Die im Mai und Juni 2022 in Leipzig stattgefundene World Canals Conference (WCC) hat sich als genau das entpuppt, als was sie geplant war: Als eine große PR-Veranstaltung für das, was einige Akteure im Leipziger Neuseenland seit Jahren beharrlich „Wassertourismus“ nennen, obwohl sie damit Bade- und Angelfreuden gar nicht meinen, sondern Motorbootstourismus auf dafür extra ausgebauten Kanälen. Zumindest bei den Grünen kommt die PR gar nicht gut an.
In der vergangenen Woche haben die Akteure der Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland aus Leipzig und den Landkreisen Nordsachsen und Leipzig das „Leipziger Logbuch“ vorgestellt.
Dass nicht einmal die schon auftretenden Probleme im Neuseenland (Harthkanal, Wasserschlange, Störmthaler Kanal), noch die längst sichtbaren Klimafolgen mit sinkendem Wasserangebot die Akteure in dieser Steuerungsgruppe darin bremsen, den Wasserausbau im Neuseenland weiter vorantreiben zu wollen, macht allein schon die Aussage der Leipziger Stadtverwaltung deutlich: „In diesem Zusammenhang wurden auch auf der Konferenz, die vollbrachten Erfolge wie auch die nach wie vor bestehenden Herausforderungen im Leipziger Neuseenland thematisiert. Ein klares Signal der WCC war, dass die bestehende derzeitige Stagnation kein Dauerzustand sein darf. Mit der positiven Energie und dem bestehendem wie gewonnenen fachlichen Know-how sollen weitere Projekte umgesetzt werden.“
Also weiter so – mit Steuergeldern, die immer neue Kanalprojekte investiert werden sollen, die für den Allgemeinbedarf gar nicht gebraucht werden. Auch der wieder einmal aufs Tapet gehobene Elster-Saale-Kanal nicht, der dann zwei Flüsse miteinander verbinden soll, die schon in den letzten Jahren über Monate unter absolutem Niedrigwasserstand litten.
Wie hält es Leipzig mit der Wasserrahmenrichtlinie?
Die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen jedenfalls kritisiert die hier wieder einmal deutlich gewordene Prioritätensetzung der Leipziger Stadtverwaltung im Bereich Wasserwirtschaft und das Festhalten an Planungen zum weiteren Ausbau von Kanälen und Verbindungen, wie sie kürzlich bei der Vorstellung der Ergebnisse der World Canals Conference deutlich wurden.
Die Fraktion fordert ein, dass Verpflichtungen aus der EU-Wasserrahmenrichtlinie ebenso Vorrang haben sollen, wie die Planungen zur Deregulierung des Gewässerknotens Leipzig und zur Versorgung des Leipziger Auwaldes.
„Mit den Gedankenspielen der Umweltverwaltung rund um die Leipziger Kanäle stellt sich die Frage, ob die Stadt Leipzig in Teilen immer noch Luftschlösser baut, statt sich um die eigentlichen Probleme zu kümmern“, sagt Jürgen Kasek, Stadtrat und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion. „Klar ist bereits jetzt, dass das Verbesserungsgebot der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die Qualität der Gewässer zu erhöhen, bis 2027 nicht erreicht werden wird. Damit droht ein EU-Vertragsstrafenverfahren. Es ist fraglich, ob die Stadt das Problem überhaupt wahrnimmt.“
Gerade der Umgang mit dem sinkenden Wasserangebot wird das zentrale Thema der nächsten Jahre. Ob es überhaupt noch genügend Wasser geben wird, die Tagebauseen zu befüllen, hat Kasek ja schon in einem Gastbeitrag deutlich bezweifelt.
„Auch vor dem Hintergrund des Klimawandels, der zumindest in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass die Niederschlagsmenge in Leipzig deutlich abgenommen hat, ist es nicht ratsam, noch weitere Wasserflächen mit einer höheren Verdunstung zu schaffen“, betont der Grünen-Stadtrat jetzt.
Wer rettet jetzt eigentlich die Flüsse?
Denn viel dringender als der Bau weiterer Kanäle ist schon seit langem die Rettung des Auenwaldes, wo in den nächsten Jahre sehr viel Geld investiert werden muss, um ihm überhaupt wieder Zugang zu den Wasserläufen zu verschaffen.
„Mit Blick auf die begrenzten finanziellen Ressourcen müssen wir klären, was jetzt in den nächsten Jahren wichtig ist. Der Großteil der Leipziger Gewässer ist in keiner guten ökologischen Qualität“, stellt dazu Dr. Tobias Peter, Fraktionsvorsitzender der Grünen, fest.
„Die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, die Entzerrung des Leipziger Gewässerknotens und die Wiederherstellung der dynamischen Aue sollten absoluten Vorrang haben. Dazu braucht es eine Klarheit über die dafür notwendigen Mittel, die Zeitschiene zur Umsetzung und die Prioritätensetzung bei den anstehenden Gewässerprojekten. Mögliche Projekte für Kanäle und die Öffnung von Mühlgräben müssen sich hier einordnen.“
Die Grünen-Fraktion hat hierzu eine Anfrage für die nächste Ratsversammlung eingereicht.
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