Seit einigen Jahren haben die Aktionen von Ende Gelรคnde auch in Sachsen fรผr Aufsehen gesorgt. Und meist ein juristisches Nachspiel gehabt, obwohl die Aktionen fรผr die Bergbaubetreiber LEAG und MIBRAG in der Regel keine wirtschaftlichen Folgen hatten. Aber man kann Protest sehr leicht diskriminieren, indem man ihn vor Gericht bringt. Doch nicht nur am Bundesverfassungsgericht รคndert sich die Einschรคtzung dessen, was fรผr unsere Gesellschaft gefรคhrlicher ist. Ein kleiner Erfolg fรผr Ende Gelรคnde.
Am Landgericht Cottbus wurde am Dienstag, 4. Mai, der Berufungsprozess von drei Klimaaktivist/-innen mit der Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung eines Betrags an die Staatskasse und Pro Asyl e. V. beendet. Die drei Personen gehรถren zu den โLausitz23โ, einer Gruppe von Klimaaktivist/-innen von Ende Gelรคnde und Robin Wood, die im Februar 2019 zwei Kohlebagger der Betreibergesellschaft LEAG in Jรคnschwalde und Welzow-Sรผd besetzt hatten.โDas Einstellungsangebot ist das Mindeste gewesen. Engagement fรผr Klimagerechtigkeit ist wichtiger denn je. Wir werden darรผber weiter auf der Straรe und in der Grube verhandelnโ, sagte eine/-r der angeklagten Aktivist/-innen.
Anlass der Baggerbesetzung am 4. Februar 2019 war der Beschluss der Kohlekommission, erst im Jahr 2038 aus der Kohle auszusteigen und in der Zwischenzeit weiter das Klima anzuheizen.
Am 25. Februar 2019 fand am Amtsgericht Cottbus die erstinstanzliche Verhandlung gegen die drei Aktivist/-innen mit den Wahlnamen Nonta, Stanley und Vincent statt. Der Richter nannte die Absichten der Besetzenden โhonorigโ, verurteilte sie aber dennoch zu zwei Monaten Haft ohne Bewรคhrung.
Nach der Angabe ihrer Identitรคt wurden Nonta, Stanley und Vincent aus der Haft entlassen und es wurde Berufung eingelegt. Die Cottbusser Behรถrden zeigten im Fall der Lausitz23 bisher einen exzessiven Straf- und Ermittlungswillen, wie sich schon in der Begrรผndung des Urteils 2019 zeigte, das verhรคngt wurde, um โden Angeklagten durch die Verhรคngung einer kurzen Freiheitsstrafe vor Augen zu fรผhren, dass man sich auf diese Weise nicht einer Bestrafung einfach entziehen kann. Es ist dabei unerheblich, welche Qualitรคt das zugrunde liegende Delikt hat.โ
Aber genau das stimmt nicht. Ein Gericht hat die โQualitรคtโ des Delikts unbedingt zu bewerten. Gerichte, die anders werten, machen sich selbst zur Partei und kriminalisieren damit auch gesellschaftlichen Protest. In der Argumentation der Bergbaubetreiber hat so ein Protest auf โihremโ Gelรคnde nicht stattzufinden. Entsprechend martialisch klingen auch die Pressemeldungen der LEAG. Sie behandeln es wie Privatgelรคnde und ihre โ in diesem Fall klimaschรคdliche โ Geschรคftsidee fรผr eine reine Privatsache. Auch in Sachsen bekamen sie damit immer wieder auch Rรผckhalt in Politik und Justiz.
Aber erst mit dem โ unbefugten โ Betreten des Bergbaugelรคndes wurde der Protest von Ende Gelรคnde und Robin Wood auch medienwirksam. Und โunbefugtโ ist das Betreten vor allem aus Sicherheitsgrรผnden. Wer ihm zuwider handelt, begibt sich selbst in Gefahr. Eine diffizile Frage gerade bei den Protesten gegen den massiven Einfluss der deutschen Kohleindustrie auf die deutsche Politik, die โ statt einen durchaus finanzierbaren Kohleausstieg bis 2030 zu unterstรผtzen โ alle ihre Einflussmรถglichkeiten nutzte, den faulen Kohlekompromiss zustande zu bringen, der auch den Kohleabbau in der Lausitz bis 2038 mรถglich macht.
Der nun mรถglicherweise nicht mehr haltbar ist, wenn die Bundesregierung den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. April ernst nimmt und vor 2030 darangeht, die CO2-Emissionen in Deutschland deutlich zu senken. Denn der Beschluss bestรคtigte die Haltung der Klagefรผhrer, dass mit dem โKlimaschutzgesetzโ nicht einmal ansatzweise erreicht wird, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Dafรผr mรผssten schon deutlich mehr Kohlekraftwerke vom Netz gehen.
Inzwischen will die Bundesregierung โ wie der โSpiegelโ berichtete โ laut Vizekanzler Olaf Scholz den Zielwert sogar auf eine Senkung von 65 Prozent anheben. Was noch fehlt, sind die Zahlen. Und es sieht ganz so aus, als mรผsste an der Stelle entweder der Kohlekompromiss noch einmal aufgeschnรผrt werden. Oder die Bundesrepublik muss die Tagebaubetreiber anders dazu bringen, ihre Tรคtigkeit bis 2030 zu beenden.
Das Landgericht Cottbus jedenfalls hat trotz des Widerwillens der Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens angeboten, die die Angeklagten akzeptierten.
โEine Verurteilung wรคre angesichts der immer lauter werdenden รถffentlichen Forderungen, den Kohleabbau endlich zu stoppen, und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der letzten Woche nicht zu begrรผnden gewesenโ, betont Ende Gelรคnde. โDoch ob Urteil, Einstellung oder Freispruch โ unser Protest bleibt legitim!โ
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Es gibt 2 Kommentare
Es ist ja auch kein Gerichtsbericht. Diese finden sich hier: https://www.l-iz.de/leben/faelle-unfaelle oder รผber den tag: https://www.l-iz.de/tag/prozessberichte
Sorry, aber der Bericht aus dem Gerichtssaal ist ein bisschen dรผnn.
Die drei Aktivisten haben ihre zwei Monate abgesessen, gehen danach in Berufung und kommen mit einer Einstellung des Verfahrens wieder heraus gegen Zahlung von Geld?
Was beurteilt das Landgericht anders als das Amtsgericht? Bekommen die Aktivisten eine Haftentschรคdigung? Wenn das Verfahren doch eingestellt wurde?
Fragen รผber Fragen.