Das Anliegen war klar und wurde so auch von den meisten Fraktionen im Stadtrat geteilt: Wenn es um den Aufbau alternativer Energieanlagen geht, wird dazu allein für den Leipziger Bedarf das Stadtgebiet von Leipzig nicht reichen. Die Stadt braucht Partner im Umland, die Flächen für solche Anlagen zur Verfügung stellen. Die Linksfraktion packte das in einen Antrag, war dann aber doch etwas zu detailliert.

Was nur zu verständlich ist, denn die Probleme, die Linke-Stadtrat Michael Neuhaus in seiner Rede zum Antrag benannte, werden ja überall diskutiert. In diesem Fall: In welchem Gremium finden eigentlich die Abstimmungen statt? Reden die Stadt Leipzig und die Landkreise überhaupt darüber? Und wie kann man die Gemeinden, die dann Grund und Boden für Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung stellen, dafür entschädigen oder sie beteiligen?

Und es geht um nicht wenig Platz, wie die Linksfraktion in ihrem Antrag aus der Fachplanung der Stadt Leipzig zitiert: „Eine erste Grobabschätzung der Leipziger Stadtwerke (LSW) ergab, dass für eine 50%-Deckung des aktuellen Strombedarfs der Stadt Leipzig, entweder 1.000 ha Photovoltaik in Form von Freiflächenanlagen oder 55 Windenergieanlagen errichtet werden müssten.“

Wo findet das alles seinen Platz?

Was die Fraktion dann dazu brachte, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie man trotzdem schnellstmöglich zu arbeitsfähigen Strukturen kommt. Denn mittlerweile rennt die Zeit davon. Der Klimawandel macht Druck. Und auch wenn Leipzig erst 2040 die Klimaneutralität erreichen will, heißt das, dass zum Aufbau einer alternativen Energieversorgung nur noch 16 Jahre zur Verfügung stehen.

„Gerade in Großstädten, wie Leipzig, sind dafür jedoch kaum Flächen vorhanden. Hinzu kommen Konkurrenzen hinsichtlich der Nutzung der noch freien Flächen für Naturschutz, Erholung, erneuerbare Energien, u.v.m“, formulierte es die Linksfraktion. „Eines ist deswegen klar. Alleine werden sich die Städte nicht mit erneuerbaren Energien versorgen können. Der Ausbau wird auch im ländlichen Raum stattfinden müssen.

Die Stadt Leipzig sollte daher zeitnah einen Verständigungsprozess mit den Umlandkreisen schaffen. Ziel ist es, gemeinsam den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Durch die gemeinsame Planung und Durchführung von Projekten kann einerseits das Flächendefizit der Stadt Leipzig geschlossen und andererseits die Akzeptanz für Projekte im ländlichen Raum verbessert werden.

Um dem ländlichen Raum etwas zurückzugeben und die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land zu unterstützen, sollten die betroffenen Umlandkommunen grundsätzlich an den Gewinnen solcher Projekte beteiligt werden.“

Es gibt doch schon ein Gremium

Aber der letzte Punkt traf dann eben nicht auf ungeteilte Zustimmung, auch wenn Michael Neuhaus betonte, dass die Stadt selbst die Wahl habe, ob sie bestehende Gremien zum Gespräch mit den Landkreisen nutzen wolle. Ein solches Gremium aber gibt es schon, wie SPD-Stadtrat Andreas Geisler und CDU-Stadträtin Sabine Heymann erklärten: Das ist der Regionale Planungsverband Westsachsen.

Dort muss tatsächlich – einvernehmlich mit den Umlandgemeinden – geklärt werden, welche Flächen für welche Nutzungen reserviert werden. Dass dort Windkraftvorrang-Gebiete ausgewiesen werden müssen, ist sogar der Klassiker. Auch wenn der RPV meist sehr lange braucht, um solche einvernehmlichen Planungsprozesse abzuleisten. Ob ein neues, gesondertes Gremium schneller wäre, darf man wohl bezweifeln.

Trotzdem drängt die Zeit.

Keine zusätzlichen Verpflichtungen für die Stadtwerke

Und so war auch der Gedanke verständlich, den die Linksfraktion mit ihrem dritten Antragspunkt formuliert hatte: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, die Stadtwerke Leipzig per Gesellschafteranweisung anzuweisen, beim Ausbau der erneuerbaren Energien außerhalb der Stadt Leipzig den betroffenen Kommunen grundsätzlich eine Beteiligung nach § 6 EEG anzubieten.“

Doch auch das fand Andreas Geisler des Guten zu viel. Und Baubürgermeister Thomas Dienberg erläuterte, warum das für die Leipziger Stadtwerke sogar ein Wettbewerbsnachteil wäre in einer Landschaft, in der das EEG die Betreiber geförderter Anlagen sowieso dazu verpflichtet, die Gemeinden am Erlös der Anlagen zu beteiligen. Wenn aber Anlagen ohne EEG-Förderung gebaut werden, wären die Stadtwerke mit so einer Verpflichtung sogar im Wettbewerbsnachteil. Weshalb auch er sich wünschte, dass dieser Punkt lieber nicht beschlossen würde.

Und da Andreas Geisler sowieso punktweiser Abstimmung beantragt hatte, wurden dann die beiden strittigen Punkte auch abgelehnt. Der erste, mit dem zu beauftragenden Gremium, mit 27:30 Stimmen bei drei Enthaltungen und der dritte zur verpflichtenden Beteiligung mit 15:32 Stimmen.

Erster Bericht im Frühjahr

Aber der Kern des Linke-Antrags blieb erhalten, denn der zentrale Antragspunkt bekam mit 49:10 Stimmen eine deutliche Zustimmung. Der lautet: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat bis zum 2. Quartal 2024 über gemeinsame Aktivitäten und Gespräche mit den Umlandkreisen zum Ausbau der erneuerbaren Energien zu berichten.“

Denn tatsächlich laufen die Gespräche längst, wie auch Dienberg bestätigt. Denn auch die Gemeinden in den Landkreisen stehen ja vor der Aufgabe, ihre Energieversorgung schnellstmöglich klimaverträglich zu machen. Also suchen alle nach geeigneten Flächen, wo Windkraft und Photovoltaik Platz finden. Leipzig übrigens auch, auch wenn Neuhaus recht hat mit der Aussage, dass im Stadtgebiet keine 55 Windkraftanlagen Platz finden. Man kann das Thema nur gemeinsam bewältigen. Und so manche Gemeinde wird durchaus auch Interesse daran haben, Strom nach Leipzig liefern zu können.

Im Frühjahr könnte es jetzt die ersten Informationen darüber geben, wie der Stand der Beratungen ist.

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Herr Neuhaus liegt mit seiner Aussage, dass auf dem Stadtgebiet keine ausreichenden Flächen vorhanden sind, völlig FALSCH! 🥲 +++Innerhalb des Planspiels Leipziger Energiewende vom 15.01.2024 ist nachgewiesen wurden, dass der Leipziger-Energiebedarf zu 100 % mittels “Grüner Energie” realisierbar ist. +++ Besonders förder- und unterstützerfähig sind AgroSolar Projekte in Kombination mit AgroFort- / Waldgartensystemen zu Steigerung der Biodiversität. ++ Diese Systeme sollten schwerpunktmäßig den regionalen Biobauern angeboten werden. Siehe auch Einwohneranfrage Nr. VII-EF-09549! 👍 ++Leider haben die Fraktionen des Stadtrates und auch der OBM Burkhard Jung gegen die Petition “Biotope aufwerten und erhalten B-Plan 359 anpassen” mit 2 Gegenstimmen votiert. Allen Stadträten war bewusst, dass der VSP & die Vorlage Nr. VII-P-09023-DS-02 unvollständig ist. +++Dies wird uns allerdings nicht aufhalten, auf dem einmal eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.🧐🤓

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