Geht es nach der Gemeindeverwaltung Großpösna und Investoren aus der Stadt Leipzig, sollte der Bauleitplan „Östlich Grunaer Bucht“ möglichst rasch beschlossene Sache sein. Dieser gilt als Voraussetzung für umstrittene Erschließungsmaßnahmen am renaturierten Südufer des Störmthaler Sees. Der Gemeinderat Großpösna hatte im September 2021 die Entwurfsplanung für das Bauleitplanverfahren „Östlich Grunaer Bucht“ verabschiedet und die Gemeindeverwaltung hatte auf Nachfrage den Auslegungsbeschluss für das Frühjahr 2022 avisiert.
Doch nun kommt es zu Verzögerungen, die in Zusammenhang mit einem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag stehen könnten. Das vermuten zumindest Anwohner und Naturschützer, die seit Monaten Einsicht in die Ergebnisse der Artenerfassung anfragen. Obwohl diese bereits im Herbst 2021 abgeschlossen wurde, bleiben die Ergebnisse der Öffentlichkeit bislang vorenthalten.
Großpösnas Bauamtsleiter Patrick Wiederanders bestätigte nun Ende März 2022, der Fachbeitrag läge jetzt bei ihm. Das berichtet die Gemeinderätin Susann Christoph, sie hatte seit November 2021 mehrfach vergeblich um Einsicht in die Rohdaten der Artenerfassung gebeten. Während auch das öffentliche Interesse an den Ergebnissen der Artenerfassung groß ist, wäre Bauamtsleiter Wiederanders jedoch noch nicht dazu gekommen, Einblick zu nehmen.
Muss sich die Öffentlichkeit nun deshalb weiter gedulden? So sieht es zumindest Wiederanders, denn die Einsicht bleibt verschiedenen Interessenten weiterhin verwehrt. In dieser Konstellation scheint es schwer vorstellbar, wie die für den Biotop- und Artenschutz wichtigen Ergebnisse zeitnah eingeordnet und bauplanerisch umgesetzt werden sollen.
Wohin mit Uferschwalbe, Blaukehlchen & Co.
Dass die Gemeindeverwaltung sensible artenschutzrechtliche Erkenntnisse nur ungern teilt, ist zumindest aus deren Perspektive verständlich. Denn schon jetzt ist absehbar, dass für mehrere streng geschützte Arten, die ihren Lebensraum „Östlich Grunaer Bucht“ gefunden haben, nicht so ohne weiteres Ersatzhabitate gefunden werden können.
Eine Uferschwalbenkolonie (siehe Video) nistet in einer sandigen Abbruchkante im Areal östlich der Grunaer Bucht. Die Grenze des Bauleitplanes wurde zwar extra so angelegt, dass die Kolonie unmittelbar ausgegrenzt bleibt, jedoch beginnt der Lebensraum einer Uferschwalbe nicht ab Loch ihrer Niströhre westwärts und endet ostwärts. So ist das B-Plangebiet dennoch und unmittelbar dem Lebensraum der Uferschwalbe zuzuordnen.
Im Jahr 2021 konnten erstmals Blaukehlchen im Schilfzug „Östlich Grunaer Bucht“ nachgewiesen werden. Blaukehlchen gelten gemäß Roter Liste Sachsen als extrem selten, die Anzahl der Brutpaare in Sachsen wird im nur zweistelligen Bereich geschätzt. Ein Revier konnte dem Schilfbereich zugeordnet werden, der für das Strandbad und das Wassersportzentrum zu großen Teilen gerodet werden soll.
Die NABU-Ortsgruppe hatte daraufhin eine Studie zu den geschützten Schilfbestände am Störmthaler See durchgeführt und veröffentlicht. Demnach gehört der Schilfzug im Planbereich zum längsten zusammenhängenden, üppigsten und damit ökologisch wertvollsten Schilfzug am See.
Bisher konnte nur hier die Ansiedelung von Blaukehlchen registriert werden. Die Anzahl der Brutpaare bzw. Reviere verblieb 2021 für die NABU-Ortsgruppe noch unklar, auch deshalb ist man gespannt auf die Ergebnisse der Artenerfassung.
Der Nachweis von Blaukehlchen ist schon eine kleine Sensation, denn immerhin sind die Bestandsvorkommen weit geringer als z. B. die des Eisvogels, und der hat schon so einige größere Vorhaben zum Erliegen gebracht.
Aber es geht im Naturschutz schon lange nicht mehr nur um einzelne seltene und geschützte Tier- und Pflanzenarten.
Es geht vielmehr um Biodiversität, also um die Artenvielfalt, die die Grundlage für das komplexe Netzwerk bildet, was die Naturkreisläufe erhält. Dennoch können im Bauplanungsrecht bislang allein artenschutzrechtliche Belange geltend gemacht werden, die sich wiederum an spezifischen Arten abbilden.
Professioneller Interessenverbund unterdrückte ehrenamtliches Naturschutz-Engagement
Anwohner und Naturschützer kritisieren seit 2016 die zunehmende Invasivität der geplanten Maßnahmen für das Plangebiet „Östlich Grunaer Bucht“ und bemühen sich um eine naturverträgliche Lösung.
Eine naturschutzfachliche Begleitung der Vorplanungen hatte bisher nicht stattgefunden. Zwar waren auch Bürgervertreter, die sich für eine naturverträgliche Planung einsetzten, in einem sogenannten Projektbeirat vertreten, nur fanden deren Hinweise für verträglichere Lösungsansätze bisher kaum Beachtung. Natur- und Nachhaltigkeitssachverständige wurden gar nicht in den Projektbeirat involviert.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass der dominierende, professionelle Interessenverbund aus Gemeindeverwaltung, Investoren und Bauplanern zunehmend seine infrastrukturellen Bedürfnisse nach oben schraubte, ohne dabei der Bedeutung von gewässernahem Biotop- und Artenschutz sowie Nachhaltigkeitsaspekten Rechnung zu tragen.
Ganz anders als in der Gemeinde Großpösna äußert man sich auf Bundesebene mittlerweile doch sehr besorgt in Bezug auf den Artenbestand in Deutschland und fördert das zivilgesellschaftliche Naturschutz-Engagement.
Erst kürzlich machte die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz Sabine Riewenherm einen dringenden Handlungsbedarf in Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer neuen Roten Liste deutlich: „Der hohe Anteil bestandsgefährdeter Arten unter den aquatischen Insekten zeigt dringenden Handlungsbedarf: Um die besonders gefährdeten wassergebundenen Insektenarten wie Libellen, Steinfliegen und Eintagsfliegen und ihre Lebensräume besser zu schützen, müssen wir die Belastung der Gewässer weiter verringern, Gewässer naturnäher gestalten sowie naturnahe Gewässer und ihre Uferbereiche erhalten“.
Administrative Geheimniskrämerei im Widerspruch zu Transparenz und Beteiligung
Unklar bleibt, warum die Gemeindeverwaltung Großpösna die Ergebnisse der artenschutzfachlichen Erhebung unter Verschluss hält. Hier wünschen sich die zivilgesellschaftlichen Akteure in Aussicht des nahenden Auslegungsbeschlusses des Bauleitplanes mehr Transparenz.
Der naturschutzfachliche Partner, die Ökologische Naturförderungsgesellschaft Borna-Birkenhain e. V., war sogar angehalten, die Ergebnisse nicht der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Auch die Grünen Gemeinderäte Christoph und Vialon erhielten bis dato trotz mehrfacher Nachfragen keinen Zugang zu den seit Herbst 2021 vorliegenden Rohdaten.
Jetzt rufen der Verein UferLeben e. V., die NABU-Ortsgruppe Störmthaler See / Göselland und die Grünen Gemeinderäte für das Jahr 2022 zu einer eigenen bürgerwissenschaftlichen Artenerfassung im Areal „Östlich Grunaer Bucht“ auf. In diesem Citizen-Science-Ansatz können sich interessierte Bürger mit Flora-Incognita und der Plattform Insekten Sachsen an der Artenerfassung beteiligen.
Man kann mutmaßen, dass alle größeren Entwicklungsvorhaben „Östlich Grunaer Bucht“ bezüglich ihrer ökologischen Aktualität und Reife nochmals auf den Prüfstand müssen. Das betrifft das überregionale Strandbad, das universitäre Wassersportzentrum, den inklusiven Großcampingplatz und die dafür vorgesehene Infrastruktur.
Erholung, Bildung und Inklusion könnten ganz sicher in einem innovativen und nachhaltigen Konzept mit dem Biotop- und Artenschutz zusammengeführt werden und sogar voneinander profitieren. Eine Beteiligung von Natur- und Nachhaltigkeitssachverständigen sowie auch Anwohnern wäre dafür jedoch zwingend erforderlich. Der aktuelle Planungsansatz und die Intransparenz in Bezug auf Naturschutzbelange sind dagegen wiederum nur das Abbild eines unzulänglichen Beteiligungsverständnisses.
* Dr. Frank Beutner, Vorstand des UferLeben Störmthaler See e. V., der sich u. a. für die touristische Entwicklung am Störmthaler See mit Transparenz und Bürgerbeteiligung engagiert.
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