Die Schere geht immer weiter auseinander am Flughafen Leipzig/Halle. Während der Frachtumschlag Jahr um Jahr deutlich wächst, geht das Passagieraufkommen immer weiter zurück. Auch wenn das am 17. November anders klang, als die Mitteldeutsche Flughafen AG meldete: „Der Aufwärtstrend im Passagierbereich hält an. Im Oktober zählten die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden so viele Passagiere wie in keinem anderen Monat seit Beginn der Pandemie.“

Das haben wir natürlich so nicht gemeldet. So etwas muss man einordnen. Denn ein Vergleich mit dem dramatisch zurückgegangenen Flugverkehr in der Corona-Pandemie bringt nichts, wenn man wirklich wissen will, wie sich die Passagierzahlen am Flughafen Leipzig/Halle langfristig entwickeln.

Die Meldung ging dann so weiter: „Den Flughafen Leipzig/Halle nutzten im Oktober 219.556 Fluggäste, das waren 38 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Von Januar bis Oktober zählte der Airport insgesamt 1.379.165 Passagiere, 147 Prozent mehr als im Jahr 2021.

Der Flughafen Dresden begrüßte im Oktober 107.271 Passagiere. Damit steigerte sich das Aufkommen um 44 Prozent zum Vorjahresmonat. Insgesamt nutzten von Januar bis Oktober 740.080 Passagiere den Flughafen der Landeshauptstadt, 170 Prozent mehr als im Vorjahr 2021.

Zum Beginn der Wintersaison sind Flüge zu klassischen Urlaubszielen rund ums Mittelmeer, am Roten Meer und im Atlantik besonders gefragt. Auch die Verbindungen zu den Drehkreuzen und in europäische Metropolen erfreuen sich großer Beliebtheit bei den Fluggästen.“

Wir selbst sind nicht damals nicht dazu gekommen, die Zahlen in Vergleich zu setzen.  Die Zeit dazu hat sich jetzt das Aktionsbündnis gegen den Flughafenausbau genommen. Und kommt zu einem sehr ernüchternden Fazit.

Die Fluggastzahlen des Flughafens Leipzig/Halle

Veröffentlicht in „Fluglärmreport November 2022“ (Ausschnitt):

Bereits auf den ersten Blick ist verwunderlich, dass das aktuelle Passagieraufkommen mit dem Vorjahresaufkommen der Pandemie verglichen wird. Die Wachstumsraten sind umso größer, je weniger im Vergleichsmonat geflogen wurde.

Jeder aktuelle Vergleich mit Monaten der Pandemie bringt gigantische Wachstumsraten hervor. Um langfristige Trends analysieren zu können, dürfen Krisenjahre daher nicht betrachtet werden.

Irritierend ist, dass derartige Taschenspielertricks von professionellen Journalisten nicht hinterfragt werden. Dies ist umso kritischer, da sich die Passagierzahlen tatsächlich seit dem Jahr 2007 im Abwärtstrend befinden. Nachfolgend werden die auf der Homepage der Mitteldeutschen Flughafen Leipzig AG publizierten Zahlen grafisch dargestellt.

Dabei ist bereits auf den ersten Blick erkennbar, dass der Wert von 2007 in den Folgejahren nicht mehr erreicht wurde. Keiner hat dies kritisch hinterfragt, obwohl dies eine sehr bedenkliche Entwicklung ist, für
die sich das Management in der Öffentlichkeit rechtfertigen müsste.

Gezeigt wird die Entwicklung der Passagierzahlen von ’07 bis ’22. Dabei wurden die Krisenjahre ’21 und ’22 nicht mit betrachtet:

Entwicklung der Passagierzahlen am Flughafen Leipzig/Halle. Grafik: Aktionsbündnis gegen den Flughafenausbau
Entwicklung der Passagierzahlen am Flughafen Leipzig/Halle. Grafik: Aktionsbündnis gegen den Flughafenausbau

Der massive Einbruch der Passagierzahlen vom Jahr ’19 zum Jahr ’22 ist nicht pandemiebedingt. Die Krisenjahre wurden nicht mit einbezogen. Der starke Rückgang verwundert, denn nach den Coronabeschränkungen war die Reiselust ungebremst.

Weiterhin kann anhand der in der Grafik dargestellten Trendfunktion abgelesen werden, wie viel der Flughafen Leipzig/Halle seit 2007 jedes Jahr an Passagieren verliert, es sind 23.985. Vergleicht man das Jahr 2022 mit dem Vor-Corona-Jahr, dann sind 963.774 weniger Passagiere von Leipzig aus geflogen als noch im Jahr 2019.

Das ist eine dramatisch hohe Zahl, die das Management erklären muss. Vor allem, weil der Flughafen Leipzig/Halle stets auch als „Tor zur Welt“ beworben wird. Jedenfalls ist es jetzt nachvollziehbar, warum am „Tor zur Welt“ kein ICE und nicht einmal ein IC hält.

Anhand der hier dargestellten Zahlen ist evident, dass die vom Flughafen publizierte Passagier-Wachstumsrate in Höhe von 38 % kompletter Unsinn ist und keinerlei Aussagekraft besitzt, denn es wird der Oktober 2022 mit dem Corona-Oktober 2021 verglichen. Vielmehr soll ein positives Bild erzeugt werden, welches tatsächlich keinen Erkenntnisgewinn generiert.

(…)

In den Jahren 2021 und 2022 liegen hohe positive Wachstumsraten vor, nämlich 26 % und 147 %. Dies ist aber nicht aussagekräftig, da die Passagierzahlen von 2019 auf 2020 um 80 % eingebrochen sind. Daher sind allein Wachstumsraten informativ, die sich auf das Vor-Corona-Jahr beziehen.

So wird nämlich erst deutlich, dass die Passagierzahlen auch in den Jahren 2021 und 2022 signifikant zurückgegangen sind. Dies wird vom Flughafen-Management aber nicht publiziert und es wird von den sächsischen Leitmedien auch nicht hinterfragt.

Stattdessen wird das Tor-zur-Welt-Narrativ gebetsmühlenartig besungen und alle stimmen in den Chor mit ein, auch unsere Landesväter Kretschmer und Dulig, die es besser wissen.

Infolge der Eröffnung des Flughafens Berlin werden sich diese Zahlen auch nicht wieder erholen. Berlin ist mit dem ICE gut erreichbar und verfügt über attraktive Flugverbindungen. Jeder, der interessante Reiseziele ohne Zwischenstopp erreichen möchte, wird den BER präferieren.

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Es gibt 2 Kommentare

Gut dass Ihr die Zahlen so noch einmal deutlicher hinterfragt… Ich sehe allerding die Schlussentenz etwas anders. Der BER ist nicht sehr gut mit dem ICE oder den Öffis zu erreichen. In den allermeisten Fällen ist es rascher für wirklich Flüge FRA mit dem ICE zu erreichen und dort auf ein wesentlich günstigeres Angebot zu treffen als in allen anderen deutschen Flughäfen.
Natürlich ist es nicht angebracht angesichts der Klimakrise überhaupt noch oft zu fliegen. Jedoch wird es nötig bleiben im ethnischen Verkehr und wohl auch im geschäftlichen Verkehr, wenn auch auf einem ganz anderen Niveau von Quantität und Preis. Hier Leipzig nun allerdings abzuschreiben verkennt die Standortfaktoren, die aber vom bisherigen Flughafenmanagment, welches wohl vor allem politisch die Bias von Dresden und Leipzig erhalten soll ebenso gern verkennt. Leipzig/Halle liegt im Zentrum des Ballungsraumes der ElbeSaale Region, von hier werden alle Landeshauptstädte in 1h per Zu erreicht und Berlin ist als Markt ebenso gut zu erschließen. Der Berliner Flughafen, der sich angesichts seiner ungeheuerlichen Investitionen aus eigner Kraft noch viel weniger halten kann, als dies auch in LEJ der Fall ist ist dazu im ICE Netz allgemein weit ‘hinter’ Berlin in einer weitgehend dünn besiedelten Hinterland. Nur für Dresdner und Prager liegt der Flghafen quasi auf dem Weg nach Berlin. Leipzig dagegen liegt ziemlich zentral im Ostdeutschen HGV Netz und kann, bei entsprechender Nachfrage auch entsprechend einwohnerstarke Regionen anbinden. Dass sollten viell. nicht vor allem ICEs sein, sondern eher REs die die Regionen direkt fahren, die dringend auch industriell eine bessere Ereichbarkeit benötigen – vom Erzgebirge über Mittelsachsen bis in den Harz. Das bisherige Mangament scheint vor allem das Auto zu kennen, wie dies eben oft in Sachsen politisch gewollt ist. Nun ist der LEJ auf Luftseite als Destination sicherlich nicht so attraktiv wie Berlin. Angesichts dieser Standortvorteile, und der optimalen Anbindung im Schienennetz die nur von Frankfurt, Köln, eventuell Düsseldof und bald Stuttgart in Deutschland noch zu toppen ist, aber durch das Festhalten der Landesregierung am Flughafen Dresden (siehe Anbindung nach Prag und Berlin) immer wieder geschmälert bis verneint wird, würde ich aus regionalentwicklungspolitischer Sicht den Leipziger Flghafen auch als umweltbewegter nicht gar so schnell aufgeben. Interessant wäre doch vielmehr die allgemeine Luftfahrtkrise die glaube ich und hoffentlich wiederkehrt und der satte Preise von Tickets nicht in Gewinne sondern in CO² reduzierung Aufwand mündet zu nutzen und sich eben mit jenem Standortfaktor so aufzustellendass man zB aktiv auf echte Mittelstreckenflüge setzt, in Regionen die auch mit dem Nachtzug eher nur in +18h zu erreichen sind und die dann auch den Anschluss in die weitere Welt sicherstellen. Istanbul ist eine solche Destination, andere Hubs wären dann vielleicht noch die Golfstaaten, Kjew, (Moskau), London, Madrid, Addis Abeba oder ähnliches. Klar dass ist jetzt etwas fantastisch, aber parellel zu einer echten Weiterentwicklung der Langstreckenangebot der Bahn für die “Destinationen” Halle und Leipzig wäre so eine Standortpolitik meiner Meinung auch ökologisch zu vertreten und dem Ruf der alten Handelsstadt gerecht. Wer angesichts des Konflikstoffes vorab den Kopf einzieht gibt da den Standort Leipzig ein bisschen zu früh preis…

Prinzipiell ist der Unterschied zwischen Passagierzahlen und Frachtaufkommen extrem und rechtfertigt keinen stadtnahen Flughafen, der vor allem Waren befördert.

Allerdings gab es ja tatsächlich einen Aufschwung bis 2019, oder?
Statista stellte fest:
“Im Jahr 2021 gab es knapp 663.300 Passagiere am Flughafen Leipzig – immer noch deutlich weniger als vor der Corona-Krise. 2019 hatte es hingegen noch ein Wachstum gegeben. Für dieses waren vor allem Flüge nach Tunesien, Spanien und in die Türkei verantwortlich. Der Flughafen Leipzig bietet zurzeit 30 Direktflugziele an (Stand: August 2019).”

Eine Diagrammoptimierung scheint auch erfolgt zu sein: 2007 war ein “Ausreißer nach oben”.
So sah es ab 1992 aus:

2021 663.260
2020 526.438
2019 2.606.372
2018 2.556.702
2017 2.349.612
2016 2.177.382
2015 2.305.551
2014 2.298.329
2013 2.129.711
2012 2.279.221
2011 1.834.904
2010 1.847.193
2009 1.865.247
2008 2.006.118
2007 2.385.482
2006 2.156.563
2005 2.062.397
2004 1.949.559
2003 1.865.495
2002 1.867.672
2001 2.100.988
2000 2.196.481
1999 2.073.558
1998 2.018.897
1997 2.151.433
1996 2.083.568
1995 2.000.742
1994 1.804.684
1993 1.447.212
1992 1.011.853

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