Die Mitteldeutsche Flughafen AG (MFAG) hat am Mittwoch, 16. März, gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zur Wahrnehmung des Flughafens Leipzig/Halle vorgestellt. Befragt wurden Bewohner der ganzen Region, nicht nur die vom Fluglärm Betroffenen. Das beeinflusst die Ergebnisse massiv.
Natürlich ändert sich dann der Fokus in einer Region, in der alle seit rund 30 Jahren darum kämpfen, dass sie wirtschaftlich endlich auf einen guten Ast kommt. Dass Flughäfen in der modernen Infrastruktur noch immer eine zentrale Rolle spielen, ist ja keine neue Erkenntnis. Nur war die ganze Befragung leider darauf ausgerichtet, genau das in den Mittelpunkt zu stellen.
Wer wird denn die Erweiterungspläne für einen Flughafen infrage stellen, wenn er so eminent wichtig erscheint, dass ohne ihn nichts geht? Was dann schon einmal den ersten völlig fehlenden Fragekomplex zu den Alternativen auf den Tisch bringt. Danach hat auch Forsa nicht gefragt.
Genauso wenig wie nach den tatsächlichen Umweltfolgen, zu denen nicht nur der (nächtliche) Fluglärm gehört.
Und so ist das Ergebnis aus Sicht des Flughafens ein rundum positives: „90 Prozent der Menschen, die rund um den Flughafen leben, erkennen seine Bedeutung als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. 71 Prozent sehen den Flughafen als Bereicherung. Aus den Daten ergibt sich ein großer Rückhalt in der Bevölkerung für den Flughafen Leipzig/Halle.“
Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat die Daten Ende Januar bis Mitte Februar in Leipzig und Halle sowie in den Landkreisen Leipzig, Nordsachsen und Saalekreis erhoben. Gefragt wurde 1.053 Personen nach der Bedeutung des Flughafens sowie nach der Sicht auf die Ausbaupläne und das Thema Lärmschutz.
Anlass für die Befragung war: Die MFAG will 500 Millionen Euro in neue Vorfelder, Logistik- und Bürogebäude investieren und damit die Grundlage schaffen, mehr Frachtflugverkehr abzuwickeln.
Was übrigens in der entsprechenden Frage nicht benannt wurde. Die lautete nämlich: „Dass durch die Erweiterung der vom Flughafen genutzten Flächen neue Standplätze und Rollwege für die Frachtflugzeuge und Abstellplätze für Geräte geschaffen werden, halten für …“ Und dann konnte mit „bedenklich“ oder „unbedenklich“ geantwortet werden.
Das Ergebnis ist dann: „Die Ausbaupläne sind unter den Befragten sehr bekannt, vor allem in Nordsachen (81 %). Insgesamt sind 58 Prozent der Befragten offen gegenüber einem Ausbau, 27 Prozent äußern Bedenken, 15 % haben keine Meinung dazu. Außerdem sind 61 Prozent der Befragten der Auffassung, dass die Proteste gegen die Ausbaupläne am Flughafen Leipzig/Halle die Meinung einer Minderheit vertreten. Eine Mehrheit in der Region, die gegen den Flughafenausbau eingestellt ist, sehen 17 Prozent.“
Auch das eine zumindest diffizile Aussage, denn was heißt das eigentlich, wenn 67 Prozent der Befragten zustimmen, wenn gefragt wird, ob sie schon einmal etwas von den Erweiterungs- und Ausbauplänen des Flughafens Leipzig/Halle gehört oder gelesen hätten.
Denn was haben sie darüber gehört? Wie gut sind sie tatsächlich informiert, auch über die Folgen? Denn hier kommt die Frage der Betroffenheit direkt ins Spiel. Wer direkt betroffen ist, informiert sich anders als jemand, für den der Flughafen nicht mal zu hören ist. Schon in der Fragestellung steckt also ein ziemlich ungemütliches „teile und herrsche“. Die Fluglärmbetroffenen wurden einfach unter die Menge der vom Fluglärm nicht Betroffenen subsumiert.
Und so entstehen natürlich Ergebnisse, die nicht wirklich zueinanderpassen. Das klingt dann so: „Große oder sehr große Bemühungen des Flughafens zur Verringerung des Fluglärms sehen 30 Prozent der Befragten, 29 Prozent glauben, diese Bemühungen seien gering. Als persönlich betroffen von Fluglärm sehen sich ‚gelegentlich‘ 19 Prozent und ‚häufig‘ 9 Prozent. 65 Prozent der Befragten fühlen sich über den Flughafen Leipzig/Halle ausreichend informiert, 13 % haben keine Meinung dazu, 22 Prozent wünschen sich mehr Informationen, vor allem zu Flugplänen und zum Ausbau.“
Und dann schaut man sich die Begriffe an, mit denen die Befragten den Flughafen assoziieren, und merkt, dass der Knackpunkt ein völlig anderer ist. Denn auch die Protestierenden gegen den Fluglärm attestieren dem Flughafen durchaus eine Rolle als „wichtiger Wirtschaftsfaktor“ in der Region, da gibt es nämlich Zustimmungswerte von 94 Prozent.
Die aber stehen in krassem Gegensatz zu nur 50 Prozent Zustimmung zur Aussage, der Flughafen handele glaubwürdig. Sogar nur 40 Prozent finden, der Flughafen kommuniziere offen und ehrlich. Nur 37 Prozent finden, der Flughafen handele fair. Genauso wie nur 37 Prozent finden, dass der Flughafen sich wie ein guter Nachbar verhält.
Das widerspricht völlig dem, was Götz Ahmelmann, CEO der Mitteldeutschen Flughafen AG, dann am Mittwoch sagte: „Die Umfrage untermauert, welch großen Rückhalt der Flughafen Leipzig/Halle in der Bevölkerung genießt. Das ist für mich persönlich wie für unsere Beschäftigten ein motivierendes Signal. Auch unsere Partner am Standort können sich ermutigt fühlen. Wir werden den Austausch mit unseren Nachbarn ausbauen und noch besser erklären, was wir tun und warum. Ich bin optimistisch, wir haben eine hervorragende Grundlage.“
Und auch die Aussage von Sachsens Staatsminister der Finanzen Hartmut Vorjohann ist durch die Zahlen eben nicht gestützt: „Der weitere Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle als internationales Frachtdrehkreuz, als Logistikzentrum im Herzen Europas und als Start- und Zielort für Reisende ist für Sachsens Zukunft von großer Bedeutung. Diesen Weg wollen wir gemeinsam mit den Menschen in der Region gehen. Deshalb ist diese Befragung so wichtig. Über das klare Bekenntnis der Bevölkerung zur Bedeutung des Flughafens bin ich froh.“
Übrigens nur 33 Prozent der Befragten meinten, der Flughafen handele umweltbewusst. Was dann ein weiteres Problem der Befragung sichtbar macht: Dass auch in der Region Leipzig/Halle viele Menschen noch nicht wirklich akzeptieren wollen, wie klima- und umweltschädlich der Flugbetrieb ist. 71 Prozent der Befragten stimmten nämlich der Aussage „Flugreisen gehören zum modernen Leben heutzutage einfach dazu“ zu.
44 Prozent meinten sogar: „Auf Flugreisen verzichten hieße für mich, auf Lebensqualität zu verzichten.“
Und erstaunlicherweise wurden auch die 65 Prozent, die sich ausreichend informiert fühlen über die Ausbaupläne nicht gefragt, über welche Informationen sie eigentlich verfügen. Nur die, die sagten, sie fühlten sich schlecht informiert, konnten dann Angaben machen, was ihnen alles an Informationen fehlte.
Eine Auflistung, die zumindest ahnen lässt, was auch die scheinbar Informierten alles nicht wissen – oder auch nicht wissen wollen, da sie in der Regel auch von den Folgen nicht betroffen sind.
Von den Folgen des Klimawandels sind sie freilich schon betroffen. Aber wer bringt den mit einem Flughafen in Verbindung, wenn doch erstaunlich viele Leute noch immer der Meinung sind, Fliegen gehöre zum modernen Leben einfach dazu?
Obwohl auch das eine irreführende Kategorie ist, denn beim Flughafenausbau geht es eben nicht um den Passagierverkehr. Nach der Notwendigkeit des nächtlichen Expressgutverkehrs und dessen Sinn in einer vom Klimawandel bedrohten Welt wurde überhaupt nicht gefragt.
Alles in allem also eine Umfrage, die mit erstaunliche Forschheit genau von den Konflikten ablenkt, die der Flughafenausbau mit sich bringt. Und zwar zuallererst für jene 28 Prozent, die vom Fluglärm tatsächlich betroffen sind.
Forsa hat eine repräsentative Stichprobe der Bevölkerung in der Region Leipzig/Halle mithilfe des institutseigenen Online-Panels „forsa.omninet“ befragt. Das Befragungsgebiet umfasste die Stadt Leipzig, die Stadt Halle, den Landkreis Leipzig, den Kreis Nordsachen sowie den Saalekreis. In diesem Gebiet wurden insgesamt 1.053 Bürger ab 18 Jahre repräsentativ befragt. Die Erhebung erfolgte vom 26. Januar bis zum 16. Februar 2022.
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