Innenminister Markus Ulbig (CDU) hat zwei weitere Tote als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Damit entsprach er einem Wunsch der Linksfraktion. Achmed Bachir war am 23. November 1996 in Leipzig vor einem Gemüsegeschäft erstochen worden.
Der 30-Jährige wollte deutschen Kolleginnen beistehen, die von zwei Skinheads attackiert und als “Türkenschlampen” beschimpft worden waren. Im November 1997 verurteilt das Landgericht Leipzig Daniel Z. (20) wegen Mordes und schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von neuneinhalb Jahren.
Patrick Thürmer wurde gemeinsam mit einem Freund in der Nacht des 3. Oktober 1999 auf dem Heimweg von einem Punkfestival in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen) von drei Männern überfallen, die mit ihrem Auto Jagd auf Punks machten. Mit einem Axtstil und einem Billardqueue fügten sie dem Malerlehrling tödliche Kopfverletzungen zu. Vorausgegangen war ein Angriff von drei Dutzend Neonazis auf das Punkfestival und ein Gegenangriff von Punks auf eine Diskothek im Ort, in der sie die rechten Schläger vermuteten. Der 17-Jährige starb “stellvertretend für jene Linken”, die an dem Angriff auf die Diskothek beteiligt gewesen seien, stellte das Landgericht Chemnitz im September 2000 fest. Einen rechten Hintergrund erkannte das Gericht dennoch nicht. Der 23-jährige Haupttäter wurde wegen Totschlags zu elf Jahren Haft verurteilt.
Ulbig hatte im Dezember vor dem Hintergrund der Mordserie der Zwickauer Terrorzelle die Überprüfung mehrerer Tötungsdelikte auf ein rechtes Motiv in Aussicht gestellt. “Innenminister Ulbig nähert sich langsam und mühsam der Realität an”, erklärte die Linken-Abgeordnete Kerstin Köditz am Mittwoch. “Die Genugtuung darüber hat einen bitteren Beigeschmack. So kann ich nur mit Unverständnis registrieren, dass bisher zu den Einstufungen die Urteile der Gerichte nicht beigezogen worden sind, sondern man sich nur auf die Einschätzung des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes verlassen hat. Ich gehe davon aus, dass diese fatale Praxis künftig verändert wird.”
Der Leipziger Initiativkreis Antirassismus zeigte sich ebenfalls erfreut. Die Überprüfung der Zahlen der Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen war mehr als überfällig. “Ich begrüße den Schritt des Innenministeriums und die Anerkennung von zwei weiteren Opfern”, so Sprecherin Juliane Nagel (Die Linke) “Damit wird die Lücke zwischen den Zahlen, die durch engagierte Journalisten erfasst werden und den staatlichen Zahlen zumindest kleiner. Während erstere für Sachsen 13 rechts motivierte Morde seit 1990 erfassen, erkennt die sächsische Landesregierung bis dato nur neun an. Ungeklärt ist bisher außerdem der letzte mutmaßlich rechtsmotivierte Mord an dem wohnungslosen Andre K. im Mai 2011 in Oschatz.” Dieser wird derzeit vor dem Leipziger Landgericht verhandelt. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Totschlag aus.
Die Linksfraktion möchte sich weiter dafür einsetzen, dass auch die übrigen Toten in offiziellen Statistiken als Opfer rechter Gewalt erfasst werden. Köditz hatte den Innenminister schon Anfang 2011 durch mehrere Kleine Anfragen aufgefordert, die Fälle neu zu bewerten. Seinerzeit negierte Ulbig in allen Fällen ein politisches Motiv.
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