Was die LVZ da am 11./12. Mai berichtet hatte, stößt zunehmend auf vehemente Kritik bei Betroffenen und Parteien. Denn wenn das stimmt, was da berichtet wurde, versucht ein Teil von Sachsens Staatsregierung die Zustimmung der Kommunen am Flughafen Leipzig/Halle zum geplanten Ausbau des Flughafens mit Millionen Euro zu kaufen. Deutlich werden inzwischen Grüne und Linke.
Laut dem Bericht soll der geplante Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle mit mehr als 40 Millionen Euro Investitionen in den Bau von Straßen und einer Schwimmhalle abgegolten werden.
„Ich bin sehr irritiert darüber, dass sich offenbar mit hohen Millionenbeträgen die Zustimmung der betroffenen Kommunen zum Flughafenausbau erkauft werden soll. Doch man kann Zustimmung nicht einfach kaufen, ohne bei den Themen Lärmschutz und Klimaschutz substanziell voranzukommen“, kommentiert Gerhard Liebscher, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, den Vorgang.
„Das ist das, was die Anwohnerinnen und Anwohner besonders beschäftigt. Das hat auch das Ergebnis einer Forsa-Umfrage gezeigt.“
Und während Finanzminister Hartmut Vorjohann die Koalitionspartner mahnt, im Doppelhaushalt 2023/2024 strenge Sparvorgaben einzuhalten, scheint genug Spielgeld in der Kasse zu sein, dass einige Ministerien für die Anrainerkommunen des Flughafens große Pakete schnüren können, mit denen sie Wunschprojekte umsetzen können.
„Der Finanzminister verweist immer wieder auf die schwierige Haushaltslage und dass alle ihren Gürtel enger schnallen müssten, um gleichzeitig hinter verschlossenen Türen mit ausgewählten Ministerien gegenüber Kommunen solche Versprechungen zu machen“, stellt Liebscher fest.
„Unseres Wissens nach gibt es dazu keine Einigung in der Landesregierung – noch dazu wäre so eine Summe ein gewaltiger Vorgriff auf den Haushalt. Das geht so nicht. Am Ende entscheidet der Landtag über den Mitteleinsatz und den Haushalt. Solche Abstimmungen haben einen faden Beigeschmack und erschweren die Haushaltsverhandlungen. Ich bin gespannt, welches Ministerium diese 40 Millionen Euro ‚übrig‘ hat und welche Aufgaben dafür wegfallen sollen.“
Noch mehr Verkehr, aber keine Lärmminderung
Grundsätzlich sollten zusätzliche Investitionsbedarfe in die Straßeninfrastruktur durch verstärkten Lkw-Verkehr vorrangig die nutznießenden und gewinnorientierten Verursacher, wie DHL oder Amazon, tragen, findet Liebscher. „Als Bündnisgrüne setzen wir uns dafür ein, dass die Lasten gerecht verteilt werden und auch die Großinvestoren ihren Beitrag leisten.“
Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hat zu dem Vorgang schon eine Anfrage für die nächste Ratsversammlung gestellt.
„Diese Zahlungen sollen sozusagen als Kompensation für den steigenden Flug-, Verkehrslärm und der zunehmenden Luftverschmutzung in den Gemeinden als ‚Stillhalte-Deal‘ angeboten werden. Das Planfeststellungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, trotzdem wird bereits im Hintergrund versucht Fakten zu schaffen“, stellt die Linksfraktion darin fest.
„Damit bei einer Umsetzung des geplanten Flughafenausbaus nicht weiter politischer Druck aufgebaut wird und damit die ökologischen und gesundheitlichen Folgen nicht weiter Beachtung erhalten, wird versucht mit den Gemeinden einen Gegendeal auszuhandeln. Sowohl die vom Fluglärm betroffenen Gemeinden und Städte als auch der Freistaat Sachsen rechnen z. B. mit einer Zunahme des LKW-Verkehrsaufkommen aufgrund der Erweiterung von DHL und Amazon. Für den Straßenausbau sind zusätzliche 25 Millionen Euro geplant.“
Wobei die Zahlen verblüffen, denn danach würde die stark vom Fluglärm belastete Großstadt Leipzig einfach ignoriert. Der Deal zielt nur auf einzelne Gemeinden im Leipziger Norden.
Und so hat die Linksfraktion zur nächsten Ratsversammlung ein paar sehr konkrete Fragen:
1. Führt die Stadt Leipzig mit dem Freistaat Sachsen Verhandlungen zu den oben benannten Entschädigungsmaßnahmen? Wenn ja: Wer, seit wann und mit welchen Verhandlungszielen führt diese Gespräche für die Stadt Leipzig mit dem Freistaat Sachsen?
2. In welcher Höhe und für welche Projekte sollen wann für die Stadt Leipzig finanzielle Mittel des Freistaates aus den vorgesehenen Kompensationszahlungen zufließen?
3. Welche Straßen und weitere Vorhaben und Projekte sollen in Leipzig und deren Ortsteile ausgebaut, respektive umgesetzt, werden? Zu welchem Zeitpunkt, respektive Zeitraum, sind die Baumaßnahmen geplant und wie lange werden die möglichen Baumaßnahmen dauern?
4. Wann und in welcher Form plant die Stadt Leipzig die betroffenen Ortschaften, Stadtbezirke, Stadträte, beziehungsweise Stadtrats-Ausschüsse, über die Gespräche mit dem Land Sachsen einzubinden, zu informieren und in den Austausch zu kommen?
Ein Beigeschmack von Schweigegeld
Auf die Antworten auf diese Fragen darf man gespannt sein. Denn egal, ob Leipzig solche Deals mit dem Freistaat macht, ändert sich nichts an der zu erwartenden Lärmbelastung und der enormen Klimaschädlichkeit des Flughafenausbaus.
„Wer glaubt, mit dem Bau von Straßen oder Schwimmbädern Gesundheits- und Klimaschutz einkaufen zu können, ist auf dem Holzweg. Die durch andauernden Nachtfluglärm beispielsweise verursachten Herz-Kreislauferkrankungen sind wissenschaftlich belegt und lassen sich nicht in einem Schwimmbad regenerieren. Haben wir denn nichts gelernt?“, sagt dazu Dr. Daniel Gerber, Leipziger Abgeordneter und klimapolitischer Sprecher der Bündnisgrünen-Fraktion im Landtag.
„Ich gönne der Kommune ihr Schwimmbad – darum geht es nicht. Aber es hat einen Beigeschmack von einem Schweigegeld. Es ist offensichtlich, dass mit den 40 Millionen Euro bei den betroffenen Kommunen Zustimmung erkauft werden soll. Vielmehr muss es aber darum gehen, Belastungen durch Fluglärm zu reduzieren und CO₂-Emissionen zu kompensieren. Statt an den Belangen der Anwohnenden vorbeizuagieren, braucht es einen echten Interessensausgleich. Schlussendlich sind ein Green Airport Konzept und aktiver Lärmschutz der bessere Weg als diese Vorgehensweise.“
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