Die Geschichte ist etwas länger. Aber der kürzere Teil spielte sich 2009/2010 im Leipziger Stadtrat ab. Am Ende stand am 15. September 2010 der Stadtratsbeschluss, den Oberbürgermeister zu beauftragen, bei den Regierungen von Sachsen und Sachsen-Anhalt darauf zu dringen, einen länderübergreifenden Lärmschutzbeauftragten zu installieren. Passiert ist seitdem nichts. Also setzte sich Fluglärm-Aktivist Lutz Weickert am 6. September hin und schrieb als Bürger an den sächsischen Ministerpräsidenten.

6. September 2012, E-Mail Nr. 1:

“Sehr geehrter Herr Tillich,

die Belastungen hunderttausender Betroffener, darunter tausende Kinder, mit Lärm- und Schadstoffen durch nächtliche Fracht- und Militärtransporte des Flughafen Leipzig-Halle haben ein unerträgliches Ausmaß erreicht. Mit teilweise 120 nächtlichen Starts- und Landungen von der stadtnahen Startbahn Süd, davon der größte Teil in der Nachtkernzeit, ist der FLH inzwischen die lauteste stadtnahe Lärmquelle Deutschlands.

Umso unverständlicher, dass sich die Landesregierung Sachsen weiterhin weigert, der Forderung des Stadtrates von Leipzig zum Einsatz einen Fluglärmschutzbauftragten nachzukommen. Siehe beiliegende Antwort von Herrn Morlok auf eine kleine Anfrage.

Zu Ihrer Information: Außer in Sachsen gibt es in allen anderen Bundesländern einen vom Land eingesetzten Fluglärmschutzbeauftragten, wie aus folgendem Zitat des Flughafens Hannover zu ersehen ist:

‘Fluglärmschutzbeauftragter

Für jeden Verkehrsflughafen in der Bundesrepublik Deutschland wird vom jeweiligen Verkehrsministerium des Landes ein Fluglärmschutzbeauftragter eingesetzt. Der Fluglärmschutzbeauftragte für den Hannover Airport ist Herr Reinhart (…)
Aufgaben des Fluglärmschutzbeauftragten:

– Kontakt zu Chefpiloten der Fluggesellschaften mit dem Ziel, lärmarme Flugverfahren durchzusetzen
– Auswertung der Beschwerden und gegebenenfalls Beantwortung von Einzelbeschwerden
– Auswertung des statistischen Lärmberichte des Flughafens, insbesondere im Hinblick auf als besonders laut auffallende Gesellschaften und Einflussnahme zur Abhilfe
– Ständige Mitarbeit bei der Definition der An- und Abflugstrecken
– Überprüfung der Routeneinhaltung
– Mitarbeit in der Fluglärmschutzkommission’

Quelle: http://www.hannover-airport.de/index.php?id=2031

Informationen zu Fluglärmschutzbeauftragten anderer Bundesländer/Flughäfen unter:
Berlin: http://www.lbv.brandenburg.de/fluglaermschutzbeauftragter.htm
Frankfurt/Main: http://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=3060&_ffmpar%5B_id_inhalt%5D=5992664
Hamburg: http://www.hamburg.de/fluglaermschutzbeauftragter/
München: http://www.regierung.oberbayern.bayern.de/aufgaben/wirtschaft/luftamt/beratung/02858/index.php
Stuttgart http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/5674/

Sehr geehrter Herr Tillich: Folgende Frage dazu:

Warum gibt es, im Gegensatz zu allen anderen Flughäfen Deutschlands, für den Flughafen Leipzig- Halle keinen Fluglärmschutzbeauftragten?

Für eine zeitnahe Antwort wäre ich Ihnen dankbar.

Mit freundlichen Grüßen

L. Weickert”

Die Anfrage landete bei der Poststelle des Bürgerbüros der Sächsischen Staatskanzlei. Fast eine Woche lang machte man sich in Dresden dann Gedanken darüber, was man dem lärmgeplagten Bürger aus Gundorf, das seit der Inbetriebnahme der so genannten “kurzen Südabkurvung” vom nächtlichen Fluglärm geplagt ist, wohl antworten könne. Am 12. September antwortete dann der Sachbearbeiter aus dem Bürgerbüro Bernd Merzdorf.

12. September 2012, E-Mail Nr. 2:

“Sehr geehrter Herr Dr. Weickert,

ich danke Ihnen für Ihre E-Mail an den Ministerpräsidenten und beantworte Ihre Frage in dessen Auftrag wie folgt:

Der Leiter der Stabsstelle Lärm- und Umweltschutz des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle ist Angestellter der Flughafen Leipzig/Halle GmbH. Das Anstellungsverhältnis beruht auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag. Die Bestellung eines Lärmschutzbeauftragten ist weder für die Flughafen Leipzig/Halle GmbH noch für die im Freistaat Sachsen zuständigen Behörden gesetzlich vorgeschrieben. Es liegt vielmehr in der Entscheidung des Unternehmens, in welcher Organisations- und Beschäftigungsform es die ihm als Flughafenbetreiber gesetzlich obliegenden Pflichten im Bereich des Fluglärmschutzes erfüllt. Ich muß Sie also bitten, Ihre Frage an die Flughafen GmbH zu richten.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Merzdorf
Sachbearbeiter Bürgerbüro
SÄCHSISCHE STAATSKANZLEI |
(..)
Politik im Gespräch – Jetzt mitreden und mitgestalten auf www.dialog.sachsen.de”Da fühlte sich Lutz Weickert völlig missverstanden. Nach dem Lärmschutzbeauftragten des Privatunternehmens Flughafen hatte er ja nicht gefragt. Gefragt hatte er nach einem auf Landesebene. Also drückte er kurzerhand auf die “Antworten”-Taste.

12. September 2012, E-Mail Nr. 3:

“Betreff: Re: WG: Sachsen ohne Fluglärmschutzbeauftragten!!!

Sehr geehrter Herr Tillich,

ich hatte Ihnen am 06.09.2012 eine Frage zum Fluglärmschutzbeauftragten des Landes Sachsen gestellt. Unverständlicherweise hat die Antwort (…) überhaupt nichts mit meiner Fragestellung zu tun.

Mir ging es nicht um den Fluglärmschutzbeauftragten des FLH, der gemäß seinem Anstellungsverhältnis die Interessen des FLH gegenüber den Fluglärmbetroffenen vertritt. Mir ging es um den vom Land einzusetzenden Fluglärmschutzbeauftragten, der die Interessen der Fluglärmbetroffenen gegenüber den Fluglärmverursachern zu vertreten hat. Deshalb hier nochmals meine Frage:

Warum gibt es, im Gegensatz zu allen anderen Flughäfen Deutschlands, für den Flughafen Leipzig- Halle keinen vom Land bestimmten und bezahlten Fluglärmschutzbeauftragten?

Mit Bitte um zeitnahe Beantwortung.

Mit freundlichen Grüßen

L. Weickert”

Die E-Mail nahm ihren gewohnten Weg. Am 14. September antwortete wieder Bernd Merzdorf aus dem Bürgerbüro der Staatskanzlei.

14. September 2012, E-Mail Nr. 4:

“Sehr geehrter Herr Dr. Weickert,

ich kann nicht erkennen, Ihre Frage nicht eindeutig beantwortet zu haben. Die Entscheidung obliegt allein dem Flughafenbetreiber. Für den Freistaat Sachsen gibt es keine rechtliche Verpflichtung, einen Fluglärmschutzbeauftragten zu bestimmen und zu bezahlen. Die Frage, warum andere Flughäfen einen solchen Beauftragten haben, müssen Sie an den Flughafenbetreiber in Leipzig stellen.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Merzdorf
Sachbearbeiter Bürgerbüro

SÄCHSISCHE STAATSKANZLEI |
(…)
Politik im Gespräch – Jetzt mitreden und mitgestalten auf www.dialog.sachsen.de”

Wir können es uns wirklich nicht verkneifen, den kleinen Standardtext aus der E-Mail der Staatskanzlei, der automatisch generiert wird, hier jedes Mal mitzuzitieren. Da wird eifrig zum Dialog mit der Staatsregierung eingeladen – aber wenn die Fragen der Bürger nicht verstanden werden wollen, kommt etwas sehr Seltsames dabei heraus.Am Samstag, 15. September, wandte sich Lutz Weickert direkt an Bernd Merzdorf, der seine Frage irgendwie nicht richtig verstanden hatte.

15. September 2012, E-Mail Nr. 5:

“Sehr geehrter Herr Merzdorf,

leider ist Ihre, im Auftrag von Herrn Tillich gegebene Antwort, ‘der Flughafenbetreiber ist für den Fluglärmschutzbeauftragten verantwortlich’ (…), falsch.

Nicht die Flughäfen München, Frankfurt, Hannover, Berlin, Hamburg usw. haben einen Fluglärmschutzbeauftragten, sondern die Länder Bayern, Niedersachsen, Berlin, Hessen, NRW, B-W, Hamburg, Bremen usw. haben Fluglärmschutzbeauftragte, auch ohne gesetzlichen Zwang. Nur Sachsen nicht!!!

Entschuldigen Sie, wenn ich an dieser Stelle etwas ironisch werde. Dresden hatte zu DDR-Zeiten den Ruf “Tal der Ahnungslosen”. Wenn ich Ihre Antwort lese, habe ich den Eindruck, dass sich daran bis heute nichts geändert hat, zumindest was die Kenntnisse und Aktivitäten der Landesregierung bzgl. Fluglärmbelastung der Leipziger durch nächtliche Fracht- und Militärflüge und sich daraus ergebende Pflichten betrifft.

Der Stadtrat von Leipzig scheint in dieser Beziehung der Staatsregierung einen Schritt voraus zu sein. Sonst hätte er nicht, den fast einstimmig angenommen Beschluss RBV-500/10 (beiliegend) gefasst, der die Landesregierung zum Einsatz eines länderübergreifenden (Sachsen, Sachsen-Anhalt) Fluglärmbevollmächtigten aufgefordert.

Der Beschluss beruht auf der nochmals unten aufgeführten, deutschlandweit üblichen Praxis, die auch der Staatsregierung bekannt sein müsste. Oder???

Deshalb hier nochmals meine (erweiterte) Frage:

Warum hat die Staatsregierung Sachsen den Beschluss des Stadtrates Leipzig RBV-500/10 vom 15.09.2010 zum Einsatz eines Fluglärmschutzbeauftragten durch die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt bisher nicht realisiert? Warum gibt es, im Gegensatz zu allen anderen Flughäfen Deutschlands, für den Flughafen Leipzig-Halle keinen vom Land bestimmten und bezahlten Fluglärmschutzbeauftragten?

Mit Bitte um zeitnahe Beantwortung.

Mit freundlichen Grüßen

L. Weickert”

Kann man also gespannt sein, ob man in Dresden in dieser Woche versteht, was der Leipziger eigentlich will. Passiert ist nach dem Ratsbeschluss im September 2010 nämlich nichts. In Magdeburg übrigens auch nicht. Die Website der dortigen Landesregierung weist für das Wort “Lärmschutzbeauftragter” auch keinen Treffer aus. Entweder hatte Burkhard Jung noch keine Zeit, das Thema in den beiden Hauptstädten anzusprechen. Oder es interessiert die Regierenden nicht, da sie sich als Anteilseigner an der Mitteldeutschen Airport Holding positionieren und die Ansprüche der Nichtbesitzer nicht als relevant betrachten.

www.fluglaermleipzig.de

Der Beschluss der Leipziger Ratsversammlung als PDF zum download.

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