Am Dienstag, 20. März, trat Sachsens Kultusminister Dr. Roland Wöller mit Pauken und Trompeten zurück. Er wollte - so äußerte er sich noch - die sächsische Sparpolitik im Schulbereich nicht mehr mittragen. Am Donnerstag, 22. März, war das verwaiste Ministerium Thema in der CDU-Fraktionssitzung. Von Steffen Flath ließ sich die "FAZ" verraten, wer zur Nachfolgerin auserkoren wurde: die Chemnitzerin Brunhild Kurth. Um 17:08 Uhr bestätigte es dann die Regierung.
Da wurde dann auch dem Rest der Welt mitgeteilt, dass Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am 22. März die bisherige Direktorin der Regionalstelle Chemnitz der Sächsischen Bildungsagentur Brunhild Kurth zur neuen Staatsministerin für Kultus ernannt hat. Er betone bei der Übergabe der Ernennungsurkunde in der Sächsischen Staatskanzlei, dass die erfahrene Pädagogin und ehemalige Schulleiterin das richtige fachliche Wissens- und Erfahrungsspektrum mitbringe.
“Brunhild Kurth kennt den schulischen Alltag mit seinen wechselnden Herausforderungen ebenso wie die Kultusverwaltung mit ihren Behörden. Sie hat Führungserfahrung und ist erprobt im Umgang mit Kindern, Eltern und Lehrern. Ein besseres Profil kann man sich für die anstehenden Fachfragen der sächsischen Bildungspolitik kaum wünschen”, so der Ministerpräsident. Der MDR hatte zuvor noch über ein Zerwürfnis zwischen Kurth und Wöller berichtet.
Brunhild Kurth, 1954 in Burgstädt geboren, war von 2007 bis 2011 Direktorin der Sächsischen Bildungsagentur gewesen, dann aber von Wöller in die Regionalstelle Chemnitz der Bildungsagentur versetzt worden.
Im Kultusministerium hat sie von 2001 bis 2004 auch schon als Referatsleiterin für Gymnasien gearbeitet. Vorher war sie mehr als 25 Jahre an verschiedenen Schulen im Freistaat als Lehrerin und Schulleiterin tätig.
“Bildung hat im Freistaat höchste Priorität. Die neue Ministerin wird diesen Anspruch entsprechend wieder mit Leben erfüllen”, erklärte Tillich. Zumindest die Vertreter der Regierungskoalition sind sich sicher, dass das mit dem erfolgten Personalwechsel gelingt.
Die Freude der Regierungskoalition:
Torsten Herbst, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag, ist sich da ganz sicher: “Mit Brunhild Kurth an der Spitze ist künftig im Kultusministerium wieder Führungskraft und Gestaltungswillen gegeben, deshalb freuen wir uns als FDP auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit der neuen Ministerin. Frau Kurth verfügt über Erfahrungen in der Bildungspolitik und mit der Führung einer Behörde.”
Bildung habe für CDU und FDP Priorität, deshalb gäbe Sachsen im Haushalt derzeit mehr für den Bereich Bildung und Forschung aus als jemals zuvor. Aber dass es da ein kleines Problem gibt, weiß er auch. “Die Absicherung des Lehrerbedarfs ist die wichtigste Aufgabe für die zweite Hälfte der Wahlperiode, das wird natürlich Geld kosten”, stellt Herbst fest. “Mit dem Maßnahmepaket von weit über 200 Millionen Euro, dem dritten Studienort für Grundschullehrer in Chemnitz und dem Pädagogischen Campus zur Lehrerausbildung in Leipzig sind wichtige Weichen gestellt. Klar ist aber auch: Gute Bildung ist nicht nur eine Frage des Geldes.”
Das er dabei genau da Pluspunkte sieht, wo Roland Wöller gerade das Handtuch geschmissen hat, darf durchaus verblüffen. Herbst sieht sogar noch richtig Reserven im System: “Es gibt gerade bei der Verwaltung des Lehrerpersonals Reserven innerhalb des bestehenden Systems. Es geht vor allem darum, dass wieder mehr Lehrer für den Unterricht vor der Klasse eingesetzt werden und nicht in der Verwaltung oder für lehrfremde Tätigkeiten. Wir sind zuversichtlich, dass die neue Ministerin diese Aufgaben mit Mut und frischen Ideen angeht, und dabei werden wir sie im Interesse der Schüler, Lehrer und Eltern konstruktiv unterstützen. Sachsen steht bei der Bildung an der Spitze, und wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass das auch künftig so bleibt.”
Eine erstaunliche Erwartungshaltung, die er da gegenüber Brunhild Kurth äußert. Für Steffen Flath, Fraktionsvorsitzender der CDU-Fraktion, ist sie trotzdem die richtige Person für das Amt. “Der Ministerpräsident hat eine sehr gute Wahl getroffen”, sagt er. “Er hat eine versierte Bildungsexpertin zur Ministerin ernannt. Brunhild Kurth kennt die sächsische Bildungslandschaft aus allen Perspektiven. Das wird sich bei der Lösung der Aufgaben im Schulbereich auszahlen. Ministerin Kurth kann versichert sein, dass die Fraktion dabei an ihrer Seite steht.”
Die Bauchschmerzen der Opposition:
“Eines muss man Herrn Tillich lassen: Er ist immer für Überraschungen gut, Brunhild Kurth stand auf keinem Zettel der Personal-Propheten”, meint der Vorsitzende der Linksfraktion, André Hahn. “Dass die neue Ministerin aus dem Bereich der Schulverwaltung kommt und die Lage vor Ort kennt, kann durchaus von Vorteil sein. Ob sie jedoch über die notwendige Durchsetzungskraft gegenüber dem bisher schier übermächtig agierenden Finanzminister verfügen wird, um den Interessen der Schulen Geltung zu verschaffen, bleibt abzuwarten. Dies gilt umso mehr, da sie in ihrem neuen Haus schon einen gerade ernannten Staatssekretär vorfindet, der vom Schulbereich kaum etwas versteht, dafür aber lange Jahre im Finanzministerium tätig war.”
Ob sie einen Kurswechsel herbeiführt, daran zweifelt er freilich. “In ihrer derzeitigen Funktion in Chemnitz wirkte Frau Kurth bis zuletzt eher als freundliche Beschwichtigerin, die Eltern gegenüber den Lehrermangel als ‘temporäre Schieflage in bestimmten Fächerkombinationen an bestimmten Schularten’ darstellte und offenbar kein ernsthaftes strukturelles Problem zu erkennen vermochte. Es ist zu wünschen, dass sie im neuen Amt zur Erkenntnis der unübersehbaren Defizite bei der Lehrerpersonal-Planung gelangt und für Abhilfe sorgt.”
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Ohne Geld keine Lehrer. So simpel ist es wohl. Hahn: “Wenn es aber nicht zu einem Kurswechsel der schwarz-gelben Staatsregierung bei der Finanzausstattung im Bildungsbereich kommt, wird auch diese Kultusministerin zum Scheitern verurteilt sein. Daher ist Ministerpräsident Tillich gefordert, seine Richtlinienkompetenz endlich in diesem Sinne einzusetzen.”
Auch Annekathrin Giegengack, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, sieht in der Dominanz eines vom Kürzen besessenen Finanzministers das Problem für die neue Kultusministerin. “Die designierte Ministerin ist als Lehrerin ohne Zweifel vom Fach und verfügt durch ihre Tätigkeit als ehemalige Direktorin der Bildungsagentur über Verwaltungserfahrung. Ob sie sich gegenüber Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und seinem Finanzminister Georg Unland (CDU) durchsetzen und das Steuer im Bildungsbereich herumreißen kann, ist jedoch fraglich”, meint sie. “Ohne einen Kurswechsel durch den Ministerpräsidenten, konkret die Zurücknahme der angestrebten Stellenstreichungen und eine Aufstockung des Bildungsetats, wird auch Brunhild Kurth weiteren Unterrichtsausfall und den Abbau von Bildungsqualität an den sächsischen Schulen nicht verhindern können.”
Auch in Chemnitz waren Brunhild Kurth die Hände gebunden. Giegengack: “In ihrem letzten Wirkungsbereich, der Regionalstelle der Bildungsagentur in Chemnitz, hinterlässt Brunhild Kurth selbst Baustellen. So konnte das Kepler Gymnasium Chemnitz erstmals zum Halbjahr 2012 keine Ethiknoten erteilen, da zu viel Unterricht ausgefallen war. Auch an mehreren Grundschulen in Chemnitz ist die Situation prekär.”
Martin Dulig, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, macht es kurz: “Der neuen sächsischen Kultusministerin Brunhild Kurth wünsche ich viel Kraft und Erfolg. Ob es aber der Staatsregierung tatsächlich gelingt, den Lehrerbedarf an Sachsens Schulen nachhaltig zu sichern, liegt einzig und allein in der Verantwortung des Ministerpräsidenten. Es ist die Aufgabe von Tillich, das unsägliche Gezerre zwischen Kultus- und Finanzministerium zu beenden und für eine ausreichende Anzahl hoch qualifizierter und hoch motivierter Lehrerinnen und Lehrer an Sachsens Schulen zu sorgen.”
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