2020 machte der Döbelner Stadtrat den Weg frei für einen neuen Vergnügungspark – das sechste „Karls Erlebnis-Dorf“, das vor den Toren des Städtchens entstehen soll. Dass man dabei auf ein richtiges Dorf stoßen würde, das vor 7.000 Jahren hier stand, war zu erwarten. Denn Mittelsachsen gehört zu den frühesten Siedlungsgebieten der Jungsteinzeit. Im Herbst 2021 begann das Landesamt für Archäologie (LfA) mit Untersuchungen auf dem Feld, das als Fundstelle schon bekannt war.

Erst einmal ging es darum, die Ausdehnung der durch Lesefunde bereits seit Längerem bekannten Fundstelle bei Döbeln-Gärtitz auf dem 17 Hektar großen Bauareal von Karls Erlebnis-Dorf zu ermitteln und die zu erwartende Menge an Funden und Befunden im Vorfeld des Bauprojekts abzuschätzen, so das Landesamt für Archäologie.

Im Februar 2022 wurden diese Untersuchungen unterbrochen, da der Investor an neuen Planungen arbeitete, die in der ersten Bauphase in drei größeren Bereichen – Hauptgebäude, Straßenanbindung und Regenrückhaltebecken – tiefe Bodeneingriffe vorsahen. Die Ausgrabung dieser Bereiche begann im Oktober 2022 und dauert noch an. Im Herbst und Winter standen Arbeiten am künftigen Standort des Hauptgebäudes im Vordergrund.

Ebenfalls seit März werden parallel dazu Ausgrabungen im zweiten Bereich, der künftigen Straßenanbindung, durchgeführt.

Die Ausgrabungen erfolgten auch im Winter ohne Unterbrechung. Foto: Landesamt für Archäologie Sachsen, Cornelia Rupp
Die Ausgrabungen erfolgten auch im Winter ohne Unterbrechung. Foto: Landesamt für Archäologie Sachsen, Cornelia Rupp

Ein Archäologe des LfA leitet ein Team von 18 Mitarbeitenden, darunter Grabungstechniker, Vermesser, Zeichnerinnen, Grabungsarbeiter, studentischen Praktikantinnen und Bundesfreiwilligendienstleistende.

Bereits vor der endgültigen Auswertung aller Ergebnisse kann das Landesamt für Archäologie feststellen, dass der Fundplatz bei Döbeln-Gärtitz zu den größten bislang bekannten Siedlungsplätzen der Frühen Jungsteinzeit (5.500 – 4.500 v. Chr.) in der mittelsächsischen Lössregion zählt. Die Fundstelle erstreckt sich über mehr als 10 Hektar Fläche und setzt sich noch außerhalb des Baufeldes fort.

Auf der Fläche befand sich vor über 7.000 Jahren eine ausgedehnte Siedlung mit dutzenden Häusern, deren Grundrisse sich anhand der im Boden erkennbaren Pfostengruben gut rekonstruieren lassen. Das größte Haus war 30 Meter lang und 8 Meter breit. Allein im Bereich des künftigen Hauptgebäudes des Erlebnisdorfes wurden mehr als 15 jungsteinzeitliche Hausgrundrisse freigelegt.

Befunde dicht an dicht. Foto: Landesamt für Archäologie Sachsen, Thomas Lukas
Befunde dicht an dicht. Foto: Landesamt für Archäologie Sachsen, Thomas Lukas

Die Häuser wurden nicht alle zur gleichen Zeit errichtet, sondern spiegeln eine Siedlungszeit von mehreren hundert Jahren wider. Bislang wurden über 2.000 Erdbefunde dokumentiert und mehrere Tausend Einzelfunde geborgen, darunter mehrheitlich Keramikscherben, Feuersteingeräte, aber auch Fragmente von tönernen Figuren und Idolen.

Das Landesamt für Archäologie Sachsen will parallel zu den Arbeiten an Karls Erlebnisdorf auch in den kommenden Wochen die Baumaßnahmen begleiten und den überaus reichen Fundplatz dokumentieren.

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