Nachdem ein LVZ-Artikel im Juni zur Zukunft des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain auch schon im Leipziger Stadtrat die Pferde scheu gemacht hatte, gibt es mit der Auskunft des Wirtschaftsministeriums an die Landtagsabgeordnete der Linken Antonia Mertsching auch eine Positionierung der Landesregierung. Welche Auswirkungen wird die jahrelange Flutung des Pereser Sees tatsächlich auf Leipzigs Gewässersystem haben?

Immerhin geht es um rund 390 Millionen Kubikmeter Wasser, die nach den bisherigen Planungen zwischen 2039 und 2054 das Riesenloch des heute noch aktiven Tagebaus füllen sollen. Und da ein Volllaufen allein mit Grundwasser nicht reichen wird, weil dann am Ende bestenfalls ein kleiner See im riesigen Krater entsteht, soll das benötigte Wasser aus der Mulde und der Weißen Elster abgezweigt werden.

Bislang hatte das Thema noch niemanden wirklich aufgeregt. Denn bis zum „Kohlekompromiss“ galt das Jahr 2040 als Enddatum der Kohleförderung. Denn praktisch beliefert der Tagebau nur das Kohlekraftwerk Lippendorf. Mit dem Kohlekompromiss geht das aber spätestens bis 2035 vom Netz.

Ende der Kohleförderung: Tag X rückt näher

2023 laufen die Fernwärmelieferungen an die Stadt Leipzig aus. Der Tag, an dem keine Kohle mehr gefördert wird, rückt also immer näher. Und endlich macht sich auch die Region Gedanken darüber, was dann mit diesem riesigen Loch in der Erde passieren soll.

„Über die Renaturierung und Befüllung des Pereser Sees wird in bergrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren entschieden. Dabei sind hydrologische Untersuchungen per Gesetz Bestandteil der Verfahren. Die Stadt Leipzig wird sich gleichwohl hier als Beteiligte dafür einsetzen, dass eine Befüllung des Pereser Sees mit Wasser der Weißen Elster nicht mit Nachteilen für die naturschutzkonforme Auwaldentwicklung verbunden sein wird“, hatte das Leipziger Umweltdezernat auf eine Anfrage der Linksfraktion im Stadtrat hin mitgeteilt.

Auf einmal zwei Seen am Horizont

Richtig munter wurde die Regionalpolitik aber auch erst, als die Mibrag aufgrund des früheren Ausstiegsdatums im Kohlekompromiss ihre Revierplanung aktualisierte und im Regionalen Planungsverband Westsachsen im Frühjahr 2021 vorstellte. Auf einmal rutschte der Flutungsbeginn für den Riesentagebau über die Horizontlinie.

Das Thema, mit dem man sich zuvor noch lange nicht ernsthaft beschäftigen wollte, rückt auf einmal in Greifweite. Samt den Zahlen, die da augenscheinlich einige Politiker ob ihrer schieren Größe regelrecht erschreckt haben.

„Das wird ein richtig großer See – mit einem Volumen von 430 Millionen Kubikmetern und einer Wassertiefe von bis zu 80 Metern“, um mal Andrea Berkner, den Geschäftsführer des Planungsverbands Westsachsen zu zitieren.

In ursprünglichen Planungen war der See gar nicht so groß angedacht, statt der jetzt im Raum stehenden 1.200 Hektar sollten es in älteren Planungen nur 589 Hektar werden. Geflutet werden sollte in einem wesentlich kürzeren Zeitraum von 2045 bis 2051. Man hätte also keinen neuen Supersee bekommen, wie es jetzt auf einmal skizziert ist, sondern einen deutlich kleineres See in einem Tagebaurestloch, das in weiten Teilen renaturiert worden wäre.

Es geht ja auch darum, einen langfristig stabilen See zu bekommen, in den nicht immer wieder Wasser nachgepumpt werden muss. Bislang aber gibt es nur die Revierplanung der Mibrag und überhaupt kein abgeschlossenes wasserrechtliches Verfahren, teilt das Wirtschaftsministerium auf Mertschings Anfrage hin mit.

Für den Leipziger Auwald braucht es zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung

„Die neue Revierplanung der MIBRAG für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain (Stand Ende 2020) enthält auch Kenndaten zum Gesamtwasserbedarf für die Flutung der beiden im Tagebaugebiet entstehenden Tagebaurestseen ‚Groitzscher See‘ und ‚Pereser See‘, einschließlich Auffüllung des Porenvolumens der abgesenkten Grundwasserleiter. Weiterhin sind Angaben zur Art der Flutung (Herkunft des Flutungswassers) und zum Flutungszeitraum aufgeführt. Der Groitzscher See soll beginnend ab 2030 mit Tagebausümpfungswasser aus dem Abbaufeld Peres geflutet werden. Für den Pereser See ist ab 2039 eine Fremdflutung aus der Weißen Elster oder alternativ der Mulde (Pumpstation Sermuth – Speicher Witznitz) geplant.“

Da die Mibrag auch die Renaturierung der von ihr genutzten Tagebaue zu leisten hat, liegt auch die Flutung in ihrem Aufgabenbereich. Aber ganz allein bestimmen, wie die Tagebauseen künftig aussehen, kann sie nicht.

„Die Flutung eines Tagebaurestsees wird im Regelfall in einem wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren zum Herstellen eines Gewässers zugelassen. Das Planfeststellungsverfahren hat konzentrierende Wirkung, sodass alle mit der Gewässerherstellung zusammenhängenden Entscheidungen, wie etwa die Entnahme von Wasser zur Flutung, mitgetroffen werden“, stellt das Wirtschaftsministerium fest.

„Für das Erteilen der wasserrechtlichen Erlaubnis ist es Voraussetzung, mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt und damit auch auf die zur Entnahme vorgesehenen Gewässer und deren benachbarte Ökosysteme (Auen) zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten. Es sind Alternativen zu untersuchen, um erhebliche nachteilige Auswirkungen auf unter anderem die Schutzgüter Mensch, Tier, Pflanze und Wasser auszuschließen beziehungsweise zu minimieren. Der Leipziger Auwald ist im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung bezüglich seiner Betroffenheit gleichfalls zu betrachten.“

Zuerst geht es um den Groitzscher See

Ob der Pereser See dann wirklich die angestrebte Größe bekommt, ist völlig offen. Und wir werden es auch nicht vor dem Jahr 2024 erfahren. Denn wirklich intensiv in den Planungen ist die Mibrag erst mit dem Groitzscher See: „Nach Aussage der MIBRAG haben die Vorarbeiten (unter anderem Modellierungen zur Verbesserung der Prognosesicherheit des Bedarfs an Flutungswasser) zur Erstellung von Antragsunterlagen zur Planfeststellung bereits begonnen. Das Einreichen eines Antrags bei der Landesdirektion Sachsen zur Herstellung des Groitzscher Sees wird durch die MIBRAG für 2023/2024 angestrebt.“

Dessen endgültige Flutung war eigentlich erst ab 2040 bis 2050 geplant, nachdem die Mibrag das Abbaufeld Groitzscher Dreieck von 2030 bis 2040 noch abgebaggert hätten. Aber mit dem Kohlekompromiss war klar, dass die Kohle im Groitzscher Dreieck gar nicht mehr gebraucht wird. Man kann jetzt also die endgültigen Planungen für den schon entstandenen Groitzscher See in Angriff nehmen, der damit auch deutlich kleiner wird als die ursprünglich geplanten über 500 Hektar.

Ob dann der Pereser See tatsächlich so groß wird, wie bislang diskutiert, muss sich im wasserrechtlichen Verfahren klären. Denn die Flutung mit Wasser aus Mulde und Weißer Elster soll genau in dem Zeitraum passieren, in dem der Leipziger Auwald laut Planung endlich wieder zu einer offenen Gewässeraue wird.

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Es gibt 3 Kommentare

Muss wahrscheinlich nicht, aber es bietet sich vermutlich an.
Weil sowieso Volumen fehlt: die Kohle! Also bliebe eine tiefe Mulde.
Weil 80m Verfüllung mit frischem Abraum eher ein Jahrhundert braucht, um sich zu setzen.
Siehe B95/B2, die sich noch Jahrzehnte danach “verschieben” bzw. der Aufwand beim Bau der A72 und A38.

Muss eigentlich jedes Tagebauloch zwangsläufig ein See werden? Kann man die nicht wieder verfüllen mit dem entnommenen Abraum und den Rest der Natur überlassen!?

Wenn im “Pereser Loch” ja vielleicht schon eher aufgehört wird, Kohle zu fördern:
Wieso kann ein neuer See dort auf einmal doppelt so groß in der Fläche werden?

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