Der Kampf ums Wasser hat auch in der Region Leipzig längst begonnen. Dafür haben die Dürrejahre seit 2018 gesorgt. Der Winter 2022/2023 brachte zwar immerhin wieder die übliche Menge an Niederschlägen. Aber er hat das Wasserminus der Vorjahre nicht ausgeglichen. 2022 sorgte die Meldung für Aufsehen, dass die Parthe bei Lindhardt komplett trocken gefallen war. Und die Parthe ist ja nicht irgendein Flüsschen. Eine ganze Region identifiziert sich mit ihr. Auch Naunhof.

Aber auch in Naunhof erlebten die Anwohner, dass das stadtbildprägende Flüsschen fast kein Wasser mehr führte. Man könne sich ja vorstellen, was das heißt für eine kleine 9.000-Einwohner-Stadt, wenn der Fluss, der mitten durch die Stadt fließt, nur noch ein klägliches Rinnsal ist, sagte Anna-Luise Conrad, Bürgermeisterin von Naunhof, am Freitag, dem 26. Mai, im Vorfeld der zweiten regionalen Wasserkonferenz, zu der das Umweltministerium eingeladen hatte. Die erste Wasserkonferenz fand am 10. Mai in Chemnitz statt.

Das Leipziger Wasser aus Naunhof

Aber wer ist dran schuld daran, dass die Parthe trocken fällt? Sind es vielleicht sogar die beiden Wasserwerke, welche die Kommunalen Wasserwerke Leipzig (KWL) bei Naunhof betreiben?

Diese Frage stellte Anna-Luise Conrad in den Raum und erntete sofort ein heftiges Kopfschütteln von Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal.

Zwei Wasserwerke betreiben die KWL – neben den Wasserwerrken Thallwitz und Canitz – direkt bei Naunhof. Und das schon seit 1887. Bis 1866 versorgte sich die 100.000-Einwohner-Stadt Leipzig noch mit eigenem Flusswasser – direkt aus der Pleiße.

„Noch bis 1866 sicherten die mittelalterlichen Wasserkünste die Versorgung der Stadt Leipzig aus der Mühlpleiße“, erzählen die KWL ihre Vorgeschichte. „Damals wurde das Wasserwerk Connewitz in Betrieb genommen, das die erste Druckwasserversorgungsanlage der Stadt speiste. 1887 übernahm das Wasserwerk Naunhof 1 die Versorgung Leipzigs. Das zweite Naunhofer Wasserwerk ging 1896 in Betrieb.“

Und die Wasserwerke waren stolz darauf, mit den neuen Wasserwerken bei Naunhof eine zukunftsweisende Trinkwasserversorgung für die wachsende Großstadt gefunden zu haben. Hier wird kein Flusswasser abgepumpt, sondern Grundwasser.

Die KWL dazu: „Die Trinkwassergewinnung im Gebiet Naunhof hat eine lange Tradition und geht auf die Arbeiten des Zivilingenieurs Adolf Thiem zurück. Er entdeckte hier bereits Ende des 19. Jahrhunderts ergiebige Grundwasservorkommen, die aus einem urzeitlichen Flussbett der Mulde gespeist werden. Nordöstlich und südwestlich der Stadt Naunhof befinden sich die Wasserfassungen der Wasserwerke Naunhof 1 und 2.

Aus ergiebigen Grundwasservorkommen können hier bis zu 42.000 Kubikmeter Wasser pro Tag gewonnen und Trinkwasser für die Versorgung der Städte Naunhof, Leipzig sowie des Leipziger Umlandes bereitgestellt werden.“

Umweltminister Wolfram Günther und die Naunhofer Bürgermeisterin Anna-Luise Conrad. Foto: Sabine Eicker
Sachsens Umweltminister Wolfram Günther und die Naunhofer Bürgermeisterin Anna-Luise Conrad. Foto: Sabine Eicker

Und nun auf einmal die Frage von Anna-Luise Conrad: Pumpen die Leipziger Wasserwerke den Naunhofern das Wasser ab?

20 wertvolle Jahre wurden vertrödelt

Eine Frage, die in Zukunft sicher immer wieder auf den Tisch kommen wird. Denn Wasser wird gerade in der Nordwestecke Sachsens zusehends knapper. Die Niederschlagsmenge ist schon in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Da fielen auch in Leipzig viele Teiche trocken, die Flüsse führten Niedrigwasser. Die Wasserkonferenz am Freitag, dem 26. Mai, im Gebäude der SAB an der Gerberstraße wird das Problem noch nicht klären. An dem Punkt ist Sachsen noch lange nicht.

Und die Kritik von Umweltminister Wolfram Günther an diesem Tag an all seinen Amtsvorgängern in Dresden war nicht zu überhören. Denn Sachsen ist unter Zugzwang. Ganze 6,6 Prozent der Fließgewässer erreichen die Gewässergüte 2, der Rest genügt nicht der im Jahr 2000 von der EU verbindlich gemachten Wasserrahmenrichtlinie.

Sachsen ist mit dem Versäumnis nicht allein. Überall in Deutschland haben Landesregierungen und Kommunalverwaltungen gemauert, getrödelt, das Thema ausgesessen und den Zieltermin 2015 völlig verpeilt. Bis dahin hätten eigentlich alle Gewässer in Deutschland die Gewässernote „gut“ erreicht haben müssen. Aber Deutschland hat das Ziel völlig verfehlt und hat jetzt eine Gnadenfrist bis 2027, endlich vorzeigbare Anstrengungen zu zeigen, die WRRL doch noch aktiv umzusetzen.

Und es ist nicht die einzige EU-Richtlinie, die sächsische Umweltminister Jahrzehnte lang ausgesessen haben, weil sie ihrer eigenen Klientel nichts zumuten wollten. Die 1992 schon beschlossene Nitrat-Richtlinie hat Sachsens Umweltminister jahrelang nicht die Bohne gejuckt. Die in anderen Bundesländern übrigens auch nicht. Erst als der EuGH 2020 klarmachte, dass die Bundesrepublik damit tatsächlich einen Vertrag gebrochen hatte und 900.000 Euro Strafzahlung androhte – jeden Tag – geschah etwas. Zumindest in Sachsen.

Denn dieser Richterspruch erwischte Wolfram Günther gleich in seinem ersten Jahr im Ministeramt. „So was muss man jetzt nicht noch mal erleben“, sagt er. Und meint damit die Wasserrahmenrichtlinie.

Die Botschaft ist längst angekommen

Sachsen muss handeln. Und das klappt nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Wobei die Erfahrungen aus Chemnitz Günther zuversichtlich stimmen. Das Bewusstsein, dass dringend gehandelt werden muss, sei auch bei allen kommunalen Beteiligten vorhanden. Jetzt geht es um das wie. Wie bekommt man die Flüsse und Bäche schnellstmöglich in einen guten ökologischen Zustand?

Dass mit wenig Aufwand sogar recht schnell viel erreicht werden kann, zeigt eine Renaturierungsmaßnahme an der Pleiße bei Böhlen, die der Freistaat im Mai abschließen konnte. Aus einem kanalisierten Flüsschen wurde mit ein paar gut überlegten Modellierungen wieder ein lebendiger Fluss.

Raubäume sollen den Artenreichtum in der Pleiße deutlich stärken. Foto: Freistaat Sachsen.SMEKUl/Robert Schimke
Raubäume sollen den Artenreichtum in der Pleiße stärken. Foto: Freistaat Sachsen.SMEKUl/Robert Schimke

Zumindest ein kleiner. Denn beim Rest der im Bergbauzeitalter kanalisierten Pleiße bis Leipzig ist noch alles beim Alten. Diesen Abschnitt wieder zu einem lebendigen Fluss zu machen, der Lebensraum für flusstypische Flora und Fauna bietet, wird deutlich teurer und aufwändiger.

Und es ist ja nicht der einzige vom Bergbau völlig veränderte Fluss in der Region. Wie teuer es werden wird, die derart künstlich veränderten, kanalisierten oder gar verrohrten Flüsse im Leipziger Raum wieder zu sauberen und artenreichen Flusslandschaften zu machen, kann auch Günther noch nicht beziffern. „Das wird sowieso kein einzelnes Projekt“, sagt er. „Das braucht viele kleine Schritte.“

Und zum Anfang natürlich möglichst all die Schritte, die mit wenig Geld zu schaffen sind. Auch das ein Thema für Naunhof, wo jährlich ganze 27.300 Euro für die Gewässerunterhaltung zur Verfügung stehen. Davon kann man bestenfalls ein paar Mäh- und Schilfarbeiten bezahlen, sagt Conrad.

Schwammregion Westsachsen

Das viel größere Leipzig hat immerhin 2,3 Millionen Euro zur Verfügung, Mittel, die mit Fördergeldern von Bund und Land um 70 Prozent aufgestockt werden können. Was aber noch nicht heißt, so Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal, dass man Gewässer der Klasse 2 wie die Nördliche Rietzschke tatsächlich einfach wieder mit einem natürlichen Mäander- und Auensystem versehen kann. Denn nicht jedes Grundstück am Bach gehört der Stadt. Man müsse auch die Bauern mit ins Boot holen und überzeugen, dass ein renaturierter Bachlauf auch ihnen beim Wirtschaften hilft.

Das Bild zeigt Anna-Luise Conrad, Bürgermeisterin von Naunhof, und Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. Foto: Sabine Eicker
Anna-Luise Conrad, Bürgermeisterin von Naunhof, und Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. Foto: Sabine Eicker

Da berührt er das Thema Schwammverhalten. Die Leipziger kennen es schon aus den Stadtratsdebatten zur Schwammstadt. Aber auch in den ländlichen Räumen muss wieder gelernt werden, Wasser in der Landschaft zu halten, bevor die Dürren kommen. Und ebenso, wenn es – wie seit 2002 nun schon mehrfach – zu Hochwassern und Starkregenereignissen kommt. Denn wenn die natürlichen Wasserspeicher fehlen (und in den riesigen Feldern der industrialisierten Landwirtschasft fehlen sie völlig), läuft das Wasser bei Regen einfach ab, rauscht in Flüssen und Kanälen einfach davon.

Und wenn der Regen dann ausbleibt, hat man nur noch einen verdorrten Boden, von dem der Wind den Staub aufwirbelt.

Es ist also nicht nur ein Leipziger Thema, wie man das Wasser wieder in die Auen bekommt und die Wälder, Wiesen und Moore als Wasserspeicher stärkt. Die Wasserkonferenz ist erst der Auftakt. Alle lokalen Akteure sollen sich kennenlernen und vernetzen. Gerade kleine Kommunen wie Naunhof haben nicht einmal das fachlich versierte Personal, das Wasserthema in eigener Regie anzugehen. Und selbst für Leipzig bezeichnet Rosenthal das gelungene Anwerben von Wasserspezialisten als „Goldstaub“.

Naunhof tritt dem Partheland bei

Was das Umweltministerium dazu bewogen hat, selbst entsprechende Beratungsleistungen anzubieten und die Landschaftspflegeverbände zu unterstützen. Dass man allein nicht weiterkommt, hat auch Anna-Luise Conrad eingesehen. Erst am Donnerstag, so sagt sie, sei Naunhof offiziell dem Landschaftspflegeverband Partheland beigetreten. Da waren bis jetzt schon Borsdorf, Taucha, Großpösna und Leipzig aktiv. Aber der akute Wassermangel am Oberlauf der Parthe hat auch in Naunhof klargemacht, dass man die Parthe im Alleingang nicht retten kann.

Die Parthe an der Parthenstraße in Leipzig. Foto: Ralf Julke
Die Parthe an der Parthenstraße in Leipzig. Foto: Ralf Julke

Dass sie auch schon vor dem akuten Wassermangel der Dürrejahre ihre Probleme hatte, weiß auch Conrad. Denn die Gewässergüte der Parthe kam in den letzten Jahren kaum über die Noten 4 und 5 hinaus. Doch anders als die Pleiße war die Parthe nicht vom Bergbau betroffen. Sie leidet dafür unter massiver Überdüngung aus Landwirtschaft und Haushalten, ist aber auch in einigen Abschnitten kanalisiert und hat einen Teil ihrer wertvollen Aue verloren. Von ihrem Zustand auf Leipziger Stadtgebiet muss man da gar nicht erst reden.

Es wird jetzt also spannend, wie sich die Akteure aus dem Leipziger Raum beim Wasser zusammenraufen und welche Projekte sie mit den verfügbaren Mitteln auf den Weg bringen, damit wenigstens vor 2027 etwas geschieht und der EU wenigstens von begonnenen Planungen berichtet werden kann, so Günther.

Eine Zahl, was die vollständige Renaturierung der Fließgewässer im vom Bergbau stark veränderten Leipziger Gebiet am Ende kosten wird, kann er noch nicht nennen. So eine Schätzung liegt erst für die Lausitz vor, wo von mindestens 2 Milliarden Euro für die Reparatur des Wasserhaushalts die Rede ist. Und auch von der dringend nötigen Rettung der Spree, der da Wasser auszugehen droht, wenn die Pumpen in den Tagebauen abgestellt werden.

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