Am 22. Juli stellten der Städtische Eigenbetrieb Behindertenhilfe (SEB) und die Gemeinde Großpösna ihre Pläne zum Bau eines integrativen Campingplatzes am Störmthaler See vor. Ein 22-Millionen-Euro-Projekt, das mit massiven Eingriffen in die gewachsenen Biotope am Störmthaler See verbunden ist. Wie massiv diese Eingriffe sein werden, ist selbst im Umweltbericht zum Bebauungsplan „Östlich Grunaer Bucht“ nachzulesen.
Hauptsächlich betrifft das die zwei Hektar direkt am See, die der SEB noch dazupachten möchte. Die sieben Hektar ehemaliges Ackerland, auf dem der Campingplatz selbst entstehen soll, hat der SEB schon für 650.000 Euro gekauft.
Seit 2016 treibt die Gemeinde Großpösna hier die Bebauung des Seeufers voran. 42 Hektar will die Gemeinde noch erschließen.
Und das, obwohl es mit Lagovida schon seit Jahren ein ausgebautes Ferienressort gibt und viele Besucher des Störmthaler Sees es genießen, dass es noch unberührte Strandbereiche gibt, die noch nicht touristisch genutzt werden, wo sich seit 30 Jahren wieder Vegetation ansiedeln konnte und artenreiche Biotope entstanden wie genau jenes Schilfröhricht an jenem Strandabschnitt, der jetzt für den Campingplatz des SEB freigeräumt werden soll.
Buhnen statt Schilfgürtel
Im Umweltbericht zum Bebauungsplan heißt es dazu:
„Eingriffe in den See sind im Zuge der Planungsumsetzung vorgesehen. So soll ein Bootssteg am Natursportzentrum im Osten des PG errichtet werden. Eine Slipanlage und ein barrierefreier Badezugang ins Wasser werden im Bereich des Gastronomiegebäudes und der Surfschule hergestellt. Durch die Erweiterung des Badestrandes und der Einbringung von Buhnen als Schutz gegen Wellenschlag, finden weitere Eingriffe statt. Vor Beginn der Baumaßnahmen müssen im Zuge der Baufeldberäumung zudem bestehende Vegetationsbestände (Röhricht, Gebüsch) entfernt werden. Der Hanggraben muss über einen sehr kurzen Abschnitt von etwa 20 m unter den Verkehrsflächen entlanggeführt werden.“
Erstaunlich, dass da bei der LMBV nicht sämtliche Alarmglocken schrillen. Als Bergbausanierer ist sie für die Sicherung der Tagebauseen zuständig und hat sich augenscheinlich sogar verpflichtet, den neuen Campingplatz mit neuen Straßen und Parkplätzen aus Bergbausanierungsmitteln zu erschließen.
Am nordöstlichen Ufer des Störmthaler Sees musste die LMBV 2020 schon eingreifen und mehrere Buhnen bauen, weil der Wellenschlag die Uferböschung angegriffen hatte. Östlich der Grunaer Bucht kann man sehen, wie die Natur dafür sorgt, dass Ufer stabilisiert werden – nämlich durch ausgeprägte Röhrichtbestände, die den Wellenschlag abfangen und hunderten Arten einen Lebensraum bieten.
Doch genau diese Schilfgürtel wollen die Planer des Campingplatzes entfernen, um einen weiteren Strandabschnitt für den Tourismus zu erschließen.
Ist Erholung auch gleichzeitig Tourismus?
Dass dem auch der Regionalplan Westsachsen Tür und Tor öffnet, fasst der Umweltbericht so zusammen:
„Die anlagebedingte Nutzungsänderung auf Teilflächen des PG stellt einen Eingriff in das Schutzgut dar. Jedoch entspricht die Planung den rechtskräftigen Raumordnungsplänen (RPV LEIPZIG-WESTSACHSEN 2021, RPV WESTSACHSEN (2002), FNP 2016). Insofern ist der Eingriff bereits langfristig beabsichtigt und vorgesehen gewesen.
Insbesondere besteht bereits eine teilweise touristische Nutzung des Areals durch bestehende Wegebeziehungen in der Bergbaufolgelandschaft und des unweit entfernten Lagovida. Die Beeinträchtigung des Schutzgutes ist somit insgesamt als gering zu bewerten.“
Im Regionalplan wird der Strandabschnitt als „Vorbehaltsgebiet Erholung“ ausgewiesen, anders als der östliche und nördliche Teil des Störmthaler Sees, der dem Arten- und Biotopschutz vorbehalten ist.
Mit welchen Kapriolen der Umweltbericht dann erklärt, warum es überhaupt kein Problem ist, in die seenahen Bereiche baulich einzugreifen, wird in dieser Passage zum Schutzgut Boden deutlich:
„Bei dem im Norden und Nordwesten anstehenden Boden handelt es sich um Auffüllungen, die im Zuge der Rekultivierung des Tagebaus erfolgt sind und somit nicht mehr um natürlichen Boden. Die hierauf stattfindenden Überbauungen und Versiegelungen sind hier hinsichtlich des Schutzgutes Boden als unbedenklich zu bewerten. Der mit hohen Bodenfunktionen geprägte TB 4 (vgl. Kap. 2.2) wird lediglich durch den östlichen Teil des Campingplatzes in Anspruch genommen.“
Wertlose Ruderalkulturen?
Auf diesen Böden hat sich aber trotzdem in den vergangenen Jahren ein Laubholzbestand heimischer Baumnarten entwickelt – also ein junger, regional typischer Wald, in den genauso eingegriffen werden soll wie in den anschließenden Streifen von „Ruderalkultur frischer bis feuchter Standorte“ und erst recht in das ausgeprägte Röhricht, das sich im gesamten Strandabschnitt entwickelt hat.
Ruderalkultur ist nichts anderes als jene Vegetation, die sich auf Böden ansiedelt, wo der Mensch vorher tief in die Landschaft eingegriffen hat – also auch auf Bergbauflächen. Man kann auch von Pionierpflanzen sprechen, denen dann nach und nach andere heimische Pflanzen folgen und nach und nach wieder eine stabile Lebensgemeinschaft bilden. Und genau in diesen sensiblen Prozess sollen die Bauarbeiten eingreifen und ihn praktisch an dieser Stelle beenden.
Der Umweltbericht deutet zumindest vorsichtig an, dass Großpösna schon beim Bau von Lagovida seine Schwierigkeiten hatte, Ausgleichsflächen für die Biotopverluste am See zu finden. Der Satz dazu lautet: „Gemäß den Vorgaben des Entsiegelungserlasses des SMUL (2000) sollen Bodenversiegelungen vorrangig durch Entsiegelungsmaßnahmen ausgeglichen werden. Es ist zu prüfen, ob der Gemeinde Großpösna Flächen für mögliche Entsiegelungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.“
Parklandschaft statt Biotoperhalt
Und auch die Eingriffe in den Artenbestand durch den Bau des Campingplatzes selbst werden erheblich sein.
Im Umweltbericht heißt es dazu:
„Im Zuge der Baumaßnahmen können jedoch nicht alle Standorte geschützter Pflanzenarten ausgenommen werden, sodass ein Eintreten des Verbotstatbestandes vorauszusehen ist. Nach derzeitigem Planungsstand könnten Exemplare (kartierte Anzahl gesamt in Klammern) der Armenischen Traubenhyazinthe (~100), des Echten Tausendgüldenkrautes (>217), der Sprossenden Felsennelke (>523) und der Gewöhnlichen Golddistel (>5) von einer Überbauung betroffen sein. Von den meisten dieser Arten sind zahlreiche Exemplare vorhanden, die zumeist an mehreren Standorten verteilt stehen.“
Und dann gleich wieder die Abschwächung, damit die Genehmigungsbehörden einen Grund haben, dem Vorhaben doch zuzustimmen:
„Aufgrund der hohen Bestandszahlen muss zumeist nur ein kleiner Teil der jeweiligen Art entfernt werden, sodass der Erhaltungszustand insgesamt im Plangebiet nicht gefährdet wird, da die verbleibenden Bestände von einer Überbauung und Nutzung ausgenommen sind. Im Bereich des Strandes werden jedoch die 5 Exemplare der Gewöhnlichen Golddistel vollständig überplant. Zum Schutz dieser Art ist die Vermeidungsmaßnahme V 6 einzuhalten. Diese sieht eine vollständige Versetzung der Pflanze an einen Standort außerhalb der touristischen Nutzungen vor.“
Dass die Planer sogar fest mit dem „Eintreten des Verbotstatbestandes“ rechnen, ist durchaus bemerkenswert.
Hohe Bestandszahlen heißen aber nun einmal, dass sich hier einer der seltenen typischen Standorte herausgebildet hat, an dem die erwähnten Pflanzen tatsächlich gute Bedingungen vorfinden. Man kann sie nicht einfach irgendwo anders hin verpflanzen.
Schutzbereiche können nicht geschützt werden
Aber es wird noch besser, denn nur wenige Zeilen weiter stellt der Umweltbericht fest, dass bei einem touristisch genutzten Ort auch die Pflanzen außerhalb der öffentlichen Wege nicht sicher sind: „Es kann generell nicht ausgeschlossen werden, dass Besucher der Freizeitanlagen Grünflächen selbständig betreten und dabei geschützte Pflanzen beschädigen könnten. Dies liegt jedoch in der Eigenverantwortung der Personen selbst.“
Wie verantwortlich diverse „Personen“ mit dem Schutz unserer Natur umgehen, kann man derzeit bei den Waldbränden in Nordsachen und in der Sächsischen Schweiz sehen, wo hunderte Hektar Wald dem Feuer zum Opfer fallen, weil einige „Personen“ auch auf höchste Waldbrandwarnstufen keine Rücksicht nehmen.
Was für eine seltsame Erwartung ist es da, die Rettung geschützter Pflanzen von der „Eigenverantwortung der Personen selbst“ abhängig zu machen? Das wird schiefgehen. Aber das wird man erst merken, wenn man verblüfft das Verschwinden der geschützten Pflanzen in diesem Bereich feststellen muss.
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