Wenn sie nicht wollen, dann wollen sie nicht. Während sich Landrat Henry Graichen bemüht, eine Lösung für das Biotop am Holzberg zu finden, tut sich die ihm unterstellte Untere Naturschutzbehörde schwer, für die Unterschutzstellung des ehemaligen Steinbruchs aktiv zu werden, gäbe es doch genug alte Steinbrüche im Landkreis Leipzig. So jedenfalls ist der Grundtenor einer Antwort an den Landtagsabgeordneten Marco Böhme (Die Linke).

Der hat zwar die Staatsregierung angefragt und das SMEKUL hat ihm geantwortet. Aber man befindet sich ja in Deutschland, wo die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind. Und für die Unterschutzstellung als Flächennaturdenkmal auf Kreisebene ist die Untere Naturschutzbehörde zuständig. Aber die findet erstaunlich viele Gründe dafür, dass sie am Holzberg bei Böhlitz nicht aktiv werden muss.

Gründe, die das SMEKUL in seiner Antwort an Marco Böhme nur referieren kann.

Die Antwort des SMEKUL an Marco Böhme.

„Im Jahr 2019 beantragte der NABU-Landesverband Sachsen eine Unterschutzstellung des Holzberges als FND, was von der UNB des Landkreises Leipzig mit dem Verweis auf bestehendes Bergrecht abgelehnt wurde“, hatte Böhme in seiner Anfrage festgestellt.

„Mit Schreiben vom 30.05.2022 regte der BUND-Landesverband Sachsen beim SMEKUL erneut die Prüfung der Unterschutzstellung des Holzberges unter verschiedenen Schutzkategorien u. a. als FFH- bzw. SPA-Gebiet oder auch als FND an. Mit Schreiben vom 18.06.22 teilte die UNB des Landkreises Leipzig der Landesdirektion Sachsen (LDS) schriftlich eine ablehnende Haltung
mit – insbesondere hinsichtlich der Unterschutzstellung als FND.“

Das SMEKUL könnte zwar eine Ausweisung nach Natura-2000-Standard prüfen, hatte es damals in einer Stellungnahme zu einem Linke-Antrag formuliert. Aber so lange Bergrecht auf dem Holzberg liegt, ist das nicht möglich. Es könnte auch sein, dass das nicht klappt, weil nach Auskunft des Ministeriums die Sukzessionsprozesse im aufgegebenen Steinbruch noch nicht abgeschlossen sind.

Die Stellungnahme des SMEKUL zum Linke-Antrag vom Juli 2022.

Bliebe die Ausweisung als Flächennaturdenkmal. Und das liegt in der Hoheit des Landkreises, also der Unteren Naturbehörde (UNB).

Aber die will irgendwie nicht.

Keine Lust zur Prüfung

Das liest sich in der Antwort des Umweltministeriums so: „Der Landkreis Leipzig führt zu Beginn des Schreibens aus, dass sich die UNB nicht detailliert mit der Schutzwürdigkeit des Holzbergareals als Flächennaturdenkmal auseinandersetzt habe. Dies werde ‚aus Kapazitätsgründen‘ abgelehnt.

Es liege im Normsetzungsermessen des zuständigen Verordnungsgebers, ob ein Naturraum, der eine Unterschutzstellung als Landschaftsschutzgebiet erfüllt, ausgewiesen wird. Analoges träfe aus der Sicht des Landkreises Leipzig für alle Schutzkategorien zu.

Der Landkreis Leipzig weist in dem Schreiben ausdrücklich darauf hin, dass eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchgeführte überschlägige Einschätzung der
Schutzwürdigkeit zu einer Fehleinschätzung führen könne. Daher bestünden erhebliche Bedenken gegen diese Vorgehensweise. Gleichwohl gibt der Landkreis Leipzig in dem Schreiben vom 18. Juli 2022 eine ‘überschlägige Einschätzung’ ab, die jedoch nicht mit einer Würdigung und dem notwendigen Verfahren dazu gleichzustellen sei.

In dieser ‚überschlägigen Einschätzung‘ tendiert die UNB zu der Auffassung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt für eine Ausweisung des Steinbruchareals als Flächennaturdenkmal die Voraussetzungen fehlen.

Das Areal weise eine Fläche von acht Hektar auf; es könne aber – nach überschlägiger Prüfung – vermutlich nicht auf die gesetzliche Maximalgröße von fünf Hektar eingegrenzt werden, vergleiche § 28 Absatz 1 BNatSchG.

Darüber hinaus verneint die UNB derzeit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Satz 2 Sächsisches Naturschutzgesetz. Zwar setzt sich die UNB mit mehreren geschützten Arten und deren Lebensstätten auseinander, sie hält jedoch das Vorkommen solcher Arten beziehungsweise Lebensstätten im Steinbruchareal für bisher nicht ausreichend nachgewiesen.

Schließlich tendiert die UNB auch dazu, die Schutzwürdigkeitsmerkmale der Seltenheit, der Eigenart und der Schönheit abzulehnen, § 28 Absatz 1 Nummer 2 BNatSchG. Es gäbe im Kreisgebiet eine große Anzahl von Steinbrüchen, und das Holzbergareal weise diesbezüglich kein Alleinstellungsmerkmal auf.“

Naturschutz mit hohen Hürden

So kann man es sich als Behörde ganz einfach machen. Andererseits stimmt es ja, dass das Bundesnaturschutzgesetz diesem Behördenverhalten Vorschub leistet. Die Schaffung von Naturschutzrecht ist mit lauter Hürden und Vorbedingungen verknüpft, welche die Naturschutzverbände wie den BUND immer wieder ins Leere laufen lassen.

Was dann Bertram Haude vom Landesverband Sachsen des Deutschen Alpenvereins e. V. durchaus ein paar sehr ernst gemeinte Zeilen schreiben ließ:

„Wenn schon um ein 8 ha großes (kleines) Fleckchen Erde mit einigen Lebewesen, dass uns allen in Anbetracht des Artensterbens höchst wertvoll erscheinen muss, so ein Tauziehen veranstaltet werden muss, dann ist deutlich absehbar, dass wir Menschen die Biosphäre nicht in unserem eigenen Interesse erhalten werden.

Wenn selbst Naturschutzbehörden nicht im Interesse dieser dringlichsten Aufgabe handeln, dann sind wir demnächst genauso so fällig, wie die Tiere im Holzberg, sollte die Firma Kafril ihre Interessen durchsetzten können, die mit dem Motto ‚Qualität schafft Vertrauen wirbt‘: Was könnte mehr Vertrauen in die Zukunft geben als eine funktionierende Biosphäre?“

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Es gibt 4 Kommentare

@Bahnschranke
Ich möchte Ihnen ein ganz krasses Beispiel der Scheuklappenmentalität und Inkompetenz von Behördenmitarbeitern schildern. Ein Freund, der im Vorruhestand lebt, aber recht fit und engagiert ist, hat sich – rein privat – entschlossen, eine sinnvolle Tätigkeit für die Allgemeinheit auszuüben. In dem Landkreis, in dem er lebt, hat sich der Riesenbärenklau (auch Herkulesstaude genannt) extrem ausgebreitet. Dies ist eine aus dem Kaukasus eingeschleppte invasive Pflanze, die sich in Deutschland stark ausgebreitet hat, andere Arten verdrängt und dazu noch toxisch ist (Giftpflanze des Jahres 2008).

Aus der Wikipedia:
“Der Riesen-Bärenklau bildet photosensibilisierende Substanzen aus der Gruppe der Furocumarine, die in Kombination mit Sonnenlicht oder auch stärkerem Lampenlicht phototoxisch wirken. Berührungen in Verbindung mit Tageslicht können bei Menschen und anderen Säugetieren zu schmerzhaften Quaddeln und Blasen führen, die schwer heilen und wie Verbrennungen erscheinen (Photodermatitis). Es wird deshalb empfohlen, beim Umgang mit der Pflanze vollständige Schutzkleidung zu tragen, zu der auch ein Gesichtsschutz gehört. ”

Nun denn, mein Freund ist oft ganze Tage draußen, um mit einfachem Gartengerät die Wurzeln zu zerstören. Die Wurzel der Herkulesstaude treibt sehr hartnäckig immer wieder aus und kann eigentlich richtig nur mit einer gewissen manuellen Arbeitsweise zerstört werden. Er hat eine gewisse Technik dafür entwickelt. Abgesehen davon, ist die Arbeit nicht ungefährlich, da man immer in Gefahr ist, sich photochemisch verursachte Verbrennungen zuzuziehen.
Nun, er ist hartnäckig und hat manche Stellen schon recht gut in den Griff bekommen.

Als er allerdings bei der Naturschutzbehörde vorstellig wurde und nach Unterstützung gefragt hatte, bekam er zu hören, dass er im Landschaftsschutzgebiet eigentlich gar nichts zu suchen hätte. Die Mitarbeiterin dort hat schlichtweg nicht begriffen, wie gut und sinnvoll dieses Engagement ist.

Die Landwirte dort sind hingegen auf ihn aufmerksam geworden und unterstützen ihn, da diese Pflanze auch für ihr Vieh toxisch ist.

Soviel zur Kompetenz mancher “Sesselpupser” in Umweltschutzbehörden.

@Bahnschranke

Ja, sie sprechen mir aus der Seele. Leider trifft man in deutschen Amtsstuben, viel zu häufig den Typus von Verwaltungsmensch an, dem es eigentlich schnurzpiepsegal ist, ob er Personalausweise ausstellt oder sich halt zufälliger um den Umweltschutz kümmern muss. Und Menschen mit Idealismus oder gar eigenständigen Ideen und Vorstellungen stören eher den Betrieb in den Verwaltungen. Am bequemsten hat man es, wenn man haargenau sich an den vorgegebenen Verwaltungsvorschriften entlanghangelt – und wenn’s eigentlich nicht passt, werden die Gesetze schon mal so hingebogen, dass die Gemütlichkeit am Schreibtisch nicht beeinträchtigt wird. Dann werden Gesetze von den Behördenmitarbeitern plötzlich sehr frei “interpretiert und ausgelegt”.

Mein ursprünglicher Kommentar war dadurch veranlasst, dass die UNB diese – kühne – Behauptung aufgestellt hat.

“Zwar setzt sich die UNB mit mehreren geschützten Arten und deren Lebensstätten auseinander, sie hält jedoch das Vorkommen solcher Arten beziehungsweise Lebensstätten im Steinbruchareal für bisher nicht ausreichend nachgewiesen.”

Ich sehe nur darin einen möglichen Lösungsweg zur Retteung, dass eben nochmals sehr detailliert dokumentiert wird, dass diese Arten dort leben. In diesem Sinne ist ein brauchbarer Hebel vorhanden, den man nutzen kann. Es stellt sich wirklich die Frage, ob die Freigabe zur Zerstörung des Biotops gerichtlich durchsetzbar wäre, wenn die geschützten Arten – ausreichend – dokumentiert sind. Falls dies aber schon wie @Bahnschranke es betont, stattgefunden hat, wäre der juristische Weg also nicht aussichtslos.

@Der Michel

Die von Ihnen aufgezählten Tierarten sind dort nachgewiesen. Die Bürgerinitiative Böhlitz hat dazu schöne Bilder aus dem Steinbruch veröffentlicht, mit brütenden Steinkauzen etc.

Man sieht dort riesige Kolonien von Greifvögeln kreisen und wie der Michel schön darstellt ist die Umgebung dort sehr strukturreich. Dass andere Steinbrüche in der Region vergleichbar wären ist eine absolute Lüge. Die nahen Steinbrüche sind dunkle, tiefe Bergbauseen, meist von Bäumen umgeben und schon auf dem ersten Blick deutlich unterscheidbar vom Holzberg.

Das Vorgehen der unteren Naturschutzbehörde ist mir genau so wie im Text bekannt. Im Prinzip deckt sich das mit dem Verhalten von so ziemlich allen Ämtern und deren Mitarbeitern. Haben von Fachfragen keine Ahnung, keine Lust ihren Job zu machen selbst wenn man ihnen die geschützen Tierarten dokumentiert auf dem Schreibtisch präsentiert sieht man keine Notwendigkeit irgendwas zu machen.

Das passiert, wenn wir 10 Sesselpupser einstellen, die alle viel erzählen können und sich super toll finden, aber kein Mitarbeiter mehr vor Ort ist und überhaupt rausgeht kontrollieren. Man hat das System komplett auf sich selber ausgerichtet um davon zu profitieren. Ich unterstelle den vor Ort verantwortlichen Personen, dass Sie vielleicht ihren Job oder Gehalt/Beamtenstatus mögen, für Natur aber nicht so viel übrig haben (nachdem man undankbarerweise in dieses Resort versetzt wurde).

“Zwar setzt sich die UNB mit mehreren geschützten Arten und deren Lebensstätten auseinander, sie hält jedoch das Vorkommen solcher Arten beziehungsweise Lebensstätten im Steinbruchareal für bisher nicht ausreichend nachgewiesen.”

Wo finden sich die Biologen, die bereit wären, die schützenswerten Arten im Steinbruch zu dokumentieren? Und diese Arten gibt es garantiert, da gerade Steinbrüche idealste Voraussetzungen anbieten, damit sich geschützte Arten in großer Vielfalt wieder ansiedeln. Für Fauna und Flora ist dies – im wahrsten Sinne des Wortes – ein gefundenes Fressen. In der Regel bilden sich kleine Seen oder Teiche für Amphibien, daneben ein hoher Anteil an Stellen, auf denen Magerpflanzen prächtig gedeihen können. Schattenbereiche liegen neben Bereichen, in denen die Sonneneinstrahlung sehr stark ist. Klüfte und Spalten im Gestein bieten Brutstätten für Vogelarten, die Felsbrüter sind oder für wechselwarme Tiere wie Eidechsen und Schlangen. Frösche in den Teichen und Reptilien bilden wiederum die Nahrungsgrundlage für Greifvögel usw. Es ist keine abgehobene Naturschwärmerei, wenn man als naturverbundener Mensch gerade solche Biotope für unbedingt schützenswert hält.

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