In der Fortschreibung des Lärmaktionsplans der Stadt Leipzig, die am Donnerstag, 4. August, vorgestellt wurde, gibt es auch eine Grafik zur Fluglärmbelastung. Das ist die unten abgebildete. Danach ist Fluglärm eigentlich kein Problem für Leipzig. Jedenfalls kein großes, weshalb dann auch die Diskussion des Fluglärms im Lärmaktionsplan sehr verhalten aussieht.
„In der Kartierung ist auch das gesamte Umland des Flughafens inbegriffen, inkl. der umliegenden Städte und Gemeinden. Am stärksten vom nächtlichen Flugverkehrslärm betroffen sind die Gemeinden Schkeuditz, Schkopau, Kabelsketal und Rackwitz. Sie bilden darum auch den Großteil der obigen Betroffenheiten ab“, heißt es direkt unter der abgebildeten Grafik.
Eine Aussage, die nicht wirklich mit der abgefragten Betroffenheit übereinstimmt. Die wurde in der Vergangenheit immer wieder in Bürgerumfragen abgefragt. Und sie ergab durchaus wahrnehmbare Zahlen – 2017 mit einem Spitzenwert von 9 Prozent der Befragten, 2020 mit 8 Prozent.
Das entspricht ungefähr 46.000 Leipzigerinnen und Leipzigern. Und zwar vorrangig in den von Fluglärm betroffenen Ortsteilen. Ohne die oben erwähnten Orte in den Nachbarlandkreisen.
Das Problem ist die Lärmkartierung: Die erfasst nicht die tatsächlich Betroffenen, sondern berechnet Lärmwerte, die man dann über die Ortsteile legt.
Und diese berechneten Werte haben dann meist nichts mit dem zu tun, was die Betroffenen erleben.
In der Anlage 1 zum Lärmaktionsplan wird das diskutiert. Und die Betroffenen in Lützschena-Stahmeln, Lindenthal, Rückmarsdorf oder Wiederitzsch dürften sich gewaltig auf den Arm genommen fühlen, wenn sie da zum Beispiel lesen: „Standort liegt außerhalb des Nachtschutzgebiets –Mittelungspegel Tag: 37,1 dB(A) / Mittelungspegel Nacht: 37,9 dB(A) / mittlere Aufwachreaktion von 0,21 / Schutzniveau gemäß PFB 2004 eingehalten“.
So steht es für den Sportplatz TSV Einheit Lindenthal e. V. da, wo von August bis Dezember 2016 mal gemessen wurde. Festinstallierte Messstellen gibt es ja im gesamten Leipziger Stadtgebiet bis heute nicht.
Und 37 dB(a) – das klingt wie ein erholsamer, ruhiger Ort. Stünde da nicht das Wort „Mittelungspegel“, in dem die zumeist nächtlichen Lärmspitzen einfach weggemittelt werden.
Nur alle fünf Tage aus dem Schlaf gerissen?
Sie tauchen nur in der scheinbar winzigen Zahl 0,21 auf – also den Aufwachreaktionen pro Nacht. Was ja bedeutet: Nur alle fünf Tage werden die Betroffenen, die hier im Umkreis wohnen, nachts von einem Überflieger aus dem Schlaf gerissen. Was natürlich gesundheitsschädlich ist. Und viel zu viel. Aber das betrachten die Leute, die diese Werte festgelegt haben, noch nicht als Aufforderung zum Handeln.
Alarmiert waren sie erst, als sich bei den Messungen am Windmühlenweg 24 in Lützschena-Stahmeln 2016/2017 rund 1,3 Aufwachreaktionen zeigten – der hier Wohnende wurde im Schnitt jede Nacht mindestens einmal aus dem Bett gelärmt.
Was ja unter anderem zur Folge hatte, beim Flughafen Überprüfungsmessungen in Auftrag zu geben in den Ortsteilen, wo die Einwohner regelmäßig aus dem Schlaf gerissen werden.
Umsetzungsstand: „Offen sind die Überprüfungsmessungen in den Ortsteilen Liebertwolkwitz, Knauthain und Burghausen (Zustimmung der FLK liegt vor) sowie der Messbericht zu den Messungen im Ortsteil Lützschena-Stahmeln.“
Und so lautet am Ende eigentlich auch das Fazit im Teilbericht zur Umsetzung des Lärmaktionsplanes: Umsetzung lückenhaft und zögerlich.
Oder mit den Worten des Berichts selbst: „Die zusammengestellten Maßnahmen zeigen sowohl umgesetzte als auch offene Vorschläge zur Reduzierung des Flug- und Bodenlärms ausgehend vom Flughafen Leipzig/Halle auf. Vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner der nördlich bzw. nordwestlich gelegenen Ortsteile Leipzigs fühlen sich durch die Lärmauswirkungen des Flughafens Leipzig/Halle belästigt.“
Wirklich lärmmindernde Maßnahmen werden seit Jahren vertrödelt
Das heißt: Selbst das, was 2004 festgelegt worden war und was nach quälenden Diskussionen in der Fluglärmkommission beschlossen wurde, wird nur zögerlich oder gar nicht umgesetzt.
Das größte Ärgernis: Die beiden Kurzen Südabkurvungen, die den Leipziger Westen und den Auwald direkt verlärmen.
„Neben den erfolgreich umgesetzten Verbesserungsvorschlägen der Stadt Leipzig gibt es jedoch auch Vorschläge zur Lärmreduzierung, deren Realisierung seit 2007 offen ist. Hier ist vor allem die Abschaffung der beiden Flugrouten zur Kurzen Südabkurvung zu nennen. Trotz wiederkehrender, vielfältiger und vehementer Einforderung der Abschaffung dieser Flugverfahren sowohl in der FLK als auch gegenüber den jeweiligen Behörden sowie Staats- und Bundesministern blieb der erhoffte Erfolg bisher aus“, resümiert der Bericht.
„Ebenso wird sich die Stadt Leipzig weiterhin mit dem laufenden Verfahren zur beantragten 15. Planänderung Start- und Landebahn Süd mit Vorfeld des Flughafens Leipzig/Halle und den damit verbundenen Lärmauswirkungen befassen“, obwohl der Bericht gleichzeitig feststellt, dass die Ausbaupläne des Flughafens in der aktuellen Form überhaupt nicht zustimmungsfähig sind.
Eine Liste des nicht Umgesetzten
Und erhellend ist auch die abgedruckte Liste der einfach nicht umgesetzten Lärmminderungsmaßnahmen.
„Einige der benannten Maßnahmen zur Reduzierung der Flug- und Bodenlärmbelastung am Flughafen Leipzig/Halle erfahren bisher keine Umsetzung bzw. für diese konnten auch keine Alternativmaßnahmen mit vergleichbaren Lärmentlastungen umgesetzt werden“, heißt es in der Anlage.
„Deren Realisierung ist weiterhin das Ziel der Stadt Leipzig für die Lärmaktionsplanung. Im Ergebnis eines Stadtratsbeschlusses der Leipziger Ratsversammlung zur Lärmaktionsplanung sowie im Rahmen der aktuellen Entwicklungen am Flughafen Leipzig/Halle sind außerdem durch die Stadt Leipzig weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Fluglärmbelastung für die Lärmaktionsplanung zusammengestellt worden.“
Die Liste der nicht umgesetzten Maßnahmen:
Gleichmäßige Verteilung der Starts und Landungen auf beide Bahnen (M 43 a)
Ausschluss von nächtlichen Triebwerksprobeläufen im Freien (M 43b)
Abschaffung der Kurzen Südabkurvung (M 43c)
Einsatz emissionsarmer Fahrzeuge mit alternativen Antrieben am Boden zur Reduzierung des Bodenlärms (M 43d)
Einführung von deutlich lärm- und emissionsabhängigen Start- und Landeentgelten (M 43e)
Und dazu kommen noch die Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen festgeschrieben wurden:
Mehrere Stimmen der Stadt Leipzig in der FLK (Neuaufstellung FLK, M 43f)
Prüfung einer Lärmobergrenze im Nachtzeitraum (M 43g)
Bindung des weiteren Ausbaus des Flughafens im Frachtbereich an die Umsetzung von aktiven und passiven Lärmschutzmaßnahmen (M 43h)
Überprüfung der Lärmbelastung in Leipziger Ortsteilen durch stationäre und mobile Fluglärmmessstationen und deren Darstellung im Fluglärmvisualisierungstool TRAVIS (M 43i)
Von diesen Maßnahmen hofft Leipzigs Verwaltung tatsächlich, dass sie von der aktuellen Landesregierung noch eingefordert werden können.
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