Seit Donnerstag, 19. Januar, wird in Sachsen wieder heftig über das Weihnachtsgeld diskutiert. Das für die Beamten. Am selben Tag gab's eine gemeinsame Pressekonferenz von Gewerkschaften, Beamtenbund und Richterverein. 25.000 Beamte, Richter, Staatsanwälte und Versorgungsempfänger hatten Widerspruch gegen die Höhe ihrer Jahresbesoldung eingelegt, die ihnen die Staatsregierung gekürzt hatte. Aus Einspargründen, wie das immer so schön heißt.

Der Landesvorsitzende des Sächsischen Beamtenbundes (sbb) Günter Steinbrecht, der stellvertretende Vorsitzende des DGB-Bezirk Sachsen Markus Schlimbach, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP Sachsen) Hagen Husgen, der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD Sachsen) Hans-Peter Mutscher sowie der Vorsitzende des Sächsischen Richtervereins Reinhard Schade informierten zum Stand der Widersprüche und Musterklageverfahren gegen die Streichung der Sonderzahlung für Beamtinnen und Beamte in Sachsen.

Ist ja nicht so, dass Staatsbedienstete in Sachsen schlecht verdienen. Im Vergleich zu all den Niedriglöhnern im Land und vor allem in den nichttarifgebundenen Branchen gehören sie sogar zu den Gutverdienern. 38.740 Euro verdienen sie durchschnittlich im Jahr, hat der Beamtenbund einmal die Zahl für 2009 aus den Statistiken des Statistischen Bundesamtes gezogen. Doch bei den Einsprüchen der Betroffenen geht es weniger um die Höhe der Besoldungen, sondern um die sehr gutsherrliche Art, mit der der Freistaat auch bei seinen Bediensteten die Schere ansetzt. Gleich mehrfach ansetzt. Die Weihnachtsgelder sind da nur der Tropfen auf den heißen Stein.

Die personelle Unterbesetzung in vielen wichtigen Arbeitsbereichen des Landes ist ein weiterer. Die hier schon seit Ende der 1990er Jahre praktizierten Sparmaßnahmen haben längst dazu geführt, dass der Freistaat Sachsen – gemeinsam mit dem Nachbarland Brandenburg – die geringsten Ausgaben für Personal hat. 20,78 Prozent des Gesamtetats waren es nach Angaben des Bundesfinanzministeriums 2009. Brandenburg schaffte 20,40 Prozent. Westliche Bundesländer findet man im Bereich von 31,76 Prozent (Bremen) bis 39,4 Prozent (Baden-Württemberg). Bayern zum Beispiel, das seit Monaten gegen den innerdeutschen Finanzausgleich tobt, liegt bei 35 Prozent.

Deswegen ist auch schwerlich nachvollziehbar, wenn Sachsen – etwa bei der “Polizeireform” – vorhat, mit dem Personalbesatz auf die Größenordnung “westlicher Flächenländer” zu kommen. Sparen geht hier nur noch, indem man tatsächlich ganze Landstriche von Polizeikräften entblößt. Auch bei der Verbeamtung hielt sich das Land zurück. Nur gut 37 Prozent der 87.320 Staatsbediensteten sind verbeamtet.

Die Sparpläne der sächsischen Regierung schweben – mit seltsamsten Zahlen unterlegt – wie eine Drohkulisse über dem Land. Und möglicherweise werden auch die Musterklagen der sächsischen Beamten vor Gericht die Aussage ergeben, dass diese Art, die “Peanuts” zusammenzukratzen, weder nachhaltig noch zukunftsfähig noch gesetzeskonform ist. Eher chaotisch und willkürlich.Freilich sind auch die Reaktionen aus der Politik recht verschieden. Unterstützung bekommen die Staatsdiener zum Beispiel von der SPD, die die Abschaffung des Weihnachtsgeldes für ein weiteres Armutszeugnis für Schwarzgelb hält.

“25.000 der insgesamt 32.000 sächsischen Beamtinnen und Beamten haben bislang Widerspruch gegen die Abschaffung der Sonderzahlung eingelegt. Deutlicher kann sich ihr Unmut über die Sturheit der Regierung Tillich wohl kaum äußern. Ein Armutszeugnis für Schwarzgelb”, erklärt Stefan Brangs, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. “Ich bin mir sicher, dass es nicht bei den 25.000 Widersprüchen bleiben wird, sondern dass die Zahl in den nächsten Tagen noch weiter steigt. Daher werde ich die Staatsregierung in der Fragestunde am kommenden Donnerstag im Sächsischen Landtag nach den aktuellen Zahlen befragen.”

Die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag habe in der Vergangenheit die Staatsregierung mehrfach aufgefordert, auf die Streichung des Weihnachtsgeldes zu verzichten. “Aber Unland und Tillich stellten sich stur und zeigten keinerlei Verhandlungsbereitschaft. Nun bekommen sie in Form tausendfacher Widersprüche die Quittung dafür”, kritisiert Brangs. “Die SPD-Fraktion solidarisiert sich mit den betroffenen Beamtinnen und Beamten. Leider ist es aber schon jetzt absehbar, dass ihre Widersprüche abgewiesen werden. Wir unterstützen daher die betroffenen Beschäftigten ausdrücklich, dann vor den Gerichten ihr Recht einzuklagen.”

Auch die Linke hatte mehrere Anträge in der Frage gestellt. “Ein weiteres Mal versteckt sich Ministerpräsident Tillich hinter dem stoisch agierenden – für jedwede Argumentation verschlossenen – Finanzminister Unland”, kritisiert der innenpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, Rico Gebhardt. “Das Landesamt für Finanzen und Steuern sieht sich deshalb mit einer beispiellosen Widerspruchsflut konfrontiert. Die Staatsregierung mit ihrem Ministerpräsidenten hat die Beamten, Richter und Staatsanwälte dazu genötigt, den Rechtsweg zu beschreiten, um ihre Ansprüche zu sichern. Die 25.000 Widersprüche sind ein deutliches Misstrauensvotum für die Regierung Tillich. Jetzt ist es an der Justiz, für eine amtsangemessene Besoldung zu sorgen. Die Chancen für einen Sieg der Bediensteten in den ausgewählten Musterklagen stehen gut.”

Dass Beamte aus den höheren Besoldungsklassen Widerspruch eingereicht haben, findet hingegen Benjamin Karabinski, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag, gar nicht gut. “Ich habe kein Verständnis für das Wehklagen der Beamten und Richter. Speziell die Klagen der lautesten Gruppe kann ich nicht nachvollziehen, wenn schon ein einfacher Richter in Sachsen bis zu rund 5.600 Euro verdient”, kritisiert Karabinski. “Die Beamten genießen Privilegien, die man ansonsten in Sachsen mit der Lupe suchen muss: sichere Jobs bis an das Lebensende, damit auch einen perfekt abgesicherten Lebensabend, die Möglichkeit der privaten Krankenversicherung unabhängig von der Einkommenshöhe und schließlich regelmäßige Gehaltssteigerungen. Auch von der Möglichkeit, mit Vollendung des 60. Lebensjahres vorzeitig mit geringeren Abschlägen in Ruhestand zu gehen, können Arbeitnehmer nur träumen – den sächsischen Beamten machen wir jetzt dieses Angebot.”

Das Gerede von “Sparschweinen der Nation” sei vollkommen überzogene Polemik, meint der FDP-Abgeordnete. “Erst im vergangenen Jahr haben wir in Sachsen den neuen Tarifabschluss für Angestellte zügig per Gesetz auf Beamte übertragen: Es gab neben einer Einmalzahlung von 360 Euro ab 1. April 1,5 Prozent mehr Gehalt, seit Jahresbeginn gibt es noch einmal 1,9 Prozent.”

Ein Polizist büßt durch die Kürzung rund 1.000 Euro ein. Insgesamt geht die Staatsregierung von Einsparungen in Höhe von 23 Millionen Euro aus. Ist das viel, ist das wenig? – Die massiven Widersprüche der Staatsbediensteten deuten auf ein “zu viel” hin. Denn gleichzeitig will die Staatsregierung mit ihnen ihr “Standortegesetz” und einen massiven Stellenabbau von 17.000 Stellen bis 2020 umsetzen. Immerhin vor dem Hintergrund – siehe oben – dass Sachsen schon jetzt einen extrem niedrigen Aufwand für sein Personal betreibt. Ein nachhaltig planender Arbeitgeber handelt so nicht. Aber was ist an der sächsischen Personalpolitik schon nachhaltig? – Die Regierung plappert zwar von einem “intelligenten Personalentwicklungskonzept”.

Was da aber auf die sächsische Verwaltung zurollt, hat die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Eva Jähnigen, am 9. Januar schon einmal so formuliert: “Es ist unfassbar, wie das drängende Problem der Personalentwicklung im Freistaat Sachsen ignoriert, stattdessen aber sinnlose Behördenumzüge geplant und umgesetzt werden. Gutes Personal für die Landesverwaltung zu gewinnen und eine leistungsfähige Verwaltung zu erhalten, ist für die Koalitionsparteien offenbar nebensächlich”, beschrieb sie die durchaus beängstigend undurchdachte Entwicklung. “Tatsächlich werden wir in der Landesverwaltung in wenigen Jahren die gleichen Nöte wie im Schulbereich haben. Junge, gut ausgebildete Fachkräfte werden Sachsen verlassen, weil sie in den nächsten zehn Jahren keine Einstellungskorridore für eine Beschäftigung in der Verwaltung vorfinden. Die im Dienst befindlichen Beschäftigten quetscht man hingegen aus wie Zitronen. Das kann so nicht weitergehen.”

Die Streichung des Weihnachtsgeldes auch für Beamte, die nicht so gut verdienen wie Richter, ist da nur wie ein Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen zu bringen droht.

Die sächsischen Personalausgaben im Vergleich: www.sbb.de

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