Jens Hausner ist das Gesicht der Proteste gegen die Abbaggerung von Pödelwitz im Leipziger Südraum. Seit Januar 2021 ist nun auch vertraglich gesichert, dass die Mibrag keine Ansprüche mehr auf das Dorf hat. Das Dorf ist gerettet. Wir sprachen mit Jens Hausner auch über die Frage: Wie geht es im halb leergezogenen Dorf nun weiter?
Vor einigen Jahren hatte die LZ schon Gelegenheit, mit Jens Hausner über das Thema Pödelwitz und der möglichen Abbaggerung des Ortes zu reden. Jahre des Kampfes gegen die Devastierung ihres Ortes liegen nun hinter ihm.
Ein Kampf, der dank zahlreicher Unterstützung nun erfolgreich beendet ist. Seit 21. Januar 2021 verzichtet die Mibrag im Abbaugebiete Pödelwitz und Groitzscher Dreieck auf den Abriss des Dorfes.
Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch. Dennoch stehen Sie nun eigentlich vor zahlreichen Problemen. Da wäre zum einen die Tatsache, dass auf Drängen der Mibrag die Mehrheit der Dorfbewohner von Pödelwitz schon umgesiedelt ist.
Die Frage stellt sich natürlich, wie soll es in dem hauptsächlich „leergwohnten Dorf“ weitergehen? In welchem Zustand befinden sich die Anwesen und noch vorhandenen Häuser?
Zur Einwohnerzahl und den Grundstücken. In Pödelwitz leben noch 11 Familien auf sieben Wohngrundstücken. Auf dem Einwohneramt der Stadt sind momentan 25 Einwohner gemeldet. Auf einem Kirchengrundstück unterhalb der Kirche gibt es außerdem einen Projektgarten, wo sich zusätzlich ca. 10 Menschen in einer gleitenden Besetzung im Dorf befinden (AAA Pödelwitz, aaapoedi.noblogs.org).
Zirka ein Drittel der Grundstücksfläche im Dorf gehört privaten Eigentümern, ca. ein Drittel gehört der Stadt Groitzsch und ein Drittel der Grundstücksflächen gehört der Mibrag. Außerdem gibt es zwei Grundstücke, die dem Kirchspiel Groitzsch gehören. Die Mibrag hat ihre Grundstücke im Ort über privatrechtliche Verträge erworben.
Wie soll es nun im Ort weitergehen?
Wir haben bereits nach dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung vom Dezember 2019 im Februar 2020 eine Einwohnerversammlung durchgeführt, um Ideen und Vorstellungen zur Zukunft von Pödelwitz zu bündeln. Dazu haben wir dann basisdemokratisch eine Dorfentwicklungsgruppe gebildet, die aus den gesammelten Ideen und Vorstellungen ein Maßnahmen-Positionspapier erstellt hat.
Dieses Papier haben wir im Juni 2020 veröffentlicht. Man findet es auch unter www.alle-doerfer-bleiben.de unter Dörfer/Pödelwitz/Maßnahmen- und Positionspapier ,,Pödelwitz hat Zukunft“. Dieses Papier soll nun eine Arbeitsgrundlage für die Politik auf den verschiedenen Ebenen (Kommune, Landkreis, Freistaat Sachsen), für die Mibrag und für die Einwohner/-innen von Pödelwitz sein.
Die Punkte aus diesem Papier sollen nun mit verschieden Konzepten zusammen mit allen Beteiligten unterlegt werden. Dazu sind jetzt Arbeitstreffen notwendig. Die ersten Kontakte für solche Treffen sind bereits geknüpft. Unsere Vertreter/-innen aus der Dorfentwicklungsgruppe sollen sämtliche Verhandlungen führen. Nun müssen wir schauen, wie wir gemeinsame Schnittmengen finden (was sich für mich als der schwierigste Part darstellt).
Wir sind aber schon in Vorarbeit gegangen und haben den Verein ,,Pödelwitz hat Zukunft e. V.“ gegründet, um selber Fördermittel aus verschiedenen Fördertöpfen für bestimmte Projekte beantragen zu können.
In welchem Zustand befinden sich die Anwesen und noch vorhandenen Häuser?
Alle Grundstücke der Mibrag sind vom Trinkwassernetz (Frostschutz, Vermeidung Wasserschäden) und vom Stromnetz getrennt (Brandschutz). Der Zustand der Häuser bereitet uns zunehmend Sorgen. Durch den Leerstand wird nicht mehr geheizt und gelüftet. Dadurch entstand ein Kondenswasserproblem in den Gebäuden, welches mit Sicherheit schon Schäden verursacht hat.
Seit den Stürmen im Winter 2018 und 2019 sind viele Dächer der Mibrag-Immobilien beschädigt und nicht wieder instand gesetzt worden. Das hat bereits zu massiven Wasserschäden in den Gebäuden geführt. Um weitere Schäden zu vermeiden, zählt meines Erachtens jeder Tag.
Gibt es Ideen, wie eventuelle Interessenten an den Grundstücken bzw. Häusern angelockt werden können?
Dieses Problem stellt sich gar nicht. Seit dem Koalitionsvertrag im Dezember 2019 erleben wir einen regelrechten Pödelwitz-Tourismus. Das hat sich nach dem 21. Januar 2021 nochmal verschärft. Wir erhielten unzählige Anfragen, wie und wann man Grundstücke in Pödelwitz erwerben kann.
Das hat uns veranlasst, dass die Dorfentwicklungsgruppe sämtliche Kontakte in einer Liste gesammelt hat, mit der wir auch bei den Arbeitstreffen mit der Politik und mit der Mibrag arbeiten wollen. Bisher haben wir über 80 Kontakte von Menschen, die Grundstücke erwerben wollen.
Das übertrifft die Anzahl der zur Verfügung stehenden Grundstücke bei weitem. Wenn man wollen würde, könnte das Dorf in kürzester Zeit wieder voll bewohnt sein. Da sind aber auch Anfragen dabei, die bereits mit Konzepten unterlegt sind, die perfekt in unseren Dorfentwicklungsplan passen würden, wie zum Beispiel ein Frisörsalon oder eine kleine Bäckerei.
Da müssen wir nun schauen, wie die Kommune Groitzsch unsere Planungen unterstützt und wie die Mibrag als Eigentümer der Grundstücke mitspielt.
Und da sind wir schon bei der nächsten Frage. Wie unterstützt nun die Stadt Groitzsch?
Hier ist erst einmal grundsätzlich klarzustellen, die Stadt Groitzsch hat 2012 für Pödelwitz den Umsiedlungsvertrag mit der Mibrag unterzeichnet. Damit hat man die Pläne der Mibrag, Pödelwitz abzubaggern, unterstützt und den Grundstein dafür gelegt. In unserem Kampf für den Erhalt von Pödelwitz hat sich die Stadt Groitzsch nie klar für den Erhalt eingesetzt. Dazu gab es zu keiner Zeit klare Statements der Stadt Groitzsch. Wir mussten das selbst erkämpfen.
Allerdings war zum Beispiel sehr hilfreich, dass uns die Stadt bei der Durchführung der Klimacamps 2018 und 2019 in Pödelwitz unterstützt hat. Vertraglich hatte man sich aber an den unterzeichneten Umsiedlungsvertrag für Pödelwitz gebunden.
In der Präambel des Vertrages steht, dass er dazu dient, dass das Bergbauunternehmen das Dorf zum Zwecke des Kohleabbaus entsiedeln darf. Jetzt, nach dem Koalitionsvertrag und nach der Festlegung der Mibrag vom 21.01.2021, Pödelwitz nicht mehr bergbaulich in Anspruch zu nehmen, hat uns die Stadt Groitzsch, in Vertretung von Bürgermeister Maik Kunze, zugesichert, unsere Pläne zur Entwicklung von Pödelwitz zu unterstützen.
Auch in einem ersten Treffen der Dorfentwicklungsgruppe mit dem Landrat Henry Graichen sicherte der uns zu, unsere Pläne für die Revitalisierung der Ortslage Pödelwitz zu unterstützen.
Erfahren Sie darüber hinaus Hilfe von dritter Seite wie z. B. Umweltverbänden, Initiativen und ähnlichen Institutionen?
Das Klagebündnis von großen Umweltverbänden mit Einwohnern von Pödelwitz ist weiter aktiv. Die Umweltverbände werden das Planfeststellungsverfahren für den geänderten Braunkohleplan für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain im Rahmen ihrer Beteiligung kritisch begleiten. In unserer Dorfentwicklungsgruppe sind auch Menschen aktiv, die uns schon in den letzten Jahren unterstützt haben.
Dazu zählen Menschen aus der Klimabewegung und auch Menschen, die in verschiedenen Instituten tätig sind. Des Weiteren sind wir als Bürgerinitiative Pro Pödelwitz auch weiterhin im deutschlandweiten Bündnis der Tagebaubetroffenen „Alle Dörfer bleiben“ aktiv. In diesem Bündnis werden wir auch deutschlandweit unterstützt.
Was denken Sie, warum hat man den Kohleausstieg eigentlich so lange verzögert?
Bis zum Atom- und Kohleausstieg war der Strommarkt in Deutschland unter den großen Energiekonzernen aufgeteilt. Man dachte nie daran, dass sich das ändern könnte und hatte darum keine Ambitionen, diese Geschäftsmodelle umzustellen. In der Debatte um Klimaveränderungen, Klimaschutz und damit verbundene Notwendigkeiten im Energiesektor stehen diese Unternehmen jetzt in einer Situation, dass ihr Geschäftsmodell so schnell wie möglich beendet werden muss, aber dass sie sich bereits durch ihr Nichtagieren der letzten Jahre von den notwendigen Entwicklungen abgekoppelt haben (fast dasselbe Problem wie in der Autoindustrie).
Damit laufen sie Gefahr, den Strommarkt zukünftig nicht mehr unter sich aufteilen zu können.
Jetzt kann man sich die Gesetzgebung zum Klimaschutz, zum Kohleausstieg und die Verträge zwischen Regierung und Kohleindustrie ansehen. Da merkt man, dass die Energiekonzerne alle diese Prozesse in die Richtung beeinflussen, dass das alte Geschäftsmodell so lange weiterbetrieben werden soll, bis die Unternehmen bei den Erneuerbaren Energien so viel Boden gutgemacht haben, um wieder die größten Marktanteile im Strommarkt zu besitzen.
Dazu gehört auch, dass man die Windkraft und die Beteiligung der Bevölkerung bei den Erneuerbaren Energien gesetzlich so scharf reglementiert, um zu vermeiden, dass die Energieversorgung in Deutschland in Zukunft hauptsächlich dezentral erfolgen könnte. Wie schwierig dieser Umstellungsprozesse für die großen Energieversorger ist, sieht man auch daran, dass sie bei der Braunkohleverstromung seit ein, zwei Jahren nur noch massive Verluste einfahren.
Das versucht man mit den Entschädigungszahlungen für den Kohleausstieg ein wenig zu kompensieren. Diese Beihilfen werden jetzt von der EU geprüft, weil sie wahrscheinlich nach EU-Recht unzulässige Beihilfen darstellen.
Ohne die Gesetzgebung zum Kohleausstieg hätte es der reine Markt deutlich früher geschafft, die Kohleverstromung zu beenden. Zum jetzigen Zeitpunkt wird die allgemeine Erkenntnis immer größer, dass man gar nicht bis 2038 Kohle verstromen wird, weil die Verluste für die Unternehmen dabei exorbitant sind.
Bei der Eigentümerstruktur in der ostdeutschen Braunkohleindustrie laufen wir sogar Gefahr einen „schmutzigen Kohleausstieg“ zu bekommen, wenn die Eigentümer der LEAG und MIBRAG für die beiden Unternehmen Insolvenz anmelden.
Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Ortes Pödelwitz?
Ich hoffe, dass wir unsere Pläne umsetzen können. Damit könnte Pödelwitz ein Modelldorf werden für den gesamten ländlichen Raum der Bundesrepublik Deutschland. Speziell in Sachsen wurde der ländliche Raum in den letzten 30 Jahren massiv ausgedünnt und kaputtgespart.
Alle demokratischen Parteien in Sachsen haben begriffen, dass diese Entwicklung grundlegend falsch war. Darum nimmt die „Stärkung des ländlichen Raumes“ in den Programmen der Parteien einen ganz wichtigen Platz ein.
Pödelwitz hat durch den hohen Leerstand ein riesiges Potenzial einer Entwicklung, in der man die Fehler der Politik beispielgebend an einem Ort vollumfänglich abändern kann. Ich hoffe, dass alle, die zur Revitalisierung von Pödelwitz die Entscheidungshoheit haben, begreifen, dass es für alle ein riesiger Gewinn werden kann, wenn man hier alles richtig macht.
Und wie geht es mit dem Gebiet rund um Pödelwitz weiter?
Pödelwitz liegt am Abbaufeld Peres und momentan liegt die angepasste Braunkohleplanung der Mibrag, welche auch die Rekultivierungsmaßnahmen beinhaltet, noch nicht vor. Darum können wir dahingehend noch keine Aussage treffen, wie das Umfeld von Pödelwitz einmal aussehen wird.
Die Mibrag plant mit allen Stadt- und Gemeinderäten der Anrainer-Kommunen im April eine erste gemeinsame zentrale Informationsveranstaltung, wo sie ihre Pläne für den Tagebau Vereinigtes Schleenhain vorstellen wird. Danach wissen wir mehr.
Für eine neue Braunkohleplanung ist aber auch ein Planfeststellungsverfahren mit öffentlicher Beteiligung notwendig. Erst ein rechtskräftiger Planfeststellungsbeschluss kann vollumfänglich belastbar darstellen, wie das direkte Umfeld von Pödelwitz aussehen wird.
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