Man hätte es nicht für möglich gehalten, dass 30 Jahre nach der Wende noch derartige „PFV-Schnellschüsse“ möglich sind. In Sachsen unter einer schwarz-rot-grünen Regierung offensichtlich schon. Ein halbes Jahr nach Beendigung des Anhörungsverfahrens zum größten derartigen Projekt in Ostdeutschland nach der Wende und zugleich klimaschädlichsten Verkehrsprojekt Deutschlands verkündet die Landesdirektion Sachsen, dass das Erörterungsverfahren stattfinden kann – aber dies nur online!
Dabei war das Verfahren der Bekanntmachung/Offenlegung und der Einwandmöglichkeiten bereits ein demokratisches Desaster. Ende Juli 2021 endete die Einspruchsfrist für das PFV zum Airport-Ausbau, wobei es da ja im eigentlichen Sinne „nur“ um die Bedarfsbefriedigung von DHL ging. Amazon, Wolga-Dnepr, Militärhubschrauber-Wartungsbasis, Deutsche Aircraft (Flugzeugbau- und Tests) sind da noch gar nicht eingepreist. Warum eigentlich nicht?
Stapelweise Widersprüche von Bürgern, Verbänden, Gemeinden und Städten, teilweise mit rechtsanwaltlicher Betreuung. Die Mängel des Verfahrens bzw. der eingereichten Unterlagen waren so gravierend, dass man sich fragte, warum so etwas überhaupt erst als Diskussionsgrundlage angenommen wurde. Kein Wunder, denn in der Planfeststellungsbehörde sitzen noch die gleichen Leute, die schon vor 20 Jahren das PFV zur Umsiedlung von DHL nach Leipzig durchgezogen haben.
Und nun muss auch noch Corona herhalten, um jene, die Einwände formulieren, und mithin die Öffentlichkeit, auf Distanz zu halten. Digital ist man natürlich dem Gegenüber nicht so direkt ausgesetzt. So lässt sich die Auseinandersetzung bequem und locker aushalten. Zudem, eine Onlineerörterung wird weder von der Presse noch der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Dabei haben nach der ersten Auslegungsrunde der Landesdirektion Sachsen (LDS) nach eigenen Angaben 3.974 Einwendungen von insgesamt 5.638 Einzelpersonen vorgelegen, nach der zweiten Rund lagen der LDS Ende Juli 2021 6.350 Einwendungen vor. Wobei bei 17 Kommunen Einwendungen auch bei diesen selbst eingereicht werden konnten, die Ende August der LDS wohl noch nicht vorlagen.
Darüber hinaus wurde ein mit Stand 15. Februar 2021 von 7.522 Bürgern gezeichnetes Positionspapier und ein Ordner mit Kommentaren zur Petition „Kein weiterer Ausbau des Frachtflughafens Leipzig-Halle“ der LDS übergeben, also auch Einwendungen. Die Petition selbst erreichte dann im Juni 10.650 Unterschriften. Hier sind also dicke Knüppel zu bearbeiten und zu beantworten.
Der alleinige Online-Weg kann und darf nicht gegangen werden. Er muss aber ein zusätzliches Angebot sein. Weder dürfen Nicht-Internetaffine von einer direkten öffentlichen Diskussion ausgeschlossen werden, noch darf man bei der Wahrnehmung demokratischer Rechte zwischen Geimpften und Ungeimpften unterscheiden.
Zumal bereits die aktuellen Corona-Verordnungen Präsenzveranstaltungen zulassen. Die geplante Vorgehensweise wäre also mit den aktuellen Corona-Vorschriften nicht konform. Und diese Erklärung hätte ich dann doch gerne, welchen Unterschied es macht, ob man sich im Bundestag, in Landtagen oder zu Stadtratssitzungen mit angemessenen Hygieneregeln zur Ausübung des/der demokratischen Rechts/Pflicht trifft oder zur Diskussion über den Ausbau der schon heute dreckigsten und lautesten stadtnahen nächtlichen Lärmquelle Deutschlands!
Räumlichkeiten gäbe es genug. Von der Kongresshalle über Kultursäle oder Aula der Volkshochschule bis hin zum Rathaussaal selbst.
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