Der Ärger geht weiter. Das 2013 von der damaligen CDU/FDP-Regierung novellierte Wassergesetz zeigt seinen langen Atem und seine späten Folgen. Damals schrieb die Regierung die Schiffbarmachung der sächsischen Tagebauseen in das Gesetz und das setzt die Landesdirektion auch mit bürokratischer Sturheit um. Da interessieren die Interessen der Seenanrainer überhaupt nicht.

Der MDR formulierte die Position von Regina Kraushaar, Präsidentin der Landesdirektion Sachsen, die die Schiffbarkeit prüfen und genehmigen muss, so: „Die gesetzlichen Vorgaben sehen jedoch laut Kraushaar nicht vor, Motorboote auszuschließen. Doch Befürchtungen eines Motorboot-Ansturms seien unbegründet, sagte die Behörden-Chefin.

Auch bei freier Schifffahrt gebe es nur begrenzte Liegeplätze in den Seehäfen. Außerdem kämen Wassersportler und Bootstouristen nur dorthin, wo ein nicht zu großer Betrieb auf den Seen zu erwarten ist. Da würde der ‚Wohlfühlfaktor‘ regulierend wirken, so Kraushaar. Ein See mit zu viel Verkehr sei auch für Bootsbesitzer nicht attraktiv.“

Jetzt soll also ein „Wohlfühlfaktor“ regulieren, was bis jetzt die Kommunen am See selbst regelten.

Kraushaar weiß sehr wohl, dass es mit dem Wassergesetz von 2013 darum geht, genau diese Regulation auszuhebeln.

Wassertourismus mit der Brechstange

„Wir glauben, wenn jeder auf einen See kann, dass es einen schönen Schub für den Tourismus geben kann. Das muss uns ja allen recht sein“, sagte Kraushaar laut MDR auf einer Pressekonferenz am Donnerstag, dem 20. April.

Womit sie sich selbst widerspricht. Denn welchen Schub sollte es geben, wenn nicht einen solchen bei Motorbooten? Mit Muskelkraft betriebene Boote dürfen auch jetzt schon auf den Cospudener See. Die Schiffbarkeitserklärung ist einzig und allein das Tor für Motorbootbesitzer.

Was Schiffbarkeitserklärung heißt, weiß Kraushaar genau: „Das heißt, jedermann darf mit Schiffen und Booten auf dem Leipziger Seenland unterwegs sein. Die Seen sind dann für jedermann freigegeben.“

Unter dem Deckmäntelchen der Entbürokratisierung wird dem motorisierten Wassersport Tür und Tor geöffnet. Oder wie es der MDR formuliert: „Aktuell gleicht das Leipziger Seenland für Seesportler und Bootstouristen noch einem Flickenteppich. Am Störmthaler, Zwenkauer und Hainer See ist etwa eine bestimmte Anzahl an Motorbooten zugelassen, am Cospudener See derzeit nur Boote mit Elektromotoren.

Wer auf einen der Seen mit seinem Boot fahren will, braucht eine Einzelgenehmigung des zuständigen Landkreises. Das soll künftig wegfallen, wenn laut Sächsischen Wassergesetz Boote jeglicher Antriebsart – ob Segel- oder Motorboot – auf den Seen fahren können.“

Nur um dann hinzuzufügen: „Doch auch hier wird es Einschränkungen geben.“

Denn an jedem See gibt es unterschiedlich große Naturschutzbereiche, in denen ein Motorbootbetrieb überhaupt nicht zugelassen werden darf. Beim Cospudener See sind diese Bereiche sogar recht groß. Genau das, was das Wassergesetz suggeriert, dass nämlich alle Seen gleich behandelt werden können, ist überhaupt nicht realistisch.

Ein Gesetz für Motorbootkapitäne

Doch nach dieser öffentlichen Ankündigung der Landesdirektion Sachsen, keine Handhabe gegen die Schiffbarmachung der Leipziger Seen, insbesondere des Cospudener Sees, zu haben, fordern die Leipziger Bündnisgrünen nun Änderungen gerade an dem völlig verkorksten Sächsischen Wassergesetz ein.

Es müsse dringend – wieder – geändert werden, um den Kommunen einen größeren Handlungsspielraum zu ermöglichen. Ihnen diesen Handlungsspielraum überhaupt wieder zurückzugeben, der ihnen mit der erklärten Schiffbarmachung genommen werden soll.

„Die immer weitere Ökonomisierung der Leipziger Gewässer und deren Öffnung für alle Arten von Motorbooten wird zunehmend zu einem Problem für die Belange des Umwelt- und Naturschutzes“, sagt Ulrike Böhm, Vorstandssprecherin des Kreisverbandes der Grünen.

„Bereits jetzt sind Teile des Cospudener Sees unter sehr starkem Nutzungsdruck und die Wasserqualität mäßig. Werden allgemein Boote zugelassen, wird der Nutzungsdruck weiter zunehmen, die Umwelt wird leiden und der See an Qualität verlieren. Das Wassergesetz ist an dieser Stelle nicht mehr zeitgemäß und muss vor dem Hintergrund der Klimakatastrophe und des Artensterbens geändert werden.“

Und Jürgen Kasek, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat, glaubt erst recht nicht der Argumentation der Landesdirektions-Präsidentin, sie könne gar nicht anders handeln.

„Es wird zu Protest kommen“

„Tatsächlich gibt das Wassergesetz, anders als von der Landesdirektion suggeriert, über § 17 SächsWasserG bereits jetzt den Spielraum, von der allgemeinen Erklärung der Schiffbarkeit abzusehen. Sowohl die angrenzenden Kommunen als auch die Umweltverbände haben sich hier deutlich positioniert“, betont Kasek.

„Daher KANN das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Sächsischen Innenministerium per Rechtsverordnung die Regelungen beschränken. Das ist auch dringend notwendig. Wir zerstören gerade sehenden Auges weitere Teile der Umwelt und damit auch den Erholungscharakter der Seen.

Das Sächsische Wassergesetz ist so angelegt, dass der Grundgedanke der wirtschaftlichen Nutzung eine sehr hohe Priorität hat. Dies ist nicht mehr zeitgemäß. Sollten die Seen allgemein für schiffbar erklärt werden und dort Motorboote fahren, wird es zu Protest kommen.“

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar