Da ist dann wohl auch Hartmut Vorjohann, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Mitteldeutschen Flughafen AG und sächsischen Finanzminister, etwas seltsam geworden, als ihm die Geschäftsführung der Flughafen AG das neue Betriebsergebnis für 2022 vorgelegt hat: Wieder ein Millionen-Minus allein beim Flughafen Leipzig/Halle, das vor allem der Hauptgesellschafter Sachsen ausgleichen muss. So kann man nicht auf Dauer einen Flughafen betreiben.
Ein erwartbares Ergebnis. Denn an den Geschäftspraktiken des Flughafens hat sich seit Jahren nichts geändert. Am Donnerstag, dem 11. Januar, informierte die Geschäftsführung der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG) die Belegschaft über ein von der KPMG erstelltes Sanierungsgutachten. Schon das war etwas durchaus Überraschendes für einen Konzern, der sogar noch eine halbe Milliarde Euro in einen Flughafenausbau investieren will.
Dabei läuft der Flughafenbetrieb in Leipzig seit 2008, seit DHL sich hier ins gemachte Nest setzte und nächtlich die Startbahn Süd für ihre Frachttransporte nutzt, Jahr um Jahr im Minus.
Die Geschäftsführung der MFAG ist sich zwar sicher, dass „bei Umsetzung des Restrukturierungskonzeptes eine ‚nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und gute Zukunftsperspektiven‘ erreicht werden können.
Aber daran zweifeln nicht nur die Bürgerinitiativen, die seit Jahren gegen den Fluglärm kämpfen. Sie lesen aus einem am Donnerstag veröffentlichten LVZ-Artikel zu dem Thema etwas anderes heraus, nämlich eine Gefährdung der Unternehmensfortführung.“
Der MDR berichtete dann auch über wohl berechtigte Ängste der Belegschaft, dass die Sanierung auf ihrem Rücken ausgetragen werden soll.
Ein permanentes Zuschussgeschäft
„Über Jahre hinweg war dieser Zustand sehr gut prognostizierbar, denn die Indizien, die darauf hinwiesen, waren evident: Kumulierte Jahresfehlbeträge in Millionenhöhe, permanente Zuschüsse ins Eigenkapital, eine nicht marktadäquate Gebührenordnung, ein dauerhaft rückläufiges Passagieraufkommen sowie unvorteilhafte Verträge mit der DHL und ein seit Jahren rückläufiger Welthandel“, kommentiert Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“, den Vorgang.
„Die gestiegenen Baukosten, die derzeit hohen Zinssätze und das ausbleibende BIP-Wachstum stellen zudem den Ausbaubedarf deutlich infrage.“
Für ihn sitzen die Hauptverantwortlichen in Dresden. Denn es war die Sächsische Staatsregierung, die um die Ansiedlung von DHL am Standort Schkeuditz geworben hat, nachdem die Brüsseler die lauten Frachtflüge in der Nacht nicht mehr vor der Haustür haben wollten. Ohne dabei auf die Folgekosten zu achten, die entstehen, wenn man auch noch billige Start- und Landegebühren vertraglich garantiert. Denn anders ist das Herumgeeier um kostendeckende Startentgelte am Flughafen nicht mehr zu verstehen.
„Insofern handelt es sich nicht lediglich um einen Sanierungsfall eines im öffentlichen Besitz stehenden Unternehmens, sondern vor allem um Staatsversagen, für dessen Folgekosten der sächsische Steuerzahler aufkommen muss“, stellt Zimmermann fest.
„Der lärmbelastende Flugbetrieb hat sich längst zu einer finanziellen Krise gewandelt. Wir hatten seit Jahren darauf hingewiesen. In unserem monatlich erscheinenden Fluglärmreport, im Dialogforum Flughafen Leipzig-Halle (in welchem wir aus Protest nicht mehr vertreten sind), in unserer von der Landesregierung abgelehnten Petition und nicht zuletzt in unseren Broschüren ‚Arbeitsplatzreport‘ und ‚Kein weiterer Ausbau des Frachtflughafens Leipzig/Halle‘, die wir in großer Auflage gedruckt und versendet haben.“
Schon 576 Millionen Euro zugeschossen
In allen Haushaltsbereichen mahnt Sachsens Finanzminister Sparsamkeit an. Nur am Flughafen Leipzig/Halle werden die Millionen regelrecht verbrannt.
„Die Sächsische Haushaltsordnung nennt in § 7 explizit die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, welche bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes zwingend zu beachten sind. Die Staatsregierung hatte sich darum sehr wahrscheinlich niemals bemüht, denn anders ist es nicht zu erklären, dass die Subventionszahlungen, insbesondere an die Flughafen Leipzig/Halle GmbH, im Zeitablauf nicht degressiv ausgelaufen sind, sondern über Jahre hinweg auf hohem Niveau beibehalten wurden“, meint Zimmermann.
Zuletzt hatte der Landtagsabgeordnete der Linksfraktion im Landtag, Marco Böhme, die Zahlen zu den Verlusten des Flughafens Leipzig/Halle abgefragt. Seit 2008 summieren sich die Verluste des Flughafens inzwischen auf 576 Millionen Euro. Auch 2022 kam wieder eine gehörige Summe obendrauf. 36,5 Millionen Euro minus machte die MFAG bei einem Umsatz von 171,1 Millionen Euro. Davon entfielen allein 22,3 Millionen Euro minus auf den Flughafen Leipzig/Halle.
Ausbaupläne trotz Defizit
Kein vernünftiges Unternehmen würde in so einer Situation ein sowieso schon defizitäre Geschäft auch noch ausbauen. Aber genau das ist auf dem Flughafen Leipzig/Halle geplant, wie Zimmermann kritisiert: „Weiterhin soll der Ausbau des Flughafens auf Biegen und Brechen durchgeführt werden, obwohl der Bedarf nicht da ist. In diesem Zusammenhang werden die enormen Zusatzkosten infolge gestiegener Baukosten ignoriert und es werden zudem Kompensationsgelder an Städte und Gemeinden gezahlt, die fluglärmbelastet sind.
Und wie ja unlängst bekannt, wurde auch das Management der Flughafen AG fürstlich dafür belohnt, dass es die Gefährdung der Unternehmensfortführung herbeigeführt hat. Mit marktadäquaten Start- und Landeentgelten könnten durchaus Mehreinnahmen erzielt werden, aber stattdessen wurden diese kostenneutral verändert. Wahrscheinlich ist das Management dafür nicht mal verantwortlich, denn einiges spricht dafür, dass die Staatsregierung vor Jahren sehr unvorteilhafte und langfristige Verträge mit der DHL ausgehandelt hat.“
Das Frachtgeschäft stagniert mittlerweile, im Passagierflugverkehr verzeichnet der Flughafen nach wie vor deutlich niedrigere Zahlen: Hatte man 2019 noch 2,2 Millionen Fluggäste gezählt, waren es 2022 nur 1,9 Millionen.
Und für 500 Millionen Euro wird der Flughafen seine Ausbaupläne nicht umsetzen können, falls die Landesdirektion diese tatsächlich genehmigen sollte. Die Bürgerinitiative geht davon aus, dass der Ausbau über 600 Millionen Euro kosten wird, was allein schon durch die gestiegenen Baupreise bedingt ist.
Die 45 Millionen Euro „Schmerzensgeld“ für die Anliegerkommunen kommen noch obendrauf. Ohne dass absehbar ist, dass der Flughafen einmal schwarze Zahlen schreiben wird.
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