Die deutschen Bauern sind unter Druck. Und das nicht erst, seit die Bundesregierung ankündigte, ihnen ein paar Subventionen streichen zu wollen. Das war nur noch der Anlass, dass einige empörte Bauern nun meinten, zum großen Protest aufrufen zu müsssen. Und diesen trotz der teilweisen Rücknahme der angekündigten Kürzungen im Agrarbereich am Montag und Dienstag durchzogen.

Dabei hat die Landwirtschaft ganz andere, politisch verursachte Probleme.

Das thematisierte noch in der vergangenen Woche die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V. Sie begrüßte die von der Regierung angekündigte Rücknahme der Streichung der KFZ-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft als ein wichtiges Signal an die Bäuerinnen und Bauern. Sie rief die Bundesregierung auf, auch die weiterhin geplante Kürzung der Dieselrückvergütung zu streichen oder diese mindestens nach sozialen und agrarstrukturellen Kriterien zu staffeln.

Sollte es zu Streichungen kommen, müssten die Gelder auch weiterhin in der Landwirtschaft verbleiben und für deren sozialen und ökologischen Umbau genutzt werden.

Die Probleme liegen viel tiefer

Die AbL zeigte davon überzeugt, dass die Ursachen der aktuellen und angekündigten Proteste vieler Bäuerinnen und Bauern sehr viel tiefer liegen als in den bisher geplanten Streichungen der KFZ-Steuerbefreiung und der Dieselrückvergütung selbst. Die Bundesregierung müsse jetzt das Ruder in der Agrarpolitik im Sinne der Empfehlungen der Borchert– und Zukunftskommission Landwirtschaft herumreißen.

Beide Kommissionen haben klare Vorschläge vorgelegt, wie die deutsche Landwirtschaft zukunftsfähig gemacht werden kann. Die AbL hat selbst einen 6-Punkte-Plan vorgelegt, der Lösungen für die gravierendsten Probleme in der Landwirtschaft vorschlägt.

1. Bäuerinnen und Bauern endlich in die Lage versetzen, mit dem nachgelagerten Bereich auf Augenhöhe zu verhandeln!

2. Einführung einer Tierwohlabgabe zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung in Richtung artgerecht und umweltverträglich!

3. Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes beim Landkauf für Akteure mit stark überdurchschnittlichem Landbesitz!

4. Einkommenswirksame Ausgestaltung der Prämien für Umweltleistungen innerhalb der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union!

5. Umverteilung der GAP-Prämien zur „Einkommensstützung“ hin zu Betrieben mit tatsächlichem Bedarf!

6. Sicherung der Gentechnikfreiheit zur Vermeidung von Einkommensverlusten!

„Die Bundesregierung muss endlich die Ursachen des Frustes so vieler Bäuerinnen und Bauern an der Wurzel packen, indem sie auf den Betrieben für Wertschöpfung sorgt. Der notwendige Umbau in der Landwirtschaft muss mit wirtschaftlichen Perspektiven für die Höfe verbunden werden“, sagte dazu Martin Schulz, Bundesvorsitzender der AbL.

„Die AbL fordert von der Bundesregierung deswegen die kurzfristige Umsetzung von sechs Maßnahmen und ruft für den 20. Januar im Zuge der ‚Wir haben es satt‘-Demonstration für einen grundsätzlichen Wandel in der Agrarpolitik auf. „

BUND Sachsen: Wie brauchen eine nachhaltige Landwirtschaft

„Es ist erstaunlich, wie schnell die Bundesregierung ihre Pläne zur Streichung eines kleinen Teils der Subventionen für die Landwirtschaft wieder zurückzunehmen versucht. Solche Pläne sowie die Anhebung des CO₂-Preises sind entgegen den Äußerungen der Bauern- und Handwerkerverbände weder unsozial noch unwirtschaftlich.

Eine Fortführung des fossil basierten Wirtschaftens hat mittel- und langfristig bei weitem höhere Kosten und trifft Ärmere stärker“, kommentierte Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, die Reaktion der Bundesregierung auf die Bauernproteste.

Dass die Bauern- und Handwerkerproteste ausgerechnet darauf abzielen, die notwendigen Schritte hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise zu verlangsamen – mit absehbar ökologisch, aber auch ökonomisch und sozial sehr negativen Folgen –, findet er ausgesprochen besorgniserregend.

Das flächendeckende Subventionieren der bisherigen fossilen Produktionsweise trotz der wirtschaftswissenschaftlich einhellig diagnostizierten hohen Kosten wirken für ihn wie aus der Zeit gefallen. Öffentliche Gelder sollten künftig allein für öffentliche Leistungen gezahlt werden, etwa wenn Landwirte Naturschutzmaßnahmen oder einen besseren Tierschutz verwirklichen.

„Ökonomisch unter Druck sind auch nicht alle Landwirte – die Agrarfabriken sind es keineswegs“, stellt Ekardt etwas fest, was in der aufgeheizten Debatte immer wieder übersehen wird. „Es geht allein um die Kleinbauern. Natürlich müssen diese auskömmlich wirtschaften können. Der Weg dahin geht jedoch nicht über Subventionen, mit denen wir die Schädigung anderer Menschen durch Verschärfung der Klima- und Biodiversitätskrise noch gesellschaftlich entlohnen. Der Weg geht vielmehr über angemessene Lebensmittelpreise.

Diese können die Verbraucher/-innen, wenn die hohe Lebensmittel-Wegwerfrate überwunden und stärker fleischarm, saisonal und regional gegessen wird, auch mindestens teilweise kostenmäßig auffangen. Und ein höherer CO₂-Preis beschleunigt die Etablierung von erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Energiesparen. Damit stehen wir alle auch wirtschaftlich auf Dauer besser da, als wenn wir in die absehbaren Preisspiralen der fossilen Brennstoffe hineinlaufen.“

Besonders inkonsistent sei es, so Ekardt, wenn Bauernproteste, sogar nachdem deren Forderungen bereits weitgehend nachgegeben worden war, öffentlich gefeiert, gleichzeitig aber Klimaproteste weiter negativ diskutiert werden. Der BUND Sachsen sieht auch ansonsten die offene Gesellschaft mehr und mehr bedroht.

„Es gefährdet die Demokratie in Europa – die durch den russischen Angriffskrieg und seine drohende Ausweitung sowie die drohende Wiederwahl von Trump als US-Präsident ohnehin auf des Messers Schneide steht –, wenn politische Meinungsverschiedenheiten zunehmend nicht mehr durch Diskussionen, Kompromisse und Mehrheitsentscheidungen gelöst werden, sondern in Kulturkämpfe übergehen“, sagt Ekardt.

Gescheiterte Haushaltstricks

Und dass die Bauern dabei eigentlich auch nur Bauernopfer einer völlig sinnlosen Schuldenbremse geworden sind, thematisiert Michael Neuhaus, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat.

Denn zu den geplanten Streichungen kam es ja erst, nachdem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit dem Versuch, die von ihm gepriesene Schuldenbremse mittels eines Tricks zu umgehen, gescheitert ist, die CDU mit ihrer Klage gegen das Klimapaket Erfolg hatte und auf einmal 60 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fehlten. Da suchte dann die Bundesregierung händeringend nach Geld.

Im Zuge dieser Haushaltsdebatte sollten auch Subventionen (Agrardiesel und KFZ-Steuerbefreiung) an Landwirte gestrichen werden. Obwohl die Sparmaßnahmen nach dem Protest der Bäuerinnen und Bauern bereits teilweise zurückgenommen wurden, demonstrieren diese weiter.

Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat teilt einerseits die Sorge der Landwirte, fordert aber einen grundlegenden Politikwechsel hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, die gar nicht erst auf Subventionen angewiesen ist.

„Die diskutierte Abschaffung der Agrarsubventionen mag der Anlass für die Bauernproteste gewesen sein, sie ist aber nicht der Grund“, erklärte dazu Michael Neuhaus, umweltpolitischer Sprecher der der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat. „Landwirte sehen sich heutzutage gezwungen, Lebensmittel so billig zu produzieren, dass sie kaum ihre Kosten decken können. Ackerfläche ist zum Spekulationsgut geworden, immer mehr Landwirtschaftsbetriebe werden von landwirtschaftsfremden Investoren aufgekauft.“

Für ihn ist klar: „Damit bedrohen wir die Hand, die uns füttert und ruinieren die Ökosysteme, die Landwirtschaft überhaupt erst möglich machen. Es verlieren die Landwirte, es verlieren die Konsumentinnen und Konsumenten, es verliert die Natur. Es gewinnen vor allem die Lebensmitteldiscounter, Konzerne und Investoren. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Sparmaßnahmen verschärfen die Probleme in der Landwirtschaft.

Doch die Rücknahme der Sparmaßnahmen allein wird diese katastrophalen Missstände nicht lösen. Die Produktion unserer Lebensmittel ist zu wichtig, um sie allein dem Markt und somit dem Tollhaus von Konzernen und Investoren zu überlassen.“

Daher fordere die Linke einen grundlegenden Politikwechsel in der Agrarpolitik – hin zu einem System, in welchem die sichere und nachhaltige Produktion von Lebensmitteln und gute Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft oberste Priorität haben.

„Diese Forderungen haben wir im Oktober letzten Jahres auch in der Vergaberegelung für landwirtschaftliche Flächen der Stadt Leipzig verankert“, so Neuhaus. „Auch das zugehörige Landwirtschaftskonzept, welches sich derzeit noch in der Bearbeitung befindet, wird unsere Fraktion genau prüfen und gegebenenfalls nachbessern.“

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Es gibt 6 Kommentare

Ich höre immer nur: Geld für die Bauern!

Was ist mit der Grundlage ihres Handelns: Boden und Tierwelt?

Stichworte:
Gülleverbot als Dünger,
Glyphosatverbot,
Verpflichtung zur Erhaltung der Biodiversität,
Bezahlung des von den Bauern entnommenen Grundwassers.

Alles dies wird von den Bauern abgelehnt, ist aber wichtig für uns alle.
Warum soll eigentlich die Allgemeinheit in Form von Subventionen den Gewinn der Bauern bezahlen?

Lieber Gerd!
Das viele Lebensmittel in Wirklichkeit viel teurer sind als die in deutschen Supermärkten aufgerufenen Preise ist
für „Engagierte“ (Grüße gehen raus an Urs und Sebastian 😉) ein alter Hut.
Deshalb zahlen viele Menschen ja auch schon seit Jahren bereitwillig mehr.

Wie schön, dass Sie jetzt auch mal anfangen darüber nachzudenken, woher eigentlich unser aller Essen so kommt und was es gesamtwirtschaftlich kostet.

Ihr letzter Satz ist mal wieder großartig: „ Die gerademal in der Regierungsverantwortung stehenden Ampel wird nur nachvollzogen…“
Ganz wichtig sind da natürlich die 3 Punkte am Satzende. Die lassen immer Tiefe, Witz und Größe erahnen, gelle?

Leider nicht bei Ihnen. Sie sind einfach nur ein Populist.

Ich schließe mich nicht an. Der Artikel führt sehr viele Dinge auf , die überwiegend nichts miteinander zu tun haben. Warum kosten heute normale Lebensmittel im Supermarkt soviel wie vor fünf Jahren im Bioladen? Das ist ein weltweites Phänomen, was in den entscheidenden Etagen des kapitalistischen Finanzsystems so entschieden worden ist. Die gerademal in der Regierungsverantwortung stehenden Ampel wird nur nachvollzogen…

Den Anmerkungen von Rudi und Christian schließe ich mich an.

Die CDU trägt in dieser Debatte meines Erachtens nach die politische Hauptschuld.

Korrekt. Vor allem die CDU lässt hier tief blicken, die mit dem Mistgabelplakat die Stimmung noch weiter anheizt. Schaut man auf die Historie der Landwirtschaftspolitik in Deutschland zurück, sieht man vor allem CDU/CSU und FDP-geführte Ministerien. Die gewachsene Misere hat also auch Väter und Mütter. Viele Punkte in dem obigen Artikel wären nötig, um die Agrarpolitik auf einen guten Weg zu bringen. Mit Steuergeschenken löst man diese Probleme nicht, man vertagt sie.

Die Streichung hat nicht unbedingt was mit dem Haushaltsproblem zu tun. Anfang 2023 hat der Bundesrechnungshof die Kfz-Steuerbefreiung und auch die Agrardiesel-Subvention scharf kritisiert. Der zuständige Ausschuss hatte daher einstimmig beschlossen diese Subventionen zu kürzen. Alle Mitglieder des Ausschusses haben zugestimmt. Auch die jetzt hier plötzlich auf der Seite der Bauern demonstrieren.
https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/wirtschaft/bundesrechnungshof-landwirte-kfz-steuer-100.html

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