Es war zumindest einen Versuch wert, den das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft (SMEKUL) da im Landkreis Nordsachen gestartet hat: Eine Bürgerbefragung, wie man künftig mit einem der Abschnitte an der Mulde zwischen Eilenburg und Bad Düben umgehen könnte. Immerhin hätte das ein Vorzeigeprojekt im sächsischen Auenprogramm werden können. Aber die Betroffenen sind noch nicht so weit. Die Bürgerbefragung liegt jetzt vor.
Im Rahmen eines Bürgerbeteiligungsverfahrens haben das SMEKUL und das Landratsamt Nordsachsen einer breiten Öffentlichkeit die Möglichkeit gegeben, Positionen und Meinungen zu einer Machbarkeitsstudie (MBS) im Rahmen des Projektes „Lebendige Mulde“ als Grundlage für die weitere Entscheidungsfindung einzubringen.Ein Kernanliegen bestand darin, die persönlichen Betroffenheiten und Interessen der Grundstückseigentümer und -bewirtschafter, Anwohner, Akteure und Interessenvertreter zu erfahren und gegebenenfalls konkrete, noch zu ergänzende Untersuchungsinhalte in die Machbarkeitsstudie aufzunehmen.
Vier Maßnahmenbereiche am Fluss waren definiert:
1) Hainichen-Zschepplin,
2) Mörtitz-Gruna-Laußig,
3) Hohenprießnitz-Glaucha,
4) Laußig-Pristäblich.
Diese Abschnitte an der Mulde zwischen Eilenburg und Bad Düben bieten in besonderem Maße Möglichkeiten, natürliche Überschwemmungsbereiche der Mulde wiederherzustellen und im Hochwasserfall als Überschwemmungsflächen verfügbar zu machen. Baulich sollte dies unter anderem über einen Teilrückbau von Deichen bzw. über Deichrückverlegungen erfolgen.
Das Beteiligungsportal war vom 11. Februar bis 31. Juli 2020 freigeschaltet. Es gingen insgesamt 378 auswertbare Fragebögen sowohl aus dem Landkreis als auch darüber hinaus ein.
Das Ergebnis des öffentlichen Beteiligungsverfahrens fällt in den vier Maßnahmenbereichen sehr unterschiedlich aus, betont das Landratsamt. In den Bereichen 1, 3 und 4 unterstützten etwa 50 bis 51 Prozent der Teilnehmer die skizzierten Maßnahmen, die vor allem darin bestehen würden, der Mulde in diesem Gebiet wieder Überschwemmungsflächen zu eröffnen. Im Teilbereich 2 (Mörtitz, Gruhna, Laußig) dagegen waren es sogar nur sieben Prozent.
Vor allem füllten Menschen die Fragebögen aus, die von der Öffnung der Aue an dieser Stelle wirtschaftlich betroffen wären. Entweder, weil bei Hochwasser ihre landwirtschaftlichen Flächen überschwemmt würden oder auch weil ihre Gewerbebetriebe möglicherweise betroffen wären.
Die Fürsprecher
Immerhin gab es ja auch Befürworter der Auenöffnung: Die Befürworter des Projektes aus den Bereichen 1, 3 und 4 erwarten einen verbesserten Hochwasserschutz und verbinden dies unter anderem mit dem Wunsch nach verstärkter „aktiver Aufklärung der hier lebenden Bevölkerung darüber, dass ein effizienter Hochwasserschutz ohne weitreichende Auen als Pufferzone nicht funktionieren wird“. Auch ein fairer Interessenausgleich für die im Gebiet wirtschaftenden Landwirte wird im Rahmen des Projektes erwartet. Denn es muss ja nicht gesetzt sein, dass die Gewerbetreibenden in der Aue bleiben.
Wenn man daran festhält, kann man den Flüssen in Sachsen ihre natürlichen Ausbreitungsräume nicht zurückgeben. Die Unterstützer sehen im Projekt unter anderem „eine einzigartige Chance, positiv auf die Natur zu wirken“ und „erwarten eine Wiederherstellung verloren gegangener Lebensräume“, eine „erhebliche ökologische Aufwertung der Muldeaue“ sowie die „Verbesserung des Biotopverbundes und Erhöhung der Biodiversität“ und damit verbunden eine weitere Erhöhung des Erholungswerts der Region“ und „Attraktivität beim Wohnen“.
Die Ablehnungen
Ablehnungsgründe speziell im Maßnahmenbereich 2 sind Ängste vor dem Verlust des bestehenden Hochwasserschutzes und vor sinkenden Grundstückswerten. Im Vordergrund steht, dass keine Veränderung gewünscht ist („Alles soll so bleiben, wie es ist“) und dass Einschränkungen in der landwirtschaftlichen Bewirtschaftbarkeit befürchtet werden.
In der Gesamtschau der Auswertungsergebnisse und in Anbetracht der geringen regionalen Unterstützung des Projektes im Maßnahmenbereich 2 (Mörtitz, Gruna, Laußig) kam nun das SMEKUL zu der Entscheidung, die Machbarkeitsstudie mit den insgesamt vier Maßnahmebereichen nicht weiter wie geplant zu verfolgen.
Weiterarbeiten mit drei Flussabschnitten
Im Hinblick auf die drei Bereiche, in denen die Zustimmung bei ca. 50 Prozent liegt, gibt es seitens der Teilnehmer unterschiedliche Erwartungshaltungen zur Klärung ihrer vorgebrachten Themen und Probleme. Hier besteht seitens des SMEKUL das Angebot, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Alternativprojekt zu prüfen, das die Optimierung des Gebietswasserhaushaltes und die gewässerstrukturelle Aufwertung mehr in den Mittelpunkt stellt.
Grundsätzlich bedarf es hierbei eines geeigneten Kommunikationsprozesses, um sowohl die Informationen gleichmäßig zu verteilen als auch die Interessenlagen der unterschiedlichen Akteursgruppen einzubinden und eine breite inhaltliche Auseinandersetzung mit weiteren Projektansätzen zu ermöglichen, betont das Landratsamt.
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