Es sind nicht mehr nur die Abgeordneten der Oppositionsparteien, die sich darüber wundern, wie im Freistaat Sachsen die Fördergelder verteilt werden. Die Staatsregierung verschickt zwar jede Woche eine Jubelmeldung, welche Fördermillionen sie wieder für welches Töpfchen zur Verfügung gestellt hat. Doch auch in Chemnitz wundern sich die Betroffenen immer stärker über das Tröpfeln, das dabei herauskommt.
Am 23. November wandte sich der Chemnitzer CDU-Abgeordnete Peter Wilhelm Patt mit einer Kleinen Anfrage an die Staatsregierung. Er wollte gern wissen, in welcher Höhe in den Jahren 2006 bis 2010 Fördermittel an die Kreise und kreisfreien Städte ausbezahlt wurden – in absoluter Höhe und in Pro-Kopf-Summen. Zu dem Zeitpunkt entbrannte im Landtag schon wieder die Diskussion um den so genannten Demografie-Faktor, den sich CDU und FDP 2009 in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben.
Im Doppelhaushalt 2011/2012 wurde der Faktor nicht angewandt. Die meisten Beteiligten sahen durchaus ein, dass der Faktor wenig Sinn macht, denn er entzieht gerade jenen Kommunen das nötige Geld für Investitionen, die in den nächsten Jahren massiv investieren müssen, weil hier die Bevölkerungszahlen steigen – Dresden und Leipzig.
Doch da es kein einziger Landkreis in den letzten zwei Jahren geschafft hat, die Abwanderung in die großen Zentren zu stoppen, rumort es seit Monaten gerade bei Abgeordneten aus den Landkreisen. Einige halten den “demografischen Faktor” für ein Allheilmittel, die Probleme in ihren Landkreisen in den Griff zu bekommen.
Doch nicht nur Leipzig – wie jüngst erst mit den Förderzahlen zum Schulhausbau bestätigt – leidet schon jetzt unter der keineswegs ausgewogenen Fördermittelpraxis im Freistaat. Auch in Chemnitz fehlen die Millionen. Und Peter Wilhelm Patt wollte nun genauer wissen, wie die Gelder fließen im Land. Immerhin gibt es eine Fördermitteldatenbank mit dem schönen Namen “Fömisax”.
Dr. Johannes Beermann, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, arbeitete ihm am 23. Dezember die Daten zu. Die sprechen für sich. Und die Chemnitzer Anfrage bestätigt im Großen, was die Anfragen zum Schulhausbau im Detail schon gezeigt hatten: Nicht nur profitiert die Landeshauptstadt Dresden am stärksten von der Fördermittelverteilung in Sachsen. Auch die meisten Landkreise haben überproportional von den vergebenen Geldern profitiert, haben pro Einwohner über deutlich mehr Mittel verfügt als etwa Leipzig und Chemnitz. Und sie haben die Abwanderung auch mit den zusätzlichen Geldern nicht gebremst.
Und der Blick auf die Zahlen bestätigt auch, was Abgeordnete aus Leipzig und dem Landkreis Leipzig befürchtet hatten: “Von Sächsischen Fördermitteln profitiert am ehesten die Landeshauptstadt”, stellen die SPD-Landtagsabgeordneten Petra Köpping (Landkreis Leipzig) und Dirk Panter (Stadt Leipzig) fest.
Erhielt Dresden beispielsweise im Jahr 2010 eine Gesamtförderung von 884,84 Euro pro Kopf, waren es im Landkreis Leipzig nur 510,70 Euro pro Einwohner und in der Stadt Leipzig 620 Euro. Untersucht wurden unter anderem die Auszahlungen je Einwohner in den Bereichen Arbeitsmarkt, Forschung und Technologie, Fremdenverkehr, Gesundheit und Soziales sowie Infrastruktur.
Im Jahr 2010 gingen rund 27 Millionen Euro für Wirtschaftsförderung in die Landeshauptstadt. Leipzig habe dagegen nur etwa 19 Millionen Euro erhalten und der Landkreis Leipzig fast 16 Millionen Euro, so die beiden Abgeordneten. Bekannt seien inzwischen auch die großen Unterschiede bei der Forschungs- und Technologieförderung. Dort erhielt Dresden beinahe 60 Millionen Euro, die Stadt Leipzig aber nicht einmal 13 Millionen Euro und der Landkreis Leipzig gerade 750.000 Euro.
Damit sehen die beiden Abgeordneten ein seit längerem bestehendes Gefühl bestätigt. Und sie kritisieren: “Das Land begründet diese ungerechte Verteilung mit einer unterschiedlichen Regionalstruktur und der fehlenden Möglichkeit, die Kofinanzierung für die Fördermittel zu stemmen. – Die Regierung möchte offensichtlich die bestehenden Strukturen zementieren und verschiedene Bereiche regional konzentrieren, anstatt für einen guten Ausgleich zu sorgen.”
Auch wer die Summen im Verlauf der fünf abgebildeten Jahre sieht, sieht dauerhaft manifeste Niveauunterschiede, die mit den finanziellen Spielräumen der Kreise und Städte nicht wirklich korrespondieren, sondern nahe legen, dass einzelne Antragsteller bevorzugt werden und auch dann noch Mittel ausgeteilt bekommen, wenn anderen mitgeteilt wird, die “Töpfe seien überzeichnet”.
Während Dresden in den fünf Jahren von 2007 bis 2010 jeweils zwischen 679 und 885 Euro pro Einwohner an Fördergeldern bekommen hat, was sich insgesamt auf 2,09 Milliarden Euro summiert, waren es im gleichgroßen Leipzig nur jeweils zwischen 529 und 621 Euro. In der Summe: 1,482 Milliarden Euro.
Ein Punkt, in dem auch das Wort “Fördergeld” einmal hinterfragt werden muss. Denn tatsächlich handelt es sich bei den meisten Geldern um Finanzposten, die den Kommunen sogar zustehen. Der Freistaat steht nur in der Pflicht, die Gelder möglichst gleichmäßig zu verteilen. Doch mit der Zuschreibung “Förderung” macht er aus der gesetzlichen Zuteilung einen Gnadenerweis.
Chemnitz steht übrigens mit 537 bis 695 Euro Pro-Kopf-Förderung nur wenig besser da als Leipzig.
Für Leipzig bedeutet das binnen fünf Jahren einen finanziellen Nachteil von rund 600 Millionen Euro gegenüber der Landeshauptstadt Dresden. Ein Nachteil, der die eigenen Spielräume, Fördersummen “gegenzufinanzieren” weiter einschränkt.
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“Wenigstens die lokalen Abgeordneten der Regierungsparteien müssten sich endlich in Dresden viel mehr für die Region Leipzig einsetzen”, fordern Köpping und Panter. Doch von ihnen sei keine Kritik an der Fördermittelvergabepraxis zu hören.
“Sie rücken nur ins Bild, wenn die Minister in ihren Wahlkreis kommen und dort frohe Botschaften verkünden”, kritisieren die beiden SPD-Abgeordneten. “Eigenes Profil und Engagement für die Region lassen sie ansonsten jedoch vermissen. Diese Ungleichbehandlung wird in der neuen Förderperiode noch verstärkt, wenn die Region Leipzig aus dem Ziel 1-Gebiet fällt. Damit ist der Freistaat gefordert, aktiv gegenzusteuern.”
Die Kleine Anfrage von Peter Wilhelm Patt und die Antwort von Johannes Beermann (Drs 5/7545): http://edas.landtag.sachsen.de
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