So deutlich hat es Leipzig in der Vergangenheit noch nie formuliert, was die Stadtverwaltung von der Arbeit der Flughafengesellschaft und der Landesaufsichtsbehörde hält. In dieser Woche legte die Verwaltung ihre Stellungnahme zur 215. Planänderung zur Start- und Landebahn Süd mit Vorfeld des Flughafens Leipzig/Halle vor. Am 18. Januar wird sie in der Videokonferenz mit den Ortschaftsräten besprochen. Die Ratsversammlung muss sie noch beschließen.
Und wird sie wohl auch beschließen, wenn man zum Vergleich nimmt, was in der digitalen Ratsberatung am 16. Dezember besprochen wurde. Denn die Mehrheit der Fraktionen ist mittlerweile richtig sauer auf das Spiel, das Flughafengesellschaft und Landesbehörden da treiben beim mit 500 Millionen Euro geplanten Ausbau des Frachtflughafens, der schon in den vergangenen 14 Jahren die Bewohner rund um diesen Flughafen hochgradig belastet hat und wo das nächtliche Recht zur Durchführung von Frachtflügen über alle Lärmpegel hinweg ausgereizt wird.
Und wie die Flughafengesellschaft vor einem Jahr ihre Bürgerveranstaltungen durchzog, machte die Ignoranz bei den Flughafenbetreibern erst richtig sichtbar. Von Bürgerbeteiligung konnte nicht die Rede sein. Und dass die Landesdirektion dann auch noch die Auslage der Planunterlagen mitten im Corona-Lockdown genehmigte und auch die Einspruchsfrist in den Lockdown legte, machte endgültig klar, dass das Land hier ein eigenes, ziemlich intransparentes Spiel spielt, bei dem nicht wirklich klar ist, wessen Interessen hier mit Bruch der selbstverständlichsten Beteiligungsregeln durchgesetzt werden sollen.
Und das mit Planunterlagen, die auch aus Sicht der Leipziger Verwaltung völlig ungenügend sind: „Aufgrund der Unzulänglichkeit der Unterlagen hält es die Stadt Leipzig neben der umfassenden Überarbeitung der Antragsunterlagen für notwendig und sinnvoll, das Beteiligungsverfahren im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zu wiederholen. Dies wäre auch vor dem Hintergrund der seit Monaten bestehenden und weiter anhaltenden Pandemiesituation gerechtfertigt.“
Die Planunterlagen müssen Leute geschrieben haben, die seit der dirigierten Bürgerbeteiligung von 2003/2004 für die Startbahn Süd davon ausgehen, dass sie nicht einmal die grundlegendsten Gutachten beibringen müssen, ganz so, als läge der Frachtflughafen irgendwo in Sibirien und nicht in einem dicht besiedelten Gebiet mit einer Halbmillionenstadt.
Ganz dezidiert fehlen der Leipziger Verwaltung eine fundierte Nachbetrachtung im Bodenlärmgutachten, eine belastbare Betroffenheitsanalyse, ein lärmmedizinisches Gutachten und eine Aufstellung der zusätzlichen Schallschutzmaßnahmen. Denn die für die Südbahn planfestgelegten Schallschutzmaßnahmen kann man nicht 1:1 auch auf die Erweiterung des Frachtbetriebes über die alten Kennzahlen hinaus anwenden.
Und auch für die Flughafenerweiterung hat die Flughafengesellschaft wieder vier kurze Südabkurvungen über Leipziger Stadtgebiet aufgeschrieben, als wäre es das Normalste von der Welt, dass die schweren Frachtflieger direkt übers Stadtgebiet fliegen dürfen. Künftig ja noch mehr als heute. Ein Unding aus Leipziger Sicht, wo man seit über zehn Jahren gegen die umweltschädliche Südabkurvung kämpft.
In der Vorlage heißt es dazu: „In beiden Datenerfassungssystemen sind vier Flugrouten zur sogenannten kurzen Südabkurvung bei Betriebsrichtung Ost erfasst und mit Luftfahrzeugen belegt worden, die eine Höchstabflugmasse größer als 30 t aufweisen. Dies widerspricht der Beschlussempfehlung des Deutschen Bundestages vom 29.06.2017 bzgl. der Petition zur kurzen Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle. Auch im aktuellen Koalitionsvertrag Sachsen 2019 bis 2024 zwischen CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD ist verankert, dass die Bemühungen um eine weitgehende Abschaffung der kurzen Südabkurvung unterstützt werden. Zudem setzt sich die Stadt Leipzig seit Inbetriebnahme dieser Flugrouten auch im Rahmen der Fluglärmkommission für deren Abschaffung ein. Es ist aus diesen Gründen nicht schlüssig, dass die Flugverfahren zur kurzen Südabkurvung im Prognosejahr 2032 durch Luftfahrzeuge genutzt werden sollen, deren Höchstabflugmasse größer als 30 t ist. Dies ist mittels Stellungnahme näher dazulegen und zu ändern.“
Und gegen sämtliche geltenden Beschlüsse wünscht sich der Flughafen auch im neuen Planfeststellungsbeschluss eine ungleiche Belegung der Startbahnen. Und das, obwohl auch hier selbst in der Fluglärmkommission seit Jahren um eine Gleichbelegung 50:50 gekämpft wird.
Die Leipziger Stellungnahme dazu: „Im genannten Bericht wird erläutert, dass sich der Auftraggeber in Abstimmung mit der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) für eine Verteilung der Flugbewegungen auf die Start-und Landebahnen festgelegt hat. Als Vorgabe für den Prognosehorizont 2032 bezogen auf den Frachtverkehr der DHL wurde vereinbart, „dass im Nachtzeitraum auf der Nordbahn 40 % der Landungen sowie 30 % der Starts und auf der Südbahn 60 % der Landungen sowie 70 % der Starts erfolgen werden“ (S. 29). Diese zwischen Auftraggeber und DFS abgestimmte Bahnnutzung wird kritisch bewertet. Das angenommene Bahnnutzungsverhältnis des Hauptnutzers im Nachtzeitraum entspricht nicht dem empfohlenen Verhältnis des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses sowie des jüngsten Beschlusses der Fluglärmkommission vom 14. Oktober 2020 zur gleichmäßigen Auslastung der beiden Start-und Landebahnen.“
Das alte Lärmschutzgebiet passt schon jetzt nicht mehr zu den Prognosen, die der Flughafen für den Ausbau vorgelegt hat. „Das Nachtschutzkonzept sollte der besonderen Situation des Flughafenbetriebs am Flughafen Leipzig/Halle Rechnung tragen. Im Nachtzeitraum (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) finden in der ersten Nachthälfte hauptsächlich Anflüge statt, in der zweiten Nachthälfte hingegen dominieren die Startvorgänge. Der Planfall geht von größeren, somit schweren und lauteren Flugzeugen aus. Die einzelnen Überflugereignisse werden ebenfalls lauter, bewirken mehr zusätzliche nächtliche Aufwachreaktionen und führen somit zu einer höheren Beeinträchtigung der Schlaf-und Lebensqualität sowie zu einem Anstieg von Folgeerkrankungen.“
Aber eine Neuberechnung der Bodenlärmbelastung fehlt.
Genauso wie auch nur der geringste Ansatz fehlt, die zusätzliche Umweltbelastung vor allem durch CO2-Emisionen irgendwie zu kompensieren. Neben dem Kohlekraftwerk Lippendorf ist der Flughafen mit über 2 Millionen Tonnen CO2-Emisionen im Jahr der größte Klimaschädiger in der Region. Die Kritik der Stadt: Nicht einmal die Klimaschutzziele der Bundesregierung werden berücksichtigt.
Und selbst bei den nun zum Versiegeln vorgesehenen Flächen stimmen die simpelsten Angaben in den Planunterlagen nicht: „Beim Schutzgut Fläche wird nicht die tatsächliche Neuversiegelung bewertet, sondern nur die bauplanerische Nutzungsänderung. Das Ziel des Flächensparens wäre hier anzusprechen. Fraglich ist die Definition des Begriffs Flächeninanspruchnahme. Das Büro Knoblich geht hier lediglich von 9,87 ha, vormals landwirtschaftlich genutzter Flächen, aus. Dass die dauerhafte Flächeninanspruchnahme tatsächlich durch Neuversiegelung 65,12 ha betragen wird, bleibt unberücksichtigt. Die Ausführungen, nachdem aber bereits die 9,87 ha über der sächsischen Zielsetzung von unter 2,0 ha/d liegt, wird mit der überregionalen Bedeutung des Flughafens begründet.“
Die Bilanz ist deutlich und bestätigt alle Bedenken, die am 16. Dezember in der Video-Konferenz geäußert wurden. In dieser Form ist der Ausbauplan nicht zustimmungsfähig und auch nicht gesetzeskonform.
Die Aufforderung der Stadt zur Überarbeitung der Pläne sollte also ernst genommen werden. Hier geht es um elementare gesetzliche Anforderungen, die weder die Flughafengesellschaft noch das Sächsische Wirtschaftsministerium als Co-Autor berücksichtigt haben.
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