Es ist erst einmal nur eine Ankündigung, dass die Mitteldeutsche Flughafen AG (MFAG) plant, den Vertrag von DHL am Flughafen Leipzig/Halle bis 2053 Jahre zu verlängern. Es ist auch nicht die erste Ankündigung dieser Art. Aber ohne den Großlogistiker DHL funktioniert das Frachtflughafen-Modell LEJ nicht. Und so verhandelt die MFAG schon seit Monaten mit DHL, denn der alte Vertrag, der DHL von Brüssel nach Leipzig geholt hat, rechnet sich für den Flughafen schon lange nicht mehr.
Da muss sich einiges ändern. Nur: Was hat die Geschäftsführung der Flughafen-AG in den neuen Vertrag hineinverhandelt?
Das ist noch völlig im Dunkeln. Auch wenn sich Gerhard Liebscher, Sprecher für Wirtschaft und Verkehr der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, erst einmal freut, dass es zur Vertragsverlängerung mit DHL am Flughafen Leipzig/Halle kommt: „Die angekündigte Vertragsverlängerung von DHL ist eine gute Nachricht für die Beschäftigten und die Wirtschaft in unserer Region. Der DHL-Standort in Leipzig ist ein weltweit wichtiges Drehkreuz, das auch dem Freistaat Sachsen und den vielen Unternehmen in unserem Land zugutekommt.“
Bis jetzt eine Black Box
Aber welche Verbesserungen der neue Vertrag für die Region und den Flughafen mit sich bringt, das verriet auch der in der LVZ veröffentlichte Artikel nicht. Und die Landtagsabgeordneten sind bislang auch völlig außen vor, was diese Vertragsverlängerung betrifft – obwohl der Freistaat Sachsen der Hauptanteilseigner an MFAG und Flughafen ist und gerade erst wieder mit einem Millionenzuschuss die Insolvenz des Flughafens abgewendet hat.
„Wir Bündnisgrüne denken aber auch an die vielen Menschen im Umfeld des Flughafens, die täglich mit dessen Lärm leben müssen. Der Flughafen Leipzig/Halle und DHL sind in der Pflicht, einen angemessenen Lärm- und Gesundheitsschutz zu gewährleisten“, betont Gerhard Liebscher.
„Hier bleiben die beiden Unternehmen bisher hinter den Erwartungen zurück. Die Einrichtung eines Fluglärmschutzbeauftragten auf unsere Initiative hin war ein erster Schritt, es muss nun mehr von der Seite der Unternehmen folgen. Der neue Vertrag zwischen der Mitteldeutschen Flughafen AG und DHL sollte unbedingt auch dazu genutzt werden, sich auf eine Verbesserung des Lärm- und Gesundheitsschutzes zu vereinbaren. Das steigert auch die Akzeptanz und trägt damit zu einer nachhaltigen Entwicklung des Flughafens bei.“
Aber das ist nicht das einzige Problem mit dem Flughafen und seinem Frachtfluggeschäft. Denn klimafreundlich ist das Ganze auch nicht. Von einer Klimaneutralität ist das Frachtfluggeschäft – trotz Träumen von neuartigen Treibstoffen – weit entfernt.
„Gleichzeitig sollten bei der Vertragsverlängerung auch die Bemühungen für mehr Klimaschutz eine zentrale Rolle spielen“, findet Liebscher. „Der Flughafen Leipzig/Halle hat sich als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen verpflichtet, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen. Es sind nun alle Beteiligten gefragt, die Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle zu einem Green Airport voranzutreiben und für die Transformation hin zu einem sauberen und effizienten Flughafen zu sorgen.“
Zahlt DHL jetzt mehr?
Und genauso steht die Frage, die Marco Böhme, Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag für Mobilität und Klimaschutz, stellt: Muss DHL mit dem neuen Vertrag mehr zahlen für die Nutzung des mit Steuergeldern gebauten Flughafens?
„Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die Flugentgelte für Logistikkonzerne wie DHL tatsächlich kräftig erhöht werden würden“, benennt Böhme das Hauptproblem, warum der Flughafen Leipzig/Halle nicht aus den Roten Zahlen kommt. „Neben dem Kampf gegen das Missmanagement könnte das die Finanzlage der staatlichen Mitteldeutschen Flughafen AG wesentlich verbessern. In Unkenntnis der Details muss ich aber befürchten, dass es sich wie bei der letzten Pseudo-Änderung um eine Mogelpackung handelt.“
Die zentrale Frage für ihn ist, ob es nun drastische Entgelt-Erhöhungen und ein Nachtflugverbot für ultra-laute Flugzeuge gibt.
„Lärmschutz-Ruhezeiten für die Anwohnenden müssen eingehalten werden und das Güterverkehrszentrums stärker für innereuropäische Schienentransporte genutzt werden, um Kurzstreckenflüge auszuschließen“, zählt Böhme auf.
„Geklärt werden muss zudem, ob künftig wirklich ausschließlich Expressfracht in der Nacht geliefert werden darf. Derzeit transportiert DHL einen Großteil nicht zeitkritischer Fracht in der Nacht, obwohl es dafür eigentlich keine Nachtflugerlaubnis gibt. Ebenso ist unklar, ob die Beschäftigten des Flughafens, die derzeit mit niedrigen Löhnen abgespeist werden, endlich vom ständigen Wachstum des Flughafens dauerhaft profitieren.“
Es mache ihn zudem fassungslos, dass die Staatsregierung und DHL offenbar selbstverständlich davon ausgehen, dass der Ausbau der Standflächen und damit eine Verdopplung der DHL-Flugzahlen genehmigt wird. Dass also der Flughafenausbau auch gegen alle Einsprüche der Kommunen rund um den Flughafen von der Landesregierung genehmigt wird, obwohl Amazon sein Leipzig-Engagement beendet, sodass der Ausbau vor allem DHL zugutekäme.
„Das hätte weitreichende Folgen für weitere Wohngebiete in Leipzig und Halle. Das Genehmigungsverfahren bei der Landesdirektion läuft. Diese muss sich an Klimaschutzvorhaben des Bundes halten“, findet Marco Böhme, weiß aber auch: „Letztlich ist das Verfahren höchst intransparent. Es kann nicht sein, dass solche weitreichenden Verträge am Parlament vorbei geschlossen werden. Die Staatsregierung muss sich gegenüber dem Parlament dazu erklären.“
Wer soll das bezahlen?
Noch deutlicher kritisiert die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ den beabsichtigen Deal.
„Es ist schon verwunderlich, dass das Management von DHL darauf drängt, einen Vertrag, der noch gute 14
Jahre läuft schon jetzt bis 2053! zu verlängern. Und es ist auch erstaunlich, dass der sich an der
Insolvenzgrenze befindliche Flughafen Leipzig-Halle Verträge eingeht, für dessen Grundlage die Gegebenheiten noch gar nicht feststehen können und auch die finanziellen Voraussetzungen nicht
abgesichert sind”, sagt deren Pressesprecher Matthias Zimmermann. „Die finanziellen Belastungen, die für
den Freistaat aus dem Flughafenbetrieb resultieren, findet man im Prognosebericht des Konzernabschlusses der MFAG 2022: ‘Die im Konzern erforderlichen Erhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen belaufen sich in den Geschäftsjahren 2023 und 2024 auf insgesamt 284,4 Mio. EUR sowie im 5-Jahres-Planungszeitraum (2023
bis 2027) auf insgesamt 766,7 Mio. EUR. Gegenwärtig sind hiervon 24,6 Mio. EUR vertraglich disponiert.
Nicht mit einbezogen wurden die maßgeblich für 2024 bis 2026 geplanten Maßnahmen im Zusammenhang mit dem DHL-Ausbauprojekt, da sich dieses derzeit noch im Planänderungsverfahren befindet.’
Zu den 766,7 Mio. € kommen aber noch die 500 Mio. € Ausbaukosten oben drauf zzgl. 45 Mio. € an
Infrastrukturförderung im Umfeld des Flughafens. Die Investitionssumme beläuft sich dann auf 1.311,7
Mio. €, ohne Preissteigerung. Mit 20 %iger Preissteigerungsrate sind das 1.574,04 Mio. €. Zudem muss eine aktuelle Finanzierungslücke in Höhe von 146 Mio. € geschlossen werden, wie kürzlich aus der Sächsischen Zeitung zu erfahren war.
Über den genauen Inhalt des Vertrages wird die Öffentlichkeit, wie bisher ja üblich, nichts erfahren – und die Parlamentarier nur das Allernötigste. Er soll offensichtlich noch von der alten Regierung durchgepeitscht werden, wohlwissend, dass diese bereits jetzt und nach der Wahl über keine Mehrheit verfügen wird.”
In wessen Interesse also wird da über einen Vertrag bis Mitte des Jahrhunderts verhandelt? Aus Zimmermanns Sicht ist das klar: „DHL-Aktionäre werden sich über ihre Dividenden freuen und Politiker über ihre Fehlentscheidungen wie immer keine Rechenschaft ablegen müssen bzw. werden sie wie so oft
beschwichtigen. Die Anwohner hier vor Ort allerdings, deren Kinder und ggf. sogar Enkelkinder, werden die
Folgen eines gigantischen Lärmteppichs und einer finanziellen Überschuldung zu spüren bekommen.
Auch jene, die sich bisher in ‘Sicherheit’ wähnen.”
Keine Kommentare bisher