Noch wehren sich auch Kommunen in Sachsen gegen die Erkenntnis, dass der Braunkohletagebau viel früher enden könnte als geplant. Nur langsam verabschiedet man sich von dem Gedanken, dass die Kettenbagger bis 2042 rattern könnten. Jetzt rückt erst einmal das im Kohlekompromiss beschlossene Ausstiegsjahr 2035 in den Fokus. Auch das bedeutet, dass endlich die Planungen für die Zeit nach Ende des Kohleabbaus beginnen müssen.

Das Kernrevier im Südraum ist durch den Strukturwandel am stärksten und auch bis 2035 am längsten betroffen, formuliert das Landratsamt des Landkreises Leipzig den Stand aus seiner Sicht und blendet erst einmal aus, dass die Koalitionspartner in der neuen Regierung in den Sondierungsgesprächen auch eine Formel niedergeschrieben haben, die der „Spiegel“ so zitiert: „Auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung wird unter diesem Punkt erwähnt. ‘Idealerweise gelingt das schon bis 2030’, lautet die vorsichtige Formulierung.“

Kohlekraftwerke müssen rasch vom Netz

Und „idealerweise“ steht hier nicht nur für „wünsch mir was“, sondern auch dafür, dass Deutschland die eigenen Klimaziele nur schafft, wenn die Kohlekraftwerke deutlich früher vom Netz gehen als im Kohlekompromiss beschlossen.

Und ob das Kraftwerk Lippendorf überhaupt bis 2030 in Betrieb ist, weiß auch noch niemand. Die steigenden Preise für CO2-Zertifikate haben Kohlestrom schon jetzt deutlich verteuert. Und Sachsen wird mit Wucht zu spüren bekommen, dass es den Ausbau erneuerbarer Energien noch viel heftiger ausgebremst hat als etwas Bayern oder Baden-Württemberg.

Wie weiter nach Ende des Kohleabbaus im Tagebau Vereinigtes Schleenhain?

„So verändert der Kohleausstieg und damit verbunden auch das frühere Aus des Kraftwerks Lippendorf nicht nur die bisherigen Planungen der MIBRAG und der Region für die Nachfolgezeit, sondern auch das künftige Arbeits- und Lebensumfeld unserer Bürgerinnen und Bürger“, formuliert das Landratsamt die kommenden Herausforderungen. Die Kommunen rings um den Tagebau Vereinigtes Schleenhain wollen die verbleibende Zeit nutzen, um die Zeit nach dem aktiven Tagebau gut vorzubereiten.

Fest steht bereits als Landschaftselement der Pereser See, der nach seiner Flutung den Großteil der rekultivierenden Flächen einnehmen wird. Auch gibt es erste Ideen, wie weitere Flächen nachhaltig genutzt werden können. Großteils offen ist jedoch, wie sich der Strukturwandel wirtschaftlich, sozial und demografisch auswirken wird. Auch dazu, wie sich die kommunalen Steuereinnahmen entwickeln oder die künftige Infrastruktur gestaltet werden kann, fehlen noch belastbare Prognosen und Informationen, so das Landratsamt.

Landrat Graichen: Noch haben wir die Chance, aktiv zu steuern

Diese offenen Punkte und mögliche Lösungsansätze sollen in einem Maßnahmenplan systematisch aufgearbeitet werden. Auch die Prozesse, um die Einwohner aktiv an den Entwicklungen zu beteiligen, müssten erst durchdacht und geplant werden. Aktuell bereitet das Aktionsbündnis daher einen Antrag auf Fördermittel vor, um den Maßnahmeplan als künftiges Strategie- und Handlungskonzept erarbeiten zu können.

„Jetzt haben wir noch die Chance, die Entwicklung der Seen und der Folgelandschaft aktiv zu steuern“, sagt Landrat Henry Graichen. Gerade angesichts der aktuellen Dynamik in der Ausstiegsdiskussion brauche es jetzt schnell die Grundlagen für die weiteren Schritte. „Wir müssen genau wissen, was machbar ist und was wir wollen.“

Die Akteure in Groitzsch, Neukieritzsch, Regis-Breitingen, Zwenkau, der MIBRAG, dem Planungsverband Leipzig-Westsachsen und im Landkreis Leipzig haben – so das Landratsamt – das Ziel einer innovativen Bergbaufolgeregion vor Augen, „mit spürbaren Impulsen für die wirtschaftliche Entwicklung.

Weil hierfür alle Potenziale genutzt werden sollen, wird das Aktionsbündnis perspektivisch auch über die Ländergrenze nach Thüringen hinweg aktiv werden. Mit ins Boot geholt werden sollen die Städte Böhlen, Lucka und Meuselwitz, die LEAG, der Landkreis Altenburger Land und die Planungsgemeinschaft Ostthüringen.“

Kohleausstieg führt zu umfassenden Änderungen

Und auch beim benachbarten Tagebau Profen gibt es erheblichen Gesprächsbedarf. Hierfür soll am 10. November in Pegau die Präsentation des “Länderübergreifenden regionalen Entwicklungskonzepts für die Bergbaufolgelandschaft Profen” gezeigt werden.

Mit dem geplanten Ausstieg aus der Kohleverstromung steht auch die Region rund um den Tagebau Profen (Burgenlandkreis und Landkreis Leipzig) vor umfassenden Veränderungen. Mit dem nun vorliegenden regionalen Entwicklungskonzept “LüREK” wurde über ein Jahr lang eine regionale Strategie erarbeitet, die einen ersten Schritt zur gemeinsamen Umsetzung von Maßnahmen, ein Leitbild sowie Handlungsmaßnahmen aufstellt.

Das LüREK beinhaltet eine Analyse und Bewertung, um eine regional abgestimmte und überregional anerkannte Handlungsstrategie abzuleiten und Zielsetzungen bis zum Jahr 2050 zu formulieren. Neben der Arbeits- und Wirtschaftswelt verändern und entwickeln sich auch Mobilität, Natur und Landschaft sowie Tourismus.

Eingebettet in das Strukturwandel-Projekt mit der “Innovationsregion Mitteldeutschland” wurde von den Beteiligten ein gemeinsam getragenes Leitbild für eine koordinierte nachhaltige Regionalentwicklung in der Bergbaufolgelandschaft erarbeitet, welches die Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Region zum Ziel hat.

Das LüREK ist eine von rund 25 regionalwirtschaftlichen Untersuchungen des Strukturwandelprojektes “Innovationsregion Mitteldeutschland”. In dessen Rahmen entwickelt die Europäische Metropolregion Mitteldeutschland (EMMD) gemeinsam mit den Landkreisen Altenburger Land, Anhalt-Bitterfeld, Burgenlandkreis, Leipzig, Mansfeld-Südharz, Nordsachsen und Saalekreis und den Städten Halle (Saale) und Leipzig neue Strategien und Projekte für Innovation und Wertschöpfung, um den Strukturwandel in der Region aktiv zu gestalten.

Präsentation zum Tagebau Profen am 10. November in Pegau

Das Vorhaben wird im Rahmen der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” (GRW) durch den Bund, den Freistaat Sachsen, das Land Sachsen-Anhalt und den Freistaat Thüringen gefördert. In der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland (EMMD) engagieren sich strukturbestimmende Unternehmen, Städte und Landkreise, Kammern und Verbände sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Der Burgenlandkreis und der Landkreis Leipzig laden gemeinsam mit den Städten Pegau, Hohenmölsen, Zeitz, Lützen und Gemeinden Teuchern, Elstertrebnitz und Elsteraue zur Vorstellung der Konzeptergebnisse am 10. November, um 18 Uhr, in das Volkshaus Pegau (Kirchplatz 3) ein.

Anmeldung: Am 10. November 2021 werden die Ergebnisse in Pegau vorgestellt. Für die Teilnahme am Konzeptforum um 18Uhr im Volkshaus Pegau, muss eine Anmeldung bis zum 1. November 2021 per E-Mail unter info@luerek-profen.de und unter Angabe des Namens erfolgen. Aufgrund der aktuellen behördlichen Anordnungen ist die Teilnehmerzahl begrenzt und ohne vorherige Anmeldung nicht möglich.

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