Die nächste Landtagswahl in Sachsen ist 2014. Aber schon jetzt arbeitet die sächsische Staatsregierung augenscheinlich daran, zumindest die stattliche Zahl von Direktmandaten zu erhalten, die sie 2009 gewinnen konnte. 2009 gewann sie 58 von 60 Direktmandaten. Was dann im aktuellen Landtag zu der beachtlichen Zahl von 12 Überhangmandaten führte.

Oder im amtlichen Vokabular: 6 Überhangmandate und 6 Ausgleichmandate. – Die Überhangmandate kamen dadurch zustande, dass die CDU sechs Direktmandate mehr erzielte, als ihr überhaupt nach den erzielten Stimmanteilen von 40 Prozent zugestanden hätten. Da man Direktkandidaten ihr Mandat nach geltendem Wahlrecht nicht wegnehmen kann, müssen die Mandate der anderen Parteien so lange aufgefüllt werden, bis sich im Landtag das Ergebnis der Listenwahl widerspiegelt.

Im Ergebnis bekam Die Linke zwei Ausgleichmandate und die anderen im Landtag vertretenen Parteien (SPD, FDP, Grüne und sogar die NPD) jeweils 1 Ausgleichmandat. Gerade die Grünen hatten mehrfach moniert, dass dieses starre System den Landtag nur unnötig aufblähe. Aus 120 Sitzen wurden unverhofft 132. Doch die Regierungskoalition von CDU und FDP hält weder vom recht mutigen Vorschlag der Grünen, die Zahl der Direktmandate deutlich zu senken, etwas, noch von den recht detaillierten Vorschlägen der Wahlkreiskommission. Sie hat jetzt einen eigenen Vorschlag vorgelegt, in dem sowohl Grüne als auch Linke den Versuch sehen, sich die komfortable Position bei den Direktmandaten zu sichern.

Sachsens Grünen-Vorsitzender Volkmar Zschocke fasst die Kritik zusammen, die die Grünen in ihrer Stellungnahme an die Staatsregierung geäußert haben: “Das Kabinett hat den Vorschlag der Wahlkreiskommission zum Neuzuschnitt der Landtagswahlkreise verschlechtert. Der Versuch, einzelne Wahlkreise vorteilhaft für die Direktkandidaten CDU zuzuschneiden, ist plump und mehr als peinlich. Wir fordern die Staatsregierung auf, ihre Änderungen zurückzunehmen.”

Die Änderungen der Staatsregierung würden die Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur in den drei Großstädten Dresden, Chemnitz und Leipzig konterkarieren. So soll das zusammenhängende Ortsamtsgebiet Dresden-Neustadt drei verschiedenen Wahlkreisen zugeteilt werden, die kaum einen Zusammenhang zur Neustadt bilden.

Die Abtrennung der Chemnitzer Stadtteile Hutholz und Morgenleite vom Stadtteil Markersdorf entbehre jeglicher Grundlage, da es sich um ein klar zusammenhängendes Neubaugebiet handelt. Aber eines fällt sofort auf: 2009 gewann hier die Linke ein Direktmandat. Das holte sich mit 33,7 Prozent der Stimmen Karl-Friedrich Zais.

Und dasselbe Phänomen trifft auf die Neubausiedlung in Leipzig-Grünau zu. Hier gewann Dietmar Pellmann von der Linken 2009 das Direktmandat mit 31,3 Prozent der Stimmen.

Und bei der Dresdner Neustadt hat man es mit einem recht bunten Wahlkreis zu tun, wo 2014 gern Johannes Lichdi von Bündnis 90/Die Grünen das Direktmandat holen möchte. 2009 holte hier Patrick Schreiber mit nur 29,2 Prozent der Stimmen das Direktmandat für die CDU. Linke und Grüne boten sich dahinter ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Am Ende stand es zwischen Edith Franke (Die Linke) und Johannes Lichdi 22,2 zu 22,3 Prozent.Warum im Vorschlag der sächsischen Regierung diese infrastrukturell und räumlich verbundenen Gebiete getrennt würden, werde mit keinem Wort begründet, kritisiert Zschocke. Doch für ihn liegt es auf der Hand: “Es ist offenkundig, dass hier Oppositionshochburgen zerschlagen und mit CDU-Hochburgen verbunden werden sollen, um die Direktmandate der CDU zu sichern.”

Die Grünen haben aber auch verfassungsrechtliche Bedenken bei den Änderungen der Wahlkreisgrößen durch die Staatsregierung. Zschocke: “Die Wahlkreiskommission hat versucht, die Wahlkreise möglichst gleich groß zu gestalten. Nach den willkürlichen Änderungen der Staatsregierung ergeben sich nun weitaus größere Unterschiede. Dies führt zu demokratisch bedenklichen Ungleichgewichten der Wählerstimmen und rückt den Wahlkreiszuschnitt in einen verfassungsrechtlich problematischen Bereich.”

Der Gesetzentwurf sei auch Ausdruck eines autokratischen Regierungsverständnisses. “Wie sehr muss die sächsische CDU um ihre Vormachtstellung bangen, wenn sie sich derart plumper Methoden bedient?”, fragt sich Zschocke.

Und auch Antje Feiks, Landesgeschäftsführerin der sächsischen Linken kritisiert den Regierungsentwurf als “willkürlich”. “Weshalb das Kabinett nicht dem Vorschlag der Wahlkreiskommission gefolgt ist, was die Neuzuschneidung der Wahlkreise insbesondere in den Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz anbelangt, sondern einen völlig neuen Entwurf vorlegt, erschließt sich uns nicht”, sagt sie. “Auch ist unklar, was die Möglichkeit der Stellungnahme der Parteien bedeutet, wenn, wie ausgeführt, ‘der Gesetzesentwurf den Beurteilungsspielraum, der dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusteht (BVerfGE 95, 335, 364f.)’ ausnutzt. Es scheint sich damit lediglich um ein Feigenblatt zu handeln. Soweit zur demokratischen Fragwürdigkeit des Entwurfs.”

Momentan scheine es, als ob das Kabinett mit dem überarbeiteten Wahlkreiszuschnitt nicht nur Bestandswahrung für die CDU betreibe, sondern eine Bestandsverbesserung anstrebe. “Beispielhaft dafür stehen die beiden Wahlkreise, die wir als Linke im Jahr 2009 und auch schon vorher direkt gewonnen haben. Diese werden quasi geteilt – ein Wahlkreis in Chemnitz und einer in Leipzig”, so Feiks. “Besonders absurd ist das in Leipzig, denn hier, in den neu gebildeten Wahlkreisen 29 und 30 wird im Neuzuschnitt der Wahlkreise sogar so weit gegangen, dass ein in sich geschlossenes Gebilde, der Stadtteil Grünau, halbiert wird und dafür zu den entstandenen Hälften willkürlich Gebiete zugeschlagen werden, die nichts mit Grünau gemein haben. Damit wird den zukünftigen Abgeordneten die Arbeit unnötig erschwert und macht auch die Arbeit der letzten 20 Jahre zunichte. Denn die Abgeordneten nehmen sich der Probleme vor Ort an – dies dürfte erheblich schwieriger sein, wenn zukünftig zwei Abgeordnete jeweils für Halb-Grünau zuständig sind.”

Ihre Einschätzung: “Da wir bei der willkürlichen Neuzuschneidung keine Logik von Demografie und Bevölkerungsentwicklung sehen können, sondern einen Eingriff, der sich auf die Arbeit der Abgeordneten auswirkt, sind in unseren Augen dringende Nacharbeiten im Entwurf nötig. Wir behalten uns vor, rechtliche Schritte zu prüfen.”

Stellungnahme der Grünen (Kurzfassung):
www.gruene-sachsen.de

Vollständige Stellungnahme: www.gruene-sachsen.de

Gesetzentwurf der Staatsregierung: www.gruene-sachsen.de

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