Erst einmal „Stopp!“ heißt es in Zwenkau am Zwenkauer See für das seit 2016 mit Konsequenz vorangetriebene Bauprojekt Harthweide. Hier soll – direkt östlich der Stadt – ein komplettes neues Wohngebiet am See entstehen. Das Gelände wurde schon planiert, die Erschließungsstraßen angelegt. Noch Ende Juli sah die Stadt hier die Bauarbeiten losgehen. Aber eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Bautzen setzt jetzt erst einmal alles auf Null.
Der Grund scheint winzig, aber die Entscheidung, die das OVG am Dienstag, 3. August, veröffentlichte, zeigt auch, dass auch in den höheren Gerichten des Freistaats so langsam das Verständnis dafür wächst, dass alle schönen Baupläne nichts nutzen, wenn die darin versprochenen Naturausgleiche nicht gesichert sind.Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat mit seinem am Dienstag, 3. August, veröffentlichten Urteil vom 14. Juli 2021 auf einen Normenkontrollantrag einer Anwohnerin den Bebauungsplan Nr. 35 „Harthweide“ der Stadt Zwenkau für unwirksam erklärt.
„Maßgeblich war für den Senat, dass die Durchführung der von der Stadt Zwenkau vorgesehenen Maßnahmen zum Ausgleich der Eingriffe in Natur und Landschaft, die auf Flächen außerhalb des Plangebiets und außerhalb des Gemeindegebiets erfolgen sollen, im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Stadt über den Bebauungsplan nicht hinreichend gesichert waren“, erläutert das OVG.
„Denn der städtebauliche Vertrag mit der Eigentümerin der Flächen, die für die Durchführung dieser Ausgleichsmaßnahmen vorgesehen sind, enthält keine Sicherungen für die Stadt Zwenkau. Außerdem lag dieser Vertrag im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht vor.“
Es ist ein Problem, das auch im Leipzig selbst immer wieder auftritt: Bauherren – egal, ob die Stadt selbst oder private Bauträger, – sind verpflichtet, für alle Eingriffe in den Pflanzenbestand und die vorhandenen Lebensräume von Tieren und Insekten auf dem Baugelände einen echten Ausgleich zu schaffen. Und zwar 1:1, möglichst in Nähe des Geländes, und wenn das nicht möglich ist, anderswo im Stadtgebiet.
Nur bleibt der 2019 vorgelegte Bebauungsplan für das ziemlich große Gebiet am See gerade an dieser Stelle denkbar unkonkret.
Dass man dabei auf ein Gebiet als Ausweich setzte, dessen Eigentümerin überhaupt keinen Vertrag mit der Stadt hatte, diese Kompensation zu übernehmen, erzählt auch von der Not, solche Flächen auch im Zwenkauer Stadtgebiet noch zu finden.
Und so richtig wollen sich auch kommunale Verwaltungen noch nicht eingestehen, was das eigentlich bedeutet, wenn man im Stadtgebiet keine freien Flächen mehr für Kompensationen hat, aber trotzdem weiter Baugenehmigungen ausreicht, mit denen bislang vor allem landwirtschaftlich genutzte Flächen überbaut oder gar Biotope zerstört werden. In ganz Sachsen geht dieser Flächenverlust durch Bautätigkeiten munter weiter – und das bei einer stagnierenden Bevölkerung.
Wenn aber keine (eigenen) Kompensationsflächen mehr zur Verfügung stehen, setzt das ein gewaltiges Fragezeichen über solche Baupläne wie das neue Wohngebiet „Harthweide“. Mit dem Gerichtsbeschluss ist der Bebauungsplan jetzt erst einmal ausgesetzt.
Alle Ankündigungen der Stadt Zwenkau sind jetzt erst einmal Makulatur, auch die vom 26. Juli gemeinsam mit der Sächsischen Seebad Zwenkau GmbH & Co.KG verschickte zum Verkehrskonzept während der Bauarbeiten. Denn gebaut werden darf vorerst nicht.
Die Stadt Zwenkau kann erst einmal nur gegen die Nichtzulassung der Revision vorgehen, wie das OVG betont: „Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann jedoch innerhalb eines Monats nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.“
Aber eigentlich zwingt das Urteil die Stadt nun dazu, einen anderen Ort für die Kompensation der Natureingriffe zu finden und vertraglich zu sichern. Bevor dieser Part nicht gesichert ist, kann auch der Bebauungsplan nicht wieder in Kraft gesetzt werden. Auf Kosten Dritter jedenfalls kann der Bauherr die Eingriffe nicht kompensieren.
Und nicht nur für Zwenkau dürfte das ein sehr deutlicher Hinweis darauf sein, dass man solche Kompensationen nicht einfach nur alibimäßig in Bebauungspläne schreiben darf, sondern vorher absichern muss, dass es überhaupt eine Möglichkeit für die Kompensation gibt, über die die Stadt selbst verfügen kann. Da dürfte so manches Bauvorhaben an seine Grenzen gelangen.
Aus Sicht von Zwenkaus Bürgermeister Holger Schulz kam die Urteilsbegründung nicht unerwartet. „Die zur Urteilsfindung herangezogene Begründung ist aus Sicht der Stadt Zwenkau heilbar, es müssen die entsprechenden Verfahrensschritte und Zeitfolgen eingehalten werden“, geht er jetzt auf die nächsten Schritte zur Lösung des Problems ein.
„Die konkreten Auswirkungen für die Bauaktivitäten der Bauherren in der Harthweide können momentan nicht gänzlich abgeschätzt werden. Im Wesentlichen hängt das von der Bewertung der Urteilsbegründung durch die genehmigende Behörde, das Landratsamt des Landkreises Leipzig, ab.“
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Es gibt 3 Kommentare
Finde ich auch gut.
Ich weiß, das wird zunehmend schwierig, aber nichts zu tun, aussitzen oder zu ignorieren wird das Dilemma nicht lösen.
Wer schreibt solche unkonkrete Passagen für irgendwelche Bittsteller in einen Bebauungsplan?
Wenn so ein Signal erst durch eine mutige Anwohnerin und ein Oberverwaltungsgericht (2. Instanz!) kommen muss, zeigt das auf ein erbärmliches Naturverständnis der Stadt Z. und mutmaßlich auch des Verwaltungsgerichts (als 1. Instanz) in Leipzig hin.
Man mag auf lasche deutsche Gesetze schimpfen, aber die Gesetze zum Naturschutz sind erstaunlicherweise eine scharfe Waffe. Gut so!
Immobilienhaie hassen diesen Trick
Endlich ein wichtiges Signal für den Naturschutz!