Am Freitag, dem 21. April, knallen die Sektkorken im Crostigall 14 in Wurzen. Mit der feierlichen Schlüsselübergabe startet das aufwändig sanierte Geburtshaus des Dichters, Malers und Kabarettisten Joachim Ringelnatz (1883–1934) in die erste Saison als sächsisches Literaturhaus mit Kunstbühne. Die Schlüsselübergabe an den Joachim-Ringelnatz-Verein und künftigen Betreiber des neuen sächsischen Literaturhauses erfolgt am 21. April in einer festlichen Veranstaltung.
Saniert hat die erste Heimstatt des bekannten Literaten die Stadt Wurzen, die damit ihren Ruf als Ringelnatzstadt festigt. Der ältesten Ringelnatzsammlung Deutschlands und der ersten Ringelnatzausstellung nach dem Tode des Künstlers fügt sie nun einen weiteren Anziehungspunkt für Ringelnatzfreunde hinzu. Die Stadt hat dafür 323.000 Euro an Eigenmitteln aufgewendet und eine Förderung im Rahmen des Programms „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ in Höhe von 424.000 Euro erhalten.
Für die Sanierung der denkmalgeschützten Originalteile wie den Ziergiebel und die barocken Haustüren stellten die Ostdeutsche Sparkassenstiftung und die Sparkasse Muldental über den Joachim-Ringelnatz-Verein die Mittel zur Verfügung.
Zu besichtigen ist Ringelnatzens Geburtshaus mit Dauerausstellung, Barocksaal, Lesecafé, Sommerterrasse und kleinem Park mit Blick auf die Altstadt immer vor den Veranstaltungen und ab Mitte Mai auch zu den neuen Öffnungszeiten, Mittwoch bis Sonntag 14 – 18 Uhr.
Der Dichter
Geboren wurde Joachim Ringelnatz als Hans Gustav Bötticher am 7. August 1883 in Wurzen, genau in diesem Haus am Crostigall, „11 ¾ Uhr in einem Zimmer über dem Flur“. Sein Vater Georg Bötticher war selbst ein bekannter sächsischer Mundartautor. Ihm eiferte Sohnemann Hans Jahre später nach. Freilich sind nur die ersten Kindheitsjahre mit dem Crostigall 14 verbunden, denn 1886 zog die Familie nach Leipzig.
Dort lebte Familie Bötticher in der Poniatowskistraße 12 (heute Gottschedstraße 40). Hans besuchte u. a. das König-Albert-Gymnasium, von dem er nach einem seiner Streiche verwiesen wurde.
Erste Lesungen zur Buchmesse
Die ersten Lesungen im Literaturhaus gibt es pünktlich zur Leipziger Buchmesse: am 29. April mit Thomas Gsella, Ex-Chefredakteur des Satiremagazins „Titanic“, am 30. April mit Jürgen Hosemann, der ringelnatzverdächtige Bonmots aus seinem „Papierkorb“ fischt.
Im Laufe des Jahres haben sich zudem Franziska Gerstenberg, Bettina Baltschev, Arezu Weitholz und Lukas Rietzschel mit preisgekrönten Büchern angesagt.
Einen besonderen Höhepunkt erleben Gäste am 13. Mai mit der Eröffnung der Dauerausstellung „Vom Crostigall nach überall“: Sie zeigt den Künstler Ringelnatz auf Reisen und im Rahmen des vielstimmigen Echos, das seine häufig auf Kabarett-Tourneen verfassten Gedichte im Hier und Jetzt auslösen. Kurator Dr. Michael Ostheimer, der Ringelnatz quer durch Deutschland an die Entstehungsorte jener Gedichte hinterher gereist ist, wird über die poetischen Unternehmungen eines Künstlers sprechen, der, vom Crostigall nach überall aufgebrochen, mit gleichnamiger Ausstellung ins Haus seiner Geburt zurückkehrt.
Ringelnatz-Festival im Sommer
Eine Stippvisite lohnt sich auch zum traditionsreichen Ringelnatz-Festival im Sommer, das PEN-Präsident José F. A. Oliver am 4. August mit einem Ringelnatz-Podium eröffnet. Corinna Harfouch und Johannes Gwisdek erwecken die Dichterin Else Lasker-Schüler zum Leben, Peter Süß liest aus „1923“, außerdem stehen Konzerte, Theater, Kino und literarische Gästeführungen auf dem hochkarätig besetzten Spielplan.
Das kulturelle Niveau wäre ohne umfassende Förderung nicht erreichbar gewesen, betont Vereinsvorsitzende Viola Heß und richtet den Dank des Vereins – und des wachsenden Publikums – besonders an den Kulturraum Leipziger Raum, die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, die Arbeitsgemeinschaft literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten, die Kultur-Förderprogramme des Bundes für den Neustart nach der Corona-Pandemie, für die Arbeit mit Kindern und für den ländlichen Raum und die Stadt Wurzen und das Wurzener Land.
Sie ermöglichten die Ausstattung des Hauses, die Ausstellung, das reichhaltige Programm und das Hineinwachsen des ursprünglich kleinen Wurzener Vereines in seine neue Rolle als Literaturgesellschaft. Ganz besonders zu danken hat der Verein Bürgern und Unternehmen aus Wurzen und Sachsen sowie der Volks- und Raiffeisenbank Muldental e.G., die alle zusammen mit einem fünfstelligen Betrag die Ausstattung des Hauses unterstützten, betonte die stellvertretende Vereinsvorsitzende Gerlind Braunsdorf.
Eintrittskarten für alle Veranstaltungen im Ringelnatz-Geburtshaus sind bei der Tourist-Information Wurzen erhältlich, Tel. (03425) 8560400.
Keine Kommentare bisher
Die Öffnungszeiten sind nun hoffentlich klarer als bislang, letzten Karfreitag standen wir trotz anders verstandener Internetseitenangabe vor verschlossenen Türen in ganz Wurzen (Stadtmuseum usw usf).
Es ist dieser schlechtbeleumdeten Schlafstadt zu wünschen, dass es nun endlich klappt mit einer gewissen Belebung durch Ringelnatztouristen.
Mittwoch bis Samstag und an folgenden (…) Feiertagen (die nicht aufgeführten Feiertage sind IMMER zu, auch wenn es Mittwoch-Sonntag ist!!!).