Was kann und darf ein Oberbürgermeister verraten, wenn er für die Stadt Leipzig im Aufsichtsrat der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG) sitzt und das Drama um die Roten Zahlen des Flughafens Leipzig/Halle quasi live miterlebt? Ein Drama, das in der vergangene Woche durch Meldungen neu bebildert wurde, dass der Flughafen dringend 145 Millionen Euro frisches Geld braucht, um die Insolvenz abzuwenden. Die Zahl stimmt, bestätigte OBM Burkhard Jung am 20. Juni in der Ratsversammlung.

100 Millionen Euro müssen demnach die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt zuschießen, damit der Flughafen weitere 45 Millionen Euro bei den Banken aufnehmen kann. Damit sei der Betrieb des Flughafens Leipzig/Halle für die nächsten Jahre gesichert, sagte Burkhard Jung. Leipzig werde beim jetzigen Stand – obwohl ebenfalls Anteilseigner – nicht zur Kasse gebeten.

Denn eigentlich sei das Geld kein Verlustausgleich, sondern ein Zuschuss, der wohl auch europarechtlich abgesichert sei. Also kein Löcherstopfen für ein defizitäres Unternehmen?

Da gab sich am 20. Juni nicht nur Burkhard Jung Mühe zu erklären, dass das zweistellige Millionenminus, welches die Flughafengesellschaft seit Jahren ausweist, keine Betriebsverluste sind, der Flughafen also betrieblich keineswegs im Minus wirtschaften würde.

Auch FDP-Stadtrat Sven Morlok, bekanntlich in der Vergangenheit ja auch mal sächsischer Wirtschaftsminister und damit auch für den Flughafen Leipzig/Halle zuständig, versuchte zu erklären, warum zum Beispiel bei der Leipziger Gruppe (LVV) ähnlich hohe Investitionen aufschlagen, aber durch eine andere Abrechnung am Jahresende ein Plus in der Unternehmensbilanz steht und kein Minus wie beim Flughafen Leipzig/Halle.

Was vor allem daran liege, dass die LVV ihre Bilanz nach EBIDTA vorlegt – also das Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Anders die MFAG, die die Abschreibungen mit ins Betriebsergebnis schreibt. Da aber nach den Milliardeninvestitionen in den vergangenen 25 Jahren jedes Jahr – handelsrechtlich, so Morlok – zweistellige Millionenbeträge abgeschrieben werden müssen, weist das Ergebnis der MFAG genauso regelmäßig ein zweistelliges Millionenminus aus.

Rein betriebswirtschaftlich, so Jung, schreibe der Flughafen schwarze Zahlen. Der Flug- und Frachtbetrieb rechne sich also.

Was aber im Effekt bedeutet, dass die Bau- und Ausbaukosten eben doch bei den Flughafeneignern – vor allem den Bundesländern Sachsen und Sachsen-Anhalt – hängen bleiben.

Für den Wirtschaftsstandort unentbehrlich

Wobei Jung eine Lanze dafür brach, die Bedeutung des Flughafens für den Wirtschaftsstandort Leipzig nicht zu unterschätzen. Es sähe wirtschaftlich hier wirklich düster aus, wenn es den Flughafen mit seinen internationalen Anbindungen nicht gäbe. Weshalb es auch so wichtig sei, dass die Flugverbindung der Lufthansa nach München im Herbst wieder aufgenommen werde.

Nicht weil es so schön wäre, mit dem Flugzeug zum Shoppen nach München zu fliegen, sondern weil Leipzig so eben auch für Messe- und Kongressteilnehmer ans internationale Flugnetz angeschlossen sei. Die Messe bekäme erhebliche Probleme ohne diese Verbindung.

Er stimmte dabei Anna Schneider-Kaleri aus der Grünen-Fraktion zu, die darauf hinwies, dass es von Leipzig eine komfortable Zugverbindung nach München gibt, mit der man in dreieinviertel Stunden in der bayerischen Landeshautstadt wäre.

Eine unbeantwortet gebliebene Frage

Aber Grünen-Stadtrat Bert Sander wollte natürlich noch wissen, wie viel Geld Leipzig in den letzten zehn Jahren in den Flughafen gepumpt hätte. 4,5 Millionen Euro seien es gewesen, so Jung, alle auch vom Stadtrat so abgesegnet. Plus 390.000 Euro Corona-Beihilfen 2020. Und – betonte er – das sei gut angelegtes Geld für die Region.

Doch wie steht es nun um die Bemühungen, die Lärmbelastung am Flughafen endlich zu senken und auch den Flughafen aus den Roten Zahlen zu bringen? Bei beidem, so Jung, sei man auf einem guten Weg. Speziell zu den heiß umstritteneren Start- und Landeentgelten, die gerade erst neu beschlossen worden waren und die Linke-Stadtrat Michael Neuhaus nach wie vor für Dumping-Entgelte gegenüber anderen deutschen Flughäfen hält, sagte Jung, dass es auch da Bewegung gäbe.

Auch mit dem Hauptnutzer des Frachtflughafens, DHL. Obgleich die Verträge mit DHL trotzdem nicht öffentlich werden, würden diese – so Jung – tatsächlich angepasst.

Helfen würde auch das beschlossene Konsolidierungspaket für die Flughafengesellschaft. Zu den auch medial heftig kritisierten Honorarerhöhungen von Flughafen-CEO Götz Ahmelmann sagte er lieber nichts.

Und eine ganz zentrale Frage, welche die Grünen in ihrem Fragepaket gestellt hatten, ließ er gänzlich unbeantwortet: „Welchen Einfluss hat die finanzielle Situation auf die geplanten Ausbaupläne?“

Denn dass der Flughafen Leipzig/Halle für die Ökonomie der Region eine zentrale Rolle spielt, ist das eine. Aber lässt sich damit auch ein Ausbau des Airports rechtfertigen, der deutlich mehr als die vom Flughafen avisierten 500 Millionen Euro kosten wird?

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