsident kurz vor seiner Beurlaubung erinnerte sich an nichts.

“In Sachsen scheinen bezüglich der Ermittlungen gegen das Terrortrio alle leitenden Beamten an Generalamnesie zu leiden. Herr Wawrzynski, im Jahr 2000 Leiter des Polizeipräsidiums Chemnitz, jedenfalls konnte sich heute weder an den Einsatz des unter seiner Aufsicht stehenden Mobilen Einsatzkommandos (MEK) erinnern, noch an eine in seinem Haus am 25.09.2000 stattgefundene Besprechung mit dem Landesamt für Verfassungsschutz”, staunt Miro Jennerjahn, Obmann der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Untersuchungsausschuss. “Während der am Morgen im Ausschuss vernommene Zeuge Merten sehr gut vorbereitet über die Ermittlungen zu den Banküberfällen berichte, war dem Zeugen Wawrzynski ‘nichts erinnerlich’.”

Womit er augenscheinlich die offizielle sächsische “NSU”-Strategie verfolgt: Für die Ermittlungen waren die Thüringer verantwortlich. Sachsen geht das nichts an. Jennerjahn: “Wawrzynski war sichtlich bemüht, die Verantwortung auf Thüringen abzuschieben. Er ist damit treuer Vasall seines Dienstherrn.”

Der Schäfer-Bericht erwähnt die Besprechung in Chemnitz auf Seite 119:
www.gruene-fraktion-sachsen.de/ec22dd6c.l

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