Am Dienstag, 24. Mai, veröffentlichte das Landratsamt des Landkreises Leipzig die Ergebnisse des aktuellen Bibermonitorings im Landkreis. Sven Möhring von der unteren Naturschutzbehörde (uNB) bedankte sich bei der Bekanntgabe der Ergebnisse bei den Biberbetreuern und allen 24 Personen, die im vergangenen Winter an der Erfassung der Biberbestände mitgewirkt haben. Denn mittlerweile fühlt sich der Biber an vielen Gewässern wieder zu Hause.
In fast alle Fließgewässersysteme des Landkreises ist „Meister Bockert“ wieder vorgedrungen. Da aber mit seinem Vorkommen überall gerechnet werden muss, ist die Zahl der zu kontrollierenden Gewässer/Gewässerabschnitte auf eine fast unglaubliche Zahl angewachsen. So verfügt der Landkreis Leipzig auf seinen 1.600 km² Fläche über rund 1.900 km Fließgewässer. Davon unterliegen 272 km als Gewässer I. Ordnung der Unterhaltungspflicht der Landestalsperrenverwaltung und 1.425 km als Gewässer II. Ordnung jener der Kommunen.
Ohne viele Helfer wäre die Erfassung unmöglich
Ein Großteil dieser Fließgewässer ist potenzielles Biberhabitat. Denn: Unser größtes heimisches Nagetier gestaltet sich seinen Lebensraum selbst. Es ist in der Lage, auch aus einem unscheinbaren, sich geradlinig und strukturlos durch die Agrarlandschaft ziehenden Graben, einen mäandrierenden, arten- und strukturreichen Biotop zu formen. Daher ist die untere Naturschutzbehörde im Landkreis zwingend auf die Mithilfe von engagierten Biberbetreuern und Gewährspersonen angewiesen, welche Informationen zu Bibervorkommen erfassen und melden.
Nur so war es auch in der letzten Kartiersaison möglich, dass alle bisher bekannten 180 Biberreviere mindestens einmal begangen und Aussagen zur möglichen Präsenz der Tiere gemacht werden konnten. Alle bei der Naturschutzbehörde eingehenden Daten werden zum einen in der Artdatenbank (MultiBase) gespeichert, als auch statistisch ausgewertet und aufgearbeitet.
Inzwischen sind mehr als 15.000 Datensätze allein zu Biberbeobachtungen und -nachweisen erfasst und können bei Bedarf abgerufen werden. Für die tägliche Arbeit der unteren Naturschutzbehörde sind vor allem Informationen wie Anzahl der Tiere, Reproduktion, dem Bautyp, vorhandene Dämme und ggf. deren Auswirkungen (Vernässungen etc.) oder andere Konflikte/ Konfliktpotenziale von Bedeutung. Ein Erfassungsumfang, der nur über den engagierten ehrenamtlichen Naturschutz abgedeckt und realisiert werden kann, betont das Landratsamt.
Eine große Hilfe bei der Ermittlung von Bestandszahlen stellen seit fast zehn Jahren Wildkameras dar. Diese kommen in ausgewählten Biberrevieren zum Einsatz und können nächtelanges Ansitzen und Beobachten ersparen und liefern dennoch verlässliche Aussagen.
Der Biber entdeckt die Weiße Elster für sich
Nachdem am 19. Januar 2019 der erste Nachweis einer Biberansiedlung an der Weißen Elster nahe der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt bekannt wurde, hat die Ausbreitung enorm an Fahrt aufgenommen. Inzwischen existieren im Südraum von Leipzig mindestens 16 Biberreviere – Tendenz steigend.
Aufgrund der Fähigkeit der Biber, auch größere Gewässerdistanzen zu überbrücken und sogenannte Satellitenvorkommen zu gründen, muss inzwischen in allen Fließgewässern (und den daran angeschlossenen Stillgewässern) mit dem Auftauchen der Tiere gerechnet werden.
Bestes Beispiel hierfür ist die überraschende Ansiedlung im „Stauweiher Salzbach“, einem Nebenzulauf im näheren Quellgebiet der Eula. Das bisher nächstgelegene bekannte Bibervorkommen liegt 45 Fließgewässerkilometer unterhalb dieses Vorkommens. Auch das einjährige Intermezzo mindestens eines Bibers im „Mühlteich Pomßen“ (2017) passt in dieses Szenario. Hier waren mehr als 25 Fließgewässerkilometer am Stück überbrückt worden.
Über die Pleiße, Schnauder oder Weiße Elster haben die Biber inzwischen die angrenzenden Bundesländer Sachsen-Anhalt und Thüringen erreicht und setzen die Wiederbesiedlung ihrer vor mehr als 150 Jahren verlorenen Habitate erfolgreich fort.
120 Biberreviere besetzt
Im Landkreis Leipzig konnten im letzten Winter 120 besetzte Reviere kartiert werden. Hierbei wurden acht Mal Altwässer, 52 Mal Flachlandbäche, 26 Mal Seen und Teiche und 34 Mal Flüsse besiedelt (s. Tabelle). Im Vergleich zum Vorjahr war ein leichter Anstieg um sieben Reviere zu verzeichnen. Im traditionellen „Kern“gebiet der Biber – dem Einzugsgebiet der Mulden – blieb die Revierzahl jedoch konstant. Der Zuwachs ist vor allem der weiteren Ausbreitung im Südraum zu verdanken, wo neue Reviere erschlossen wurden.
Was den Biberbeobachtern auffällt: Es herrscht eine hohe Dynamik, was die Aufgabe, das Wieder-/Neubesetzen von Revieren angeht. Durchschnittlich werden jedes Jahr 15 Reviere aus unterschiedlichen Gründen aufgegeben und – über die letzten 8 Jahre betrachtet – 22 neu bzw. wieder besetzt.
Die Wahl des Bautyps, ob Knüppelburg, Mittel- oder Erdbau, ist unter anderem stark vom Uferprofil abhängig. So überwiegen in den Flussrevieren Erdbaue, welche oft in häufig vorhandene Steilufer oder unter Wurzelüberhänge gegraben werden. Mittelbaue, welche vor allem bei zu geringer Erdüberdeckung aus Erdbauen entwickelt werden, kommen dagegen an Bächen und Stillgewässern vor. Der Bau einer „klassischen“ Knüppelburg, d.h. frei stehend errichtet, ist nur selten zu beobachten. In der vergangenen Kartiersaison wurden lediglich sechs solcher Bauwerke registriert.
Wildkameras helfen bei der Beobachtung
Schwierig ist es, eine erfolgreiche Reproduktion nachzuweisen. Da die Biber vor allem dämmerungs- und nachtaktiv sind, ist der Sichtnachweis von Nachwuchs nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Langes – oftmals auch vergebliches – Ansitzen im Biberrevier, dabei gut „unterhalten“ von blutsaugenden Insekten, war früher hierfür notwendig, um verlässliche Informationen darüber zu erhalten. Heute helfen Wildkameras, diese und andere Fragen komfortabel zu klären. Erfreulicherweise konnten in 28 Revieren Jungtiere beobachtet oder durch andere Hinweise eindeutig nachgewiesen werden.
Dennoch ist das Zählen der im Revier anwesenden Biber mit Schwierigkeiten verbunden, sodass für den Gesamtbestand nur eine Schätzung abgegeben werden kann, betont das Landratsamt. Für den Landkreis Leipzig bedeutet dies, dass dieser aktuell 244 bis 321 Tiere beherbergt. In 65 Revieren lebten Familien mit mindestens einem Jungtier. Paare ohne Jungtiernachweis wurden in 43 Revieren registriert und 12 Mal gelang nur der Nachweis von Einzeltieren.
Erfreulich ist nach Einschätzung des Landratsamts, dass auch im Südraum mindestens vier Paare erfolgreich Nachwuchs aufzogen. In zwei weiteren Revieren bestand der Verdacht auf Reproduktion. Die durchschnittliche Familiengröße aller besetzten Reviere lag im gesamten Landkreis Leipzig bei 2,65 Tieren/Revier. Der Südraum rangierte mit 2,45 nur knapp darunter.
Wo Biber geboren werden, sterben natürlich auch Biber. So fallen jedes Jahr mehrere Tiere an, welche – so es denn ihr Zustand noch zulässt – geborgen und an der Universität Leipzig, Sektion Lebenswissenschaften durch Dipl. Biol. Ronny Wolf untersucht werden. Seit Juni vergangenen Jahres wurden sechs Tiere gefunden, wovon zwei durch Kollisionen mit Kraftfahrzeugen ums Leben kamen.
Der Biber als Landschaftsbaumeister
Da Biber als Landschaftsgestalter keine Rücksicht auf menschliche Belange nehmen, kommt es immer wieder zu Konflikten, welche es zu lösen gilt. Überstaute Ackerflächen, untergrabene Böschungen mit darüber liegender Infrastruktur, angefressene bzw. gefällte Gehölze im Siedlungsbereich oder Einstau von Ablassbauwerken sind geeignet, dass Betroffene nicht gut auf den emsigen Nager zu sprechen sind. Daher ist es vor allem Aufgabe der unteren Naturschutzbehörde, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen und für beide Seiten akzeptable Lösungen zu finden.
Die Bilanz der durch Biber verursachten „Schäden“ war freilich nach Einschätzung des Landratsamtes überschaubar. So wurde z.B. eine rund einen Hektar umfassende Wiesenfläche eingestaut oder das Ablaufbauwerk eines Fischteiches regelmäßig eingestaut. Der Einstau von Infrastruktur konnte durch die – behördlich genehmigte – Öffnung eines Biberdammes schnell behoben werden, so das Landratsamt.
Aktuell besteht in 14 Biberrevieren ein Konfliktpotenzial, welchem aber durch zumutbare und meist schnell umsetzbare Maßnahmen (Dammabtrag, Gehölzsicherung, Dammdrainage, Ufersicherung) begegnet werden kann.
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