Die Linksfraktion im Sรคchsischen Landtag beantragt, die Regierungskoalition lehnt ab. Es ist das alte Spiel. Das erwischt dann auch Antrรคge, die eigentlich auf regionaler Ebene auch von anderen Parteien unterstรผtzt werden. So wie die Grรผndung eines lรคnderรผbergreifenden Dialogforums zum Flughafen Leipzig/Halle. Genau das hatte die Linksfraktion im Landtag im Januar beantragt. Am Dienstag, dem 16. April, wurde das Anliegen im Wirtschaftsausschuss abgelehnt.
Hintergrund ist nicht nur die wirkungslose Arbeit der Fluglรคrmkommission, in der alle Anliegen, den (nรคchtlichen) Fluglรคrm am Flughafen Leipzig Halle irgendwie zu reduzieren, seit Jahren ins Leere laufen, weil sie von Staatsregierung und Flughafennutzern abgelehnt werden. Auch das Leipziger Dialogforum ist im Grunde gescheitert, weil es keine bindenden Beschlรผsse fassen kann und auch gar nicht alle vom Fluglรคrm Betroffenen einschlieรt.
Die Lรถsung kรถnnte nach dem Vorbild des Flughafens Frankfurt ein Dialogforum bilden, das wirklich reprรคsentativ fรผr alle Betroffenen ist und befรคhigt dazu, real tragfรคhige Kompromisse auszuhandeln. Etwas, was immer drรคngender wird, seit der Flughafen seine massiven Ausbauplรคne bekannt gegeben hat, mit denen vor allem der (nรคchtliche) Frachtflugverkehr noch einmal zunehmen soll.
Einwรคnde werden ignoriert
Das sorgt in Westsachsen nicht nur fรผr Diskussionen. Tausende Einwendungen betroffener Bรผrgerinnen und Bรผrger und der vom Lรคrm betroffenen Kommunen zeigen, dass die Ausbauplรคne so nicht vermittelbar sind. Gleichzeitig haben nicht nur die Bรผrgerinitiativen, die sich gegen die Lรคrmbelastung engagieren, das Gefรผhl, dass ihre Stimmen vรถllig ignoriert werden.
Um ein Forum zu schaffen, bei dem alle Seiten vertrauensbildend, gleichberechtigt und transparent kommunizieren kรถnnen, schlug die Linksfraktion deshalb die Einrichtung eines รถffentlichen Dialogforums vor (Drucksache 7/15501). Diesen Vorschlag haben alle anderen Fraktionen nun am Dienstag, dem 16. April, im Wirtschaftsausschuss abgelehnt.
โSeit vielen Jahren wehren sich Bรผrgerinitiativen gegen den zunehmenden Lรคrm am Flughafen Leipzig/Halle. Der Flughafen ist lรคngst nicht mehr allein eine wirtschaftliche Erfolgsstory. Es mehren sich Bedenken, weil er die Gesundheit vieler Menschen und das Klima schรคdigtโ, stellt dazu der mobilitรคtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Marco Bรถhme, fest.
โDas Agieren der Flughafengeschรคftsfรผhrung und der Staatsregierung scheint angesichts dessen aus der Zeit gefallen: Durch das Ausbauvorhaben sollen die Flugbewegungen noch einmal deutlich zunehmen, vor allem in der Nacht. Dies ist fรผr die von Lรคrm betroffenen Menschen vor Ort blanker Hohn.โ
Verspieltes Vertrauen
Doch die existierenden vermittelnden Gremien wie das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle der Stadt Leipzig oder die Fluglรคrmkommission des Freistaats hรคtten lรคngst das Vertrauen zentraler Akteure verloren, stellt Bรถhme fest.
โEs wird angezweifelt, dass diese Gremien einen ehrlichen Interessenausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Flughafenbetreibers und der ansรคssigen Unternehmen auf der einen sowie den Umwelt- und Gesundheitsinteressen der Bevรถlkerung und von Umweltgruppen auf der anderen Seite herstellenโ, sagt er. โDabei sind Dialog und Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen besonders wichtig, um die Akzeptanz des Flughafens und den gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht zu gefรคhrden. Wir schlagen daher ein Forum vor, das diese Lรผcken fรผllt.โ
Der Freistaat kรถnne seine Ausbauplรคne nicht einfach stur durchziehen, ohne mit den Betroffenen vor Ort zu einem ehrlichen Interessenausgleich zu kommen. Deswegen sei die Voraussetzung fรผr ein ehrliches Mediationsverfahren, dass das Ausbauvorhaben ausgesetzt wird.
โDie Staatsregierung muss im Namen des Freistaats als Mehrheitsgesellschafter den Ausbauantrag zurรผckziehenโ, fordert Marco Bรถhme. โNur dann hรคtte es Aussicht auf Erfolg, die zentralen Akteure wieder in ein konstruktives Gesprรคch zu bringen.โ
Und bei der Gelegenheit erinnert er an die Erfahrungen des Flughafens Frankfurt (Main).
โDort war das Ausbauvorhaben im Jahr 2000 mit einem Mediationsverfahren verbunden. Ergebnis: Ausbau ja, aber gleichzeitig Einfรผhrung eines Nachtflugverbotsโ, benennt Bรถhme den mรถglichen Kompromiss, der eben auch die Frage in den Raum stellt, ob der Flughafen eigentlich fรผr die Region da ist oder nur fรผr einige wenige auf ihren Profit bedachte Frachtfluggesellschaften, die Halle/Leipzig als billige Express-Drehscheibe benutzen.
Update, 17. April:
Die Position von Bรผndnis 90 / Die Grรผnen
โWir Bรผnsnisgrรผne engagieren uns fรผr ein echtes Mediationsverfahren zum Ausbau und zur Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle. Ein wirklicher Interessenausgleich und eine spรผrbare Verbesserung des Lรคrmschutzes kรถnnen nur erreicht werden, wenn alle Beteiligten auf Augenhรถhe gleichberechtigt an einem Tisch sitzenโ, erklรคrt Gerhard Liebscher, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bรผbnis 90 / Die Grรผnen im Sรคchsischen Landtag. โDas Mediationsverfahren zum Ausbau des Flughafens Frankfurt (Main) ist dafรผr ein gutes Beispiel. Im Dialog mit dem Flughafenbetreiber und den Fluggesellschaften wurde 2007 รผber die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus ein weitreichender Lรคrmschutz beschlossen und anschlieรend umgesetzt โ unter anderem durch ein Nachtflugverbot und eine Lรคrmkontigentierung fรผr die Bevรถlkerung. Ein รคhnliches Mediationsverfahren auch fรผr die Region Leipzig/Halle anzuwenden, ist in der Koalition derzeit leider nicht realisierbar.โ
Der von der Fraktion Die Linke vorgelegte Antrag fordere kein Mediationsverfahren, sondern ein Beteiligungs- und Dialogforum nach dem Vorbild des Umwelt- und Nachbarschaftshauses (UNH) Frankfurt (Main). Das Umwelt- und Nachbarschaftshaus Frankfurt (Main) habe aber nicht die Aufgabe eines Mediationsforums, sondern sei eine Anlaufstelle fรผr Bรผrgerinnen und Bรผrger, setze den Dialog fort und sei fรผr das Monitoring der vereinbarten Maรnahmen nach der Mediation zustรคndig.
Am Flughafen Leipzig/Halle brรคuchte es aus Sicht der Grรผnen aber zuallererst den Mediationsprozess zur Erarbeitung eines Interessensausgleichs bzw. Anti-Lรคrm-Paktes. Dabei kรถnne ein Dialogforum nach dem Vorbild des Umwelt- und Nachbarschaftshauses ein Ergebnis, aber nicht der Anfang sein. Denn so wรผrde der letzte Schritt vor dem ersten gemacht. Die Grรผndung des Umwelt- und Nachbarschaftshauses war in Frankfurt einer von zwรถlf Punkten des Anti-Lรคrm-Paktes, der infolge des Mediationsverfahrens entstand.
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