Verpeilte Ausbaupläne, falsche Prognosen, verprellte Anwohner, düpierte Kommunen, Dumping-Preise bei den Landeentgelten … Jahrelang wirtschaftete die Mitteldeutsche Flughafen AG in den Roten Zahlen. Die jahrelange Billighuberei hat jetzt Folgen: Die Flughafengesellschaft droht in die Insolvenz zu segeln und braucht dringend frisches Geld, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Die Grünen haben dazu im Leipziger Stadtrat jetzt noch eine ganze Menge Fragen mehr.

Nach diversen Medienangaben – u.a. hier im MDR – steht die Mitteldeutsche Flughafen AG (MFAG) kurz vor der Insolvenz und es braucht eine neuerliche staatliche Finanzspritze von etwa 100 Millionen Euro, wovon rein anteilsbezogen auf die Stadt Leipzig mindestens 2 Millionen Euro zukommen würden. Allerdings besteht offenbar aus Sicht der Landesregierung die Absicht, dass sich auch die betroffenen sächsischen Kommunen als (vermeintliche) Hauptprofiteure der jeweiligen Flughäfen maßgeblich an der Finanzierung beteiligen.

Bereits 2011 beantragte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, mit der Sächsischen Landesregierung über die Übernahme der durch eine Reduzierung der Flughafenanteile der Stadt Leipzig von 2,1 % auf 0,2 % frei werdenden 1,9 % durch die Sächsische Landesregierung zu verhandeln. Die Stadt Halle hat bereits vor Jahren ihren Anteil am Flughafen Leipzig/Halle auf 0,2 % reduziert und so den jährlichen Zuschuss deutlich verringern können. Der Stadtrat lehnte den Antrag unserer Fraktion im März 2012 mit breiter Mehrheit ab.

Auch Leipzig zahlt zu

„Bereits damals, vor mittlerweile 13 Jahren, machte unsere Fraktion deutlich, dass die Stadt Leipzig den Flughafen Leipzig (und auch den Flughafen Dresden) über die Mitteldeutsche Flughafen AG bis dato mit ca. 80 Millionen Euro subventioniert hatte“, stellt Bert Sander, Stadtrat und flughafenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, fest.

„Allein im Zeitraum von 2009 bis 2011 waren 5,2 Millionen Euro an Steuermitteln aus dem Haushalt der Stadt Leipzig an die MFAG geflossen. Bis heute dürften noch viele weitere Millionen dazugekommen sein. Trotz dieser allein bis 2011 über 80 Millionen Euro Steuermitteln haben die Vertreter der Stadt Leipzig in den Aufsichtsräten der MFAG keinen nennenswerten bzw. nachhaltigen Einfluss auf die Strategie bzw. Entscheidungen des Flughafens ausüben können.“

Herr Bert Sander (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 16.11.23. Foto: Jan Kaefer
Bert Sander (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 16.11.23. Foto: Jan Kaefer

So seien etwa die Forderungen der Stadt Leipzig, darunter zahlreiche Stadtratsbeschlüsse zum bzw. gegen den weiteren Flughafenausbau, bislang ohne Ergebnis geblieben bzw. ignoriert worden.

„An der Sachlage hat sich auf bis zum heutigen Tag im Jahr 2024 nichts Grundlegendes geändert“, so Sander. „Stattdessen wurde im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens mit falschen Lärmwerten gearbeitet. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die zugrundeliegende Bauplanung von erheblich geringeren Lärmbelastungen für ihre Anwohner/-innen bzw. von einem wesentlich kleineren Nachtlärmgebiet ausgeht – und also der Stadt Leipzig und ihren Bürger/-innen fälschlicherweise erheblich weniger Belastungen verspricht.“

Ein umstrittenes Planfeststellungsverfahren

Da ist es eher kein Zufall, dass in der Ratsversammlung am heutigen Mittwoch, 19. Juni, auch der schon länger im Verfahren befindliche Antrag VII-A-09942 der Grünen-Fraktion (Antrag auf Wiederholung des Planfeststellungsverfahrens „Ausbau des Verkehrsflughafen Leipzig/Halle, Start- und Landebahn Süd mit Vorfeld“, 15. Planänderung) zur Abstimmung kommen wird.

Denn die falschen Werte zur Lärmbelastung im Planfeststellungsverfahren machen das laufende Verfahren völlig obsolet. Es müsste also vollkommen neu begonnen werden. Es sei denn, der Freistaat Sachsen stellt das Verfahren endgültig ein, weil so ein Ausbau an einem derart defizitären Flughafen ökonomisch überhaupt keinen Sinn ergibt.

Herr Tobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 23.05.24. Foto: Jan Kaefer
Tobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 23.05.24. Foto: Jan Kaefer

„Das Thema ist zu wichtig, um es auszusitzen und dem Stadtrat vorbei zu führen“, sagte Dr. Tobias Peter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, am Dienstag. „Im gestrigen Finanzausschuss wurde dazu keine Silbe verloren.

Unsere Fraktion erwartet, dass die morgige Stadtratssitzung dafür genutzt wird, um Antworten auf die sich aufdrängenden Fragen zu den Konsequenzen der drohenden Pleite für unsere Stadt und unseren kommunalen Haushalt zu erhalten. Da die Frist für eine dringliche Anfrage nicht einhaltbar war, erwarten wir vom Oberbürgermeister, das Thema und unsere Fragen in den Mittelpunkt seines Berichtes in der morgigen Ratsversammlung zu stellen.“

Die Fragen der Grünen

1.    Wie haben sich die kommunalen Zuschüsse der Stadt Leipzig an die MFAG seit 2011 entwickelt (bitte jahrgenau auflisten)?
2.    Welche Zuschusszahlung steht zur Abwendung der Insolvenz im Raum?
3.    Sind die Start-/Landeentgelte für DHL und Co. noch zeitgemäß und welche Möglichkeiten der Neuausrichtung bestehen aktuell und mittelfristig?
4.    Stehen die Stadt nach wie vor zu Ihrer Auffassung, dass der Flughafen Leipzig/Halle der Stadt Leipzig und damit den steuerzahlenden Bürger*innen mehr Nutzen als Kosten und Lasten bringt und woran machen Sie das konkret monetär fest?
5.    Seit wann hat der Oberbürgermeister als Gesellschaftervertreter Kenntnis von der Situation?
6.    Wie und wann hat der Oberbürgermeister Einfluss genommen, diese Situation abzuwenden?
7.    Welchen Einfluss hat die finanzielle Situation auf die geplanten Ausbaupläne?
8.    Warum wird der Vertrag mit DHL weiterhin eisern unter Verschluss gehalten?

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Wer kam eigentlich nach der Wende auf die glorreiche Idee, den Flughafen in der Mitte einer 1,2 Millionen Einwohner Metropolregion zu belassen? Egal wie der Wind steht, egal von welcher Seite angeflogen wird, es nervt immer Zehntausende Menschen in der Nacht und diese hochsubventionierten Niedriglohnsklavenjobs verfestigen eigentlich nur den prekären Status auf Jahrzehnte.

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